Die Jesuiten

[265] Die Jesuiten, eine katholische Ordensgesellschaft, welche ein Spanischer Edelmann, Inigo von Loyola, der ehedem im Kriege gedient hatte, allein auf ausdrücklichen Befehl der Jungfrau Maria der [265] Weltlichkeit entsagte, zuerst begründete und im Jahre 1540 vom Papst Paul III. bestätigen ließ. Seine Absicht war dabei hauptsächlich auf die Erziehung der Jugend gerichtet. Der päpstliche Stuhl, welcher, seitdem Luther mit seiner Reformation dem Mönchswesen einen tödtlichen Stoß beibrachte, vorzüglich durch das gesunkene Ansehen der Bettelmönche eine wichtige Stütze verloren hatte, konnte dem neuen Plane des Loyola unmöglich seinen Beifall versagen. Die Gesellschaft sollte bloß aus Männern von Kenntnissen und Talenten bestehen, welche sich einen blinden Gehorsam gegen ihren Obern auflegten, den Protestantismus zu untergraben bemüht waren, und die Unfehlbarkeit des Papstes aus allen Kräften unterstützen wollten. Der Römische Hof sah deßwegen in ihnen seine eifrigsten Vertheidiger, und ließ willig geschehen, daß ihre Anzahl, welche ursprünglich auf sechzig eingeschränkt war, mit jedem Tage wuchs, und gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts zahllos ward. Da die Jesuiten außer den gewöhnlichen Ordensgelübden sich auch noch überdieß zum Missionsgeschäfte unter den Heiden anheischig gemacht hatten, so gelang es ihnen, sich über die ganze bekannte Welt zu verbreiten und überall ihrer Lehre Eingang zu verschaffen. Mehrere einzelne Jesuiten erkannten einen eignen Rector als ihren Obern; die Rectoren standen unter der Aufsicht der Provincialen, und diese wieder unter dem höchsten Ordensgeneral, der in Rom seinen Sitz hatte. Nicht Jeder wurde in die tiefsten Geheimnisse des Ordens eingeweiht, sondern bekam nur so viele Aufklärungen darüber, als seine Obern, die er vielleicht nicht einmahl kannte, die sich aber sehr sorgfältig nach der indivuellen Lage jedes neu Aufzunehmenden erkundigten, für nöthig hielten. Man überzeugt sich sehr leicht, wie gefährlich eine solche Gesellschaft für alle diejenigen werden mußte, welche nicht zu der Römischen Kirche gehörten, und wie viel selbst katholische Höfe von ihr zu befürchten hatten, wenn sie es wagen wollten, ihrer täglich mehr um sich greifenden Macht Einhalt zu thun. Da die Jesuiten in ihrem Aeußern die strengste Tugend und größte Sittsamkeit heuchelten, überdieß größten Theils Leute von Welt- und Menschenkenntniß waren, und die Großen besser zu unterhalten verstanden [266] als ehedem die schmutzigen Bettelmönche; so gewannen sie bald an allen Höfen Zutritt, und erhielten die bedeutenden Rollen der Beichtväter und geheimen Rathgeber der Fürsten. Ihre Moral war äußerst bequem und gefällig. Man durste sich, ihrer Meinung nach, nur noch auf dem Todbette an die heilige Jungfrau wenden, und alle Sünden des Lebens waren mit einmahl verbüßt. Trug man ein Bild der Mutter Gottes als Amulet bei sich, so konnte man dabei nach Belieben sündigen, ohne deßwegen gefährliche Folgen für das Heil der Seele befürchten zu dürfen. Bei solchen Grundsätzen ward es den Jesuiten nicht schwer, die schwärzesten Laster zu vertheidigen, Aufruhr anzuzetteln und jeden ihnen günstigen Plan durch die Macht ihrer Ueberredung durchzusetzen. Man sah in diesem Jahrhunderte ein, wie gefährlich diese Menschen den Staaten wurden, und wie sie durch ihren Unterricht die Herzen ihrer Zöglinge vergifteten. Zuerst vertrieb sie der berühmte Minister Pombal im Jahre 1759 aus den Portugiesischen Staaten, wozu die nächste Veranlassung eine Rebellion war, die sie in Paraguay wider die Portugiesen angestiftet hatten; hierzu kam, daß man sie beschuldigte, die bekannte, aber immer noch nicht zur Befriedigung erklärte Unternehmung wider das Leben des Königs geleitet zu haben. Der Französische Hof folgte 1764 diesem Beispiele (nachdem das Parlament zu Paris bei Gelegenheit eines Handelsprozesses des Jesuiten de la Valette, welcher Bankerott gemacht hatte, und von dem Orden nicht unterstützt wurde, zu einer Untersuchung der Grundregeln des Ordens übergegangen war; vergl. Choiseul), so wie auch der Spanische 1767 und mehrere Italiänische Fürsten. Freilich erhob sich Papst Clemens XIII. mächtig dagegen, und schleuderte mit Bannstrahlen um sich her; aber er konnte nichts ausrichten, und seine Bannflüche wurden verlacht. Sein Nachfolger, Clemens XIV. ein Papst wie noch keiner den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, gab endlich den wiederhohlten Bitten der Bourbonischen Mächte Gehör, und hob durch eine Bulle vom 21. Juli 1773 den Orden der Jesuiten gänzlich auf. Ueberall vertrieben oder verfolgt, und selbst aus den Besitzungen der katholischen Mächte in Amerika verjagt, irrten sie trostlos umher, und baten [267] um Schutz. In einzelnen kleinen Staaten wurden sie hin und wieder aufgenommen; aber die vollkommenste Ruhe fanden sie im Norden, im Königreiche Preußen und in Rußland, wo man ihnen das Geschäft der Erziehung ohne Bedenken übertrug. Sie hielten sogar im Jahre 1782 eine General-Congregation daselbst, und brachten es bei der Kaiserin so weit, daß der Papst Pins VI. auf ihr Ansuchen den neu gewählten Generalvicar bestätigte, und den Orden für das Russische Reich in seiner ehemahligen Verfassung wieder herstellte. Kein Wunder, daß man einige Jahre nachher den so genannten Jesuitismus überall aufspürte und die neuen Unternehmungen des Ordens fürchtete. Eine ziemliche Anzahl Schriften wurden darüber gewechselt, und endlich das Resultat hrrausgebracht, daß es, ungeachtet gewisser unter den ehemahligen Jesuiten noch jetzt bestehender Verbindungen, beinahe unmöglich scheine, daß der Orden je seine ehemahlige Macht sollte wieder erlangen können. Die immer zunehmende Aufklärung würde dieses verhindern; obgleich nicht geläugnet werden kann, daß viele Zöglinge der ehemahligen Jesuiten noch jetzt echt jesuitisch handeln, und daß vorzüglich die Französische Revolution an mehreren lebenden Beispielen bewiesen hat, wie weit es ein von Jesuiten erzogener Mann bringen könne.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 2. Amsterdam 1809, S. 265-268.
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