Der Aërostat

[17] Der Aërostat, die aërostatische Maschine, a. d. Griech. eine Maschine, welche in der uns umgebenden Luft aufsteigt, auch wohl Menschen und andre Lasten mit sich erhebt. Die Bewerkstelligung dieser so lange für unmöglich gehaltenen Sache ist eine der größten Entdeckungen der neuern Zeit. Nachdem Cavendisch um das Jahr 1766 die große Leichtigkeit der brennbaren Luft entdeckt hatte, kam D. Black in Edinburg zuerst auf den Gedanken, daß eine dünne Blase, mit solcher Luft angefüllt, [17] in der Atmosphäre aufsteigen müsse, ohne jedoch Versuche anzustellen. Cavallo und Lichtenberg stellten nachher Versuche an und brachten im Jahr 1782 wenigstens Seifenblasen mit brennbarer Luft gefüllt hervor, welche aufstiegen und an der Decke des Zimmers zerplatzten. Die große Erfindung der aërostatischen Maschinen wurde im August 1782 von den zwei Brüdern Stephan und Joseph Montgolfier, Papierfabrikanten zu Annonay in Vivarais, genievollen und eifrigen Liebhabern der Naturlehre, gemacht.

Den von dem jüngern Bruder gegebenen Nachrichten zu Folge hat man diese Erfindung nicht dem Zufalle, sondern dem Nachdenken und den wiederhohlten Bemühungen zu danken; dennoch scheinen die Erfinder selbst von der Ursache des Aufsteigens ihrer Maschinen nicht ganz richtige Begriffe gehabt zu haben. Das Mittel, dessen sie sich bedienten, war, daß sie unter der Oeffnung eines ganz zusammen gefalteten leinenen Sackes ein Strohfeuer anzündeten und von Zeit zu Zeit etwas gekrämpelte Welle in dasselbe warfen. Die Erfinder schrieben das dadurch bewirkte Aufsteigen nicht der wahren Ursache zu, welche darin besteht, daß der Sack mit erhitzter oder durchs Feuer verdünnter Luft angefüllt wird: jeder Körper muß in der Luft aufsteigen, wenn er leichter ist als die Luft, die mit ihm einen gleichen Raum einnimmt; und es bedarf daher bloß einer großen specifischen Leichtigkeit des Ganzen und einer für die Luft undurchdringlichen Hülle.

Da die Mittel, deren sich die Montgolfiers bei dieser erstaunenswürdigen Entdeckung bedienten, nicht sogleich bekannt wurden, so fielen die Pariser Naturforscher auf die brennbare Luft. Charles, Professor der Physik zu Paris, machte den – glücklichen – Versuch, jenes Kunstwerk vermittelst der brennbaren Luft nachzuahmen; und so theilten sich die aërostatischen Maschinen gleich bei ihrer Erfindung in zwei Classen, in diejenigen, welche, nach Art der Montgolfiers, mit erhitzter oder verdünnter Luft, und die, welche, nach Charles Beispiele, mit brennbarer Luft gefüllt werden. Die Wirkung der letztern ist ohne Zweifel stärker und sicherer, sie sind nicht so wie die Montgolfierschen der [18] Gefahr angezündet zu werden ausgesetzt; hingegen fordern sie auch mehr Zeit und Kosten als diese.

Der jüngere Montgolfier kam um diese Zeit nach Paris, wo er einen unermüdeten Gehülfen an dem Herrn Pilatre de Rozier, Vorsteher des Museums, fand, welcher es am 15. October 1783 zum ersten Mahle wagte, auf einer von Montgolfier verfertigten Maschine 84 Schuh hoch vom Boden aufzusteigen und 4½ Minute in der Höhe zu bleiben, wobei er jedoch die Maschine an Stricken halten ließ. Dieser Versuch wurde wiederhohlt; und durch diese Proben ermuntert wagten Pilatre de Rozier und der Marquis dʼArlandes am 21. Nov. 1783 auf eben derselben Maschine die erste Luftreise.

Die Herren Charles und Robert, welche als Erfinder der Aërostaten mit brennbarer Luft mit den Montgolfiers wetteiferten, veranstalteten am 1. December 1783 eine zweite Luftreise. Seitdem haben sich diese Luftreisen sehr vervielfältiget. Pilatre de Rozier ging darauf zu dem ältern Montgolfier nach Lyon: hier kam er auf den Gedanken, eine Ueberfahrt über den Canal von der Französischen Küste aus zu wagen, in welchem er, ob ihm gleich Blanchard zuvorkam, dennoch unglücklicher Weise beharrte; denn er wurde durch einen unglücklichen Fall zerschmettert. Glücklicher war der eben genannte Blanchard, welcher schon längst durch mechanische Mittel vergeblich zu fliegen versucht hatte, aber erst jetzt vermittelst dieser Erfindung seinen Zweck erreichen konnte. In England blieb man lange Zeit gleichgültig gegen diese aus Frankreich gekommene Erfindung, sahe aber nachher Blanchards und Anderer Versuche mit desto größerer Theilnahme.

In Absicht auf die willkührliche Lenkung der Luftmaschinen sind, den öffentlichen Nachrichten (Journal de Paris vom 29. Aug. 1785) zu Folge, die Herren Robert und Alban glücklicher als ihre Vorgänger gewesen: sie haben am 25. Aug. 1785 eine Luftreise nach vorher bestimmten Richtungen gemacht, ihr Luftschiff nach Gefallen an dem dazu ausgezeichneten Orte nieder gelassen; sie sind früh von Javelle nach St. Cloud und Abends wiederum nach Javelle zurück gegangen. Der erste Versuch, von dem Luftvall militairischen Nutzen [19] zu ziehen, wurde in der Bataille bei Fleurus d. 26. Juni 1794 gemacht; der General Etienne bestieg einen Aerostat ganz allein und schwebte über der Oestreichischen Armee. Er sagt in seinem Berichte: »Man griff meinen Luftball nicht bloß mit Spott und Hohn sondern auch mit Granaden an, die aber tief unter mit zurück fielen. Während des Treffens correspondirte ich mit der Generalität über die Stellung und die Bewegungen des Feindes, der überwunden wurde.« Es wurde unverzüglich im October 1794 eine Compagnie Officiers für den Dienst des Luftschiffs vom National-Convent ernannt. Die Franzosen haben sich nachher dieser Erfindung häufig bedient, und sie lassen sich die Vervollkommnung derselben sehr angelegen sein.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 17-21.
Lizenz:
Faksimiles:
17 | 18 | 19 | 20 | 21
Kategorien: