[70] Die Fuge, (Musik) ein Tonstück von zwei oder mehrern Stimmen, in welchem ein gewisser melodischer Satz (Thema oder auch Führer genannt, weil er den übrigen Stimmen gleichsam zum Vorgänger und Aufführer dient) erst von einer Stimme vorgetragen, und alsdann von der andern (welche daher auch Gefährte heißt) mit geringen Abänderungen und unter einer künstlichen Vertheilung, aber nach festgesetzten Regeln, wiederholt wird, so, daß dieses Thema durch das ganze Stück wechselsweise in verschiedenen Theilen des Gesanges, es sei nun mit zwei, drei, vier oder mehreren Stimmen, vernommen wird. Eine solche Fuge ist zwei-, drei- oder mehrstimmig, und hat entweder nur einen Hauptsatz oder Führer (und dann heißt sie [70] eine einfache Fuge), oder sie hat mehrere Hauptsätze (und wird alsdann Doppelfuge genannt). Da der Fugensatz sehr großen und mannigfaltigen Schwierigkeiten unterworfen ist, so wird es auch in Rücksicht auf den reinen Satz für das Schwerste in der Musik gehalten, und gelingt nur den geübtesten Meistern in der Harmonie, so, daß auch öfters bei Anhörung derselben nur das Ohr des Kenners, welcher den Eintritt jeder Stimme, die künstliche Behandlung und Durchführung des Hauptsatzes etc. genau bemerken kann, Befriedigung findet; indeß vielleicht der größere, an einfache, gefällige Melodien gewöhnte Theil mit Rousseau wohl öfters, wenn auch nicht allemahl mit Recht, behaupten mag: »eine schöne Fuge ist das undanbare Meisterstück eines guten Harmonisten.« Uebrigens wurden die Fugen ehedem bloß für den Kirchengesang gefertigt, und zum Texte derselben kurze aber nachdrückliche Sprüche gewählt, über welche der Gesang wie ein wachsender, nach und nach unaufhaltbar fortrauschender Strom sich ergießt: jedoch werden sie gegenwärtig auch in andern Singstücken angebracht; ja man findet sie selbst oft bei Stücken, welche bloß für Instrumental-Musik geschrieben sind.