Das Sonnet

[319] Das Sonnet ist ein kleines lyrisches Reim- – oder, wie es Andere nicht übel nennen – Kling-Gedicht. (Die Benennung kömmt eigentlich, als Diminutiv, von Son her, welches bei den Provenzalen ein Gedicht, zum Singen gemacht, bezeichnet.) Das Eigenthümliche, wodurch es sich von andern Gedichten unterscheidet, ist die äußere Form: nehmlich es besteht gemeiniglich aus vier Strophen, davon die ersten zwei vier, die andern beiden drei Reihen haben, so daß das Ganze aus vierzehn Reihen (man hatte deren ehedem auch sechzehn) besteht. Der Gegenstand desselben ist sehr verschieden: verliebten, heroischen, moralischen, satirischen Inhalts etc. – Die Italiäner hauptsächlich haben an dieser Art von Gedichten sehr vielen Geschmack gefunden, und der berühmte Petrarcha (m. s. dies. Art.) hat sie seinen Landsleuten so schätzbar gemacht – er schrieb deren 118. – Bei uns fanden sie in dem 17. Jahrhunderte durch Weckherlin, Opitz, Flemming und Lohenstein Eingang; obgleich in dem Anfange und in der Mitte des vorigen Jahrhunderts man dieses Kunstwerk für den zu philosophischen Geist unserer besten Köpfe zu spielerisch und tändelnd fand, als daß man viel Zeit darauf hätte verwenden sollen [319] Doch scheint gegen Ende des gedachten Jahrhunderts diese Art von Gedichten durch Schmitt, Bürger, und dann auch durch A. W. Schlegel u. A. wieder Aufmerksamkeit erregt, und den Deutschen mehrern Geschmack daran beigebracht zu haben.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 319-320.
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