Der Pfalzgraf

[410] Der Pfalzgraf (comes palatinus); so hieß im Mittelalter in Deutschland eine Person von gräflichem oder fürstlichem Stande, die, in Abwesenheit des Kaisers, in den kaiserlichen Pfalzen oder Gerichtshöfen (deren es, weil die Kaiser noch keine bestimmten Residenzen hatten, viele gab) im Namen desselben in höchster Instanz Recht sprach. Von diesen Pfalzgrafen haben z. B. die Pfalz am Rhein, die obere Pfalz in Bayern, die Pfalz Sachsen u. A. den Namen erhalten. Die höchste Gerichtsbarkeit der Pfalzgrafen hörte auf, als im 15. und 16. Jahrhunderte ordentliche feststehende Reichsgerichte errichtet wurden; und sie behielten bloß ihren Titel und das Recht, gewisse kaiserliche Reservatrechte (d. h. deren Besitz sich der Kaiser ausschließend vorbehalten hatte, z. B. das Recht, uneheliche Kinder zu legitimiren, bürgerliche Würden zu ertheilen etc.) für sich und ihre Nachkommen auszuüben. Der Inbegriff dieser Rechte wird die Comitiv genannt, und ist doppelt, die kleinere und die größere. Letztere ist allein in den Händen der eigentlichen Pfalzgrafen; erstere aber wird von ihnen sehr häufig an Gelehrte, besonders akademische Lehrer, übertragen, und kommt auch gewöhnlich Universitäten und bisweilen Stadträthen zu. Wer diese kleinere Comitiv hat, heißt Unterpfalzgraf. Durch die Landeshoheit der Landesherren sind jedoch jetzt die Rechte der Ober- und Unterpfalzgrafen (welche oft sehr gemißbraucht wurden) überaus geschmälert worden.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 410.
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