Die Niederlande

[251] Die Niederlande, bestehen in dem weitesten Sinne dieser Benennung aus siebzehn Provinzen, welche theils zur Batavischen oder Holländischen Republik, theils zu den übrigen gegenwärtig gänzlich den Franzosen unterworfenen zehn Provinzen gehören, und gränzen gegen Osten an Deutschland, gegen Süden an Lothringen und Frankreich, gegen Westen und Norden an das Deutsche Meer. In den ältesten Zeiten gehörten sie größten Theils zu Belgien (so hieß das Land von den Belgen, einem Gallischen Volke), und einige Striche derselben zu Deutschland. Etwa 100 Jahr vor der christl. Zeitr. besetzten die Batten oder Batavier (ein Deutsches Volk aus den heutigen Hessen) die von ihnen benannte Batavische Insel, welche einen großen Theil der heutigen Provinzen-Geldern, Holland und Utrecht enthielt. Nach den Bataviern, deren Verfassung republikanisch war, deren Name sich aber nach der Mitte des 5. Jahrhunderts verliert, war das mächtigste Volk in den Niederlanden die Friesen, welches unter allen alten Völkern in diesen Gegenden allein seinen Namen und größten Theils seine alten Besitzungen behalten hat. Nach der Mitte des 5. Jahrh. wurden die Niederlande allmählig ein Theil der Fränkischen Monarchie, und in der Mitte des 9. Jahrh. ein Theil des Lothringischen Reichs, wodurch es zugleich in Verbindung mit dem Deutschen Reiche kam. Jetzt bildeten sich nach und nach schon im 11. Jahrh. mächtige erbliche Herzöge und Grafen in den einzelnen Prozinzen, welche größten Theils die Deutsche Hoheit anerkannten, bis im 14. und 15. Jahrhundert der größte Theil der Niederlande durch Heirath, Erbschaft, Kauf und Gewalt an das jüngere Haus der Herzoge von Burgund (das aus dem Französischen königl. Hause Valois abstammte) kam. Unterdiesem [251] Hause war dieser Staat eine Zeit lang wegen der blühenden Gewerbe in demselben der mächtigste in ganz Europa. Carl der Kühne (gest. 1477) schloß diese herzogliche Linie, und hinterließ eine Tochter, Maria, die sich (1477) mit dem nachmahligen Kaiser Maximilian vermählte, durch welche Verbindung (nachdem König Ludwig XI. von Frankreich Burgund als ein erledigtes Lehen eingezogen hatte) die gesammten Niederlande, außer Utrecht, Ober-Yssel und Gröningen (welche erst Carl V. dazu brachte) an das Haus Oestreich kamen. Schon in diesem Zeitpunkte, als die Niederlande an Oestreich kamen, liegen die Keime der nachherigen Unruhen in diesem Lande verborgen. Die Niederlande wurden jetzt eine von dem Sitze ihrer Berherrscher entfernte Provinz; und der Ton dieser Beherrscher war nichts weniger als dazu gemacht, die muthigen, auf ihre Freiheiten eifersüchtigen Niederländer für sie zu gewinnen. Durch Carl V. – welcher alle 17 Provinzen vereinigte – kamen die Niederlande an die Krone Spanien. Philipp II. König von Spanien (Caris V. Sohn), fing nach dem Jahre 1560 an, den Niederländern ihre politische und Religionsfreiheit zu nehmen; wodurch er nicht nur den Wohlstand derselben gänzlich störte, sondern auch verursachte, daß die sieben nördlichen Provinzen sich der Spanischen Herrschaft entzogen1, und nach einem nur 12 Jahre lang unterbrochenen Kriege von 68 Jahren im Münsterschen Frieden (1648) die förmliche Anerkennung ihrer Souverainität von Spanien errangen. Zu gleicher Zeit machten sich diese sieben Provinzen, welche sich die vereinigten nannten, von der Verbindung mit dem Deutschen Reiche, zu welchem sie nur wieder neuerlich seit 1512 als Theile des Burgundischen Kreises gehörten, frei. – Die übrigen zehn Provinzen waren zwar auch größten Theils wieder Spanien aufgestanden: allein sie waren sowohl in Rücksicht der Religion als des erwählten Anführers mit den [252] sieben nördlichen nicht übereinstimmend; auch fiel die Macht der Spanier schwerer auf sie, und die vereinigten Provinzen schienen die Vereinigung mit ihnen nicht einmahl mehr zu wünschen. Auch erhohlten sie sich weit später von der Versunkenheit, in die sie durch Bedrückungen und Kriege gefallen waren, als ihre republikanischen Nachbarn, besonders da Spanien im Westphälischen Frieden den für sie so nachtheiligen Vertrag einging, »daß seine Niederlande wenigstens keine Handlung von solcher Art und in solcher Gegend unternehmen sollten, wo die Holländer im Besitz wären.« Diese 10 Provinzen wurden nun, zum Unterschiede der vereinigten Niederlande oder der Republik Holland, die Spanischen genannt. Unter dem ländersüchtigen Ludwig XIV. wurden jedoch von denselben nach und nach ganz Artois und mehrere beträchtliche Stücke abgerissen, welche den Namen der Französischen Niederlande bekamen. Als endlich die Spanischen Niederlande, so viel nehmlich zu der Zeit davon übrig war, durch den auf den Spanischen Succesionskrieg erfolgten Utrechter Frieden 1713 an Oestreich kamen, hießen sie bis vor kurzem die Oestreichischen Niederlande. Wir wollen jetzt beide, die vereinigten und die noch unlängst so genannten Oestreichischen Niederlande oder Belgien (wie sie ebenfalls und gegenwärtig ausschließend genannt werden), besonders betrachten.

A) Die Republik der vereinigten Niederlande (die Republik Holland, von der wichtigsten Provinz, jetzt die Batavische Republik,2 von ihren ältesten Bewohnern) besteht aus den sieben Provinzen: Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, Oberpßel, Gröningen und Friesland, aus dem Lande Drenthe und Holländisch Brabant, und wird nach der Constitution von 1798 in 8 Departements getheilt. Ihre Gränzen sind: Deutschland, Belgien und die Nordsee, [253] die hier einen großen Meerbusen bildet, welcher unter dem Namen der Südsee bekannt ist. Das ganze Gebiet der Republik liegt sehr niedrig, und hat einen durchgängig ebenen, zum Theil sumpfigen Boden; daher zur Verhinderung der Ueberschwemmungen des Meeres und zur Ableitung des überflüssigen Wassers große Summen auf die Unterhaltung der Dünen3 und Canäle, deren es eine unzählige Menge giebt, verwendet werden müssen. Wegen der feuchten Luft, der häufigen Nebel und schnell abwechselnden Witterung ist das Clima der Gesundheit wenig zuträglich. Doch wissen die Einwohner durch ihre so gepriesene Reinlichkeit dem nachtheiligen Einfluß ihres Clima's entgegenzuwirken. Das Land ist übrigens trotz aller natürlichen Hindernisse vortrefflich angebaut und sehr bevölkert, hat aber doch, den Gartenbau und die Viehzucht abgerechnet, die bekannter Maßen äußerst beträchtlich ist, einen Mangel an den ersten Lebensbedürfnissen. In den andern Welttheilen hat die Batavische Republik noch sehr ansehnliche Besitzungen: in Asien, auf den Inseln Ceylon, Sumatra, Java Celebes, den Molucken und auf dem festen Lande in Ostindien; in Afrika, das Vorgebirge der guten Hoffnung und verschiedene Forts in Guinea; in Amerika, ein Stück von Guiana und die Westindischen Inseln St. Eustach, Curaçao, einen Theil von St. Martin u. a. m. Die wichtigsten dieser Colonien sind indessen zu Folge des gegenwärtigen Krieges von den Engländern erobert worden. Die vereinigten Niederländer oder Bataver, eine sehr erwerbsame und kaufmännische Nation, beschäftigen sich außer der Viehzucht mit Fabriken und Manufacturen von Leinwand, Tüchern, Papier, feinen Farben u. s. w. mit Fischerei (Heerings-und Wallfischfang), Schifffahrt und Handlung. Durch ihren Handel, namentlich mit den Producten ihrer Colonien, verbunden mit einem außerordentlichen Zwischenhandel – sie waren die Spediteurs der halben Welt – hatten [254] sie unermeßliche Reichthümer zusammengehäuft. Da aber mächtige seefahrende Nationen ihnen ihre ehemahligen Vortheile zu entreißen wußten: so ist ihr Handel in den neuern Zeiten sehr in Verfall gerathen; und jetzt hat er noch durch den Krieg mit England den empfindlichsten Stoß erlitten, so daß die einst so blühende Holländisch-Ostindische Handelscomgagnie kaum noch einen Schatten von dem, was sie sonst war, zeigt. – Die vereinigten Niederlande machten bisher eine Union von 7 Provinzen (Freistaaten) aus, die im Innern ganz unabhängig von einander waren, und nur in Ansehung der allgemeinen Angelegenheiten in Verbindung standen. In den einzelnen Provinzen führten die Staaten (d. i. die von den freien Städten, der Ritterschaft und der Geistlichkeit erwählten Deputirten) die Regierungsgeschäfte. Die Besorgung der allgemeinen Angelegenheiten der Union war den Generalstaaten, die aus Deputirten der 7 Provinzen bestanden, übertragen. Die höchste vollziehende Gewalt, so wie die Aufsicht über die Land- und Seemacht hatte der Erbstatthalter aus dem Hause Nassan-Oranien. – Schon seit geraumer Zeit gab es in dieser Republik zwei Parteien, die unter dem Namen der patriotischen und Oranischen bekannt sind. Jene, unzufrieden mit der großen Macht des Erbstatthalters, wollte der Republik eine freiere Verfassung geben, und wurde von Frankreich begünstigt; diese hingegen vertheidigte die eingeführte Regierungsform, und fand an England Unterstützung. Es kam besonders in den Jahren 1785 – 1787 zwischen beiden Parteien, die sich gegen einander bewaffnet hatten, zu vielen Gewaltthätigkeiten. Als aber die so genannten Patrioten die Oberhand erlangten und die Erbstatthalterin persönlich beleidigten, ließ der König von Preußen (im Septemb. 1787) unter dem Befehl des Herzogs von Braunschweig ein Truppencorps in Holland einrücken, wodurch die Ruhe sehr bald wieder hergestellt wurde. Ein großer Theil der Patrioten flüchtete nach Frankreich, und der Erbstatthalter gelangte wieder zu seinem vormahligen Ansehn. – Zu Anfange des Jahres 1793 wurde die Republik der vereinigten Niederlande in den Krieg gegen Frankreich verwickelt, [255] und nur durch die glücklichen Fortschritte der Oestreicher von den unter Dümouriez (s. dies. Art.) eindringenden Franzosen befreit. Nachdem aber die Alliirten in dem für sie so unglücklichen Feldzuge von 1794 aus Belgien zurückgedrängt worden waren, so rückte der siegreiche Pichegrü mit seiner ganzen Macht gegen Holland an, wo man seine Zuflucht zu einer allgemeinen Ueberschwemmung nahm. Allein ein überaus harter Winter begünstigte die Unternehmungen der Franzosen, die nun, von den 1787 vertriebenen Patrioten begleitet, über das Eis in Holland eindrangen, und schon den 19. Januar 1795 Amsterdam besetzten. Die alte Oranisch gesinnte Regierung wurde sogleich durch eine neue ersetzt, und so nach und nach in allen Provinzen die Revolution ohne bedeutende Unruhen zu Stande gebracht. Bald wurden auch die Civil- und Militairwürden des Erbstatthalters, der bereits den 18. Januar mit seiner Familie nach England abgegangen war, nebst dem Erbadel und andern Privilegien aufgehoben. Frankreich, mit welchem den 16. Mai 1795 zu Haag ein Friedens- und Allianz-Tractat abgeschlossen wurde, erkannte die Unabhängigkeit der Batavischen Republik an, die dagegen hundert Millionen als Entschädigung für die aufgewendeten Kriegskosten bezahlen, Holländisch Flandern mit Inbegriff des ganzen Landes auf der linken Seite des Hond, nebst den Städten Mastricht und Venlo, so wie die andern südwärts von Venlo an beiden Seiten der Maas liegenden Besitzungen der vereinten Niederlande, das Recht ausschließender Besatzung in Vliessingen und den gemeinschaftlichen Gebrauch dieses Hafens abtreten und sich überdieß zu einer beständigen Allianz gegen England verbinden mußte.4 Seit diesem Haager Frieden hac die Batavische Republik kaum mehr als 600 Quadratmeilen, aber eine Bevölkerung von beinahe 2 Millionen Menschen. – Alle diese Ereignisse veranlaßten Großbritannien, [256] Holland den Krieg zu erklären, wo man sich hauptsächlich mit Organisation der Land- und Seemacht beschäftigte, und bereits 25000 Mann Französischer Truppen zum Dienst des Landes in Sold genommen hatte. Um der Republik eine neue Verfassung zu geben, waren auch bald zur Zusammenberufung eines National-Convents Anstalten getroffen worden. Allein der dazu verweigerte Beitritt der drei Provinzen Seeland, Gröningen und Friesland5verschob die Ausführung dieser Sache lange Zeit, bis endlich, nicht ohne Ermahnung der Französischen Regierung an das Batavische Phlegma, die Organisation ihrer Verfassung zu beschleunigen, den 8. Februar 1796 alle 7 Provinzen einstimmig beschlossen, daß ein National-Convent Staat finden sollte, der auch schon den 1. März im Haag förmlich eröffnet wurde, und die Regierung der Generalstaaten, die bis dahin fortgedauert hatte, aufhob. Zum ersten Präsidenten des Convents wurde Peter Paulus gewählt. Der Convent ernannte darauf aus seiner Mitte eine Commission von 21 Mitgliedern, die sich mit Abfassung der Constitution beschäftigen sollte. Der von derselben entworfene Constitutionsplan, welcher im Wesentlichen mit der gegenwärtigen Französischen Constitution übereinstimmte, wurde den 10. Nov. 1796 dem Convent vorgelegt, wo er die heftigsten Debatten veranlaßte. Ungeachtet aber Viele ihn gänzlich verworfen wissen wollten; so wurde endlich doch beschlossen, daß er untersucht werden sollte, welches bis in den Sommer 1797 hinein dauerte. Der erste und wichtigste Punkt, über den die drei Parteien des National-Convents, die Föderalisten, die Revolutionairs und die Gemäßigten, nicht gleichstimmig waren, betraf die Einheit der Republik, welche doch allein den sonst unvermeidlichen Untergang ihres Staats abwenden kann. Sie wurde jedoch am 2. Dec. als Grundlage der neuen Constitution durch eine Mehrheit von 75 gegen 23 Stimmen decretirt, und darauf am 5. eine Commision ernannt, [257] die über die Mittel berathschlagen sollte, wie die Schulden der einzelnen Provinzen, die sehr verschieden sind, zu gemeinschaftlichen Schulden gemacht werden könnten. Nun wurde das Batavische Volk in Urversammlungen zusammenberufen, um die neue Constitution anzunehmen oder zu verwerfen; und sie wurde verworfen, worüber man sich in einem Lande nicht wundern darf, in welchem jeder gewohnt war, sich als getrennt vom Ganzen und mit einem isolirten Interesse zu betrachten, wo folglich der Föderalismus die meisten Anhänger finden mußte. – Zu Anfange des Septembers 1797 kam nun eine zweite National-Versammlung zusammen; und es erhielt aufs neue ein Ausschuß von 21 Mitgliedern den Auftrag, einen Constitutions-Entwurf zu verfertigen. In diesem Convent stritten die Anhänger der Einheit und die Föderalisten hitzig mit einander; die erstern waren jedoch nicht nur der Zahl nach die stärksten, sondern sie behielten auch vollends durch die merwürdige und ruhige Revolution vom 22. Januar 1798 (ein Seitenstück der Revolution vom. 4. Sept. 1797 zu Paris), durch welche der Convent von Föderalisten gereinigt wurde, die Oberhand. Den 25. Jan. wurden mehrere Beschlüsse gefaßt, welche dem Geiste dieser Revolution entsprachen. Eine neu dazu ernannte Commission hat endlich auch am 6. März der National-Versammlung den neuen Constitutions-Entwurf vorgelegt, welcher in seinen Hauptpunkten auf das so eben erwähnte Decret vom 25. Jan. gebaut und nach sehr kurzen Deliberationen d. 17. März von der erwähnten Versammlung angenommen worden ist. Den 23. April sollen die Urversammlungen zusammenkommen, um über dieselbe zu entscheiden.

B) Die noch jüngst so genannten Oestreichischen Niederlande, welche den Burgundischen Kreis des Deutschen Reichs ausmachten (der jedoch ehedem weit größer war), gegenwärtig aber durch den Frieden zu Campo Formio ganz an Frankreich abgetreten worden sind, bestehen 1) aus einem Antheile an dem Herzogthum Brabant, 2) der Markgrafschaft Autwerpen, 3) der Grafschaft Mecheln und Herrschaft [258] Doornik, 4) einem Antheile an der Grafschaft Flandern, 5) einem Antheile an der Grafschaft Hennegan, 6) einem Antheile an der Grafschaft Namur, 7) einem Antheile an dem Herzogthum Luxemburg, 8) einem Antheile an dem Herzogthum Limburg, 9) einem Antheile an dem Herzogthum Gelderu. Die übrigen Antheile an den genannten Provinzen gehören theils zu Holland (welches jedoch davon an Frankreich abgetreten hat, s. S. 256) theils zu den Französischen Niederlanden (s. S. 153), und ein Stück von Geldern gehört auch dem König von Preußen. Der ganze Flächeninhalt Belgiens, ein Name, den die Oestreichischen Niederlande schon früher führten, der ihnen aber gegenwärtig ausschließend gegeben wird (welches an der Niederscheide und Niedermaas, doch nicht überall, zusammenhängend liegt, durch das Hochstift Lüttich in zwei Theile getheilt und vom Westphälischen Kreise, von Frankreich, der Nordsee und den vereinigten Niederlanden eingeschlossen wird), wird auf 469 geographische Quadratmeilen, und die Bevölkerung derselben auf 2 Millionen Menschen gerechnet; eine sehr starke Bevölkerung, die sich in wenig Europäischen Staaten findet. Es brachte nach der gewöhnlichen Schätzung dem Hause Oestreich jährlich etwa sechs Millionen Gulden ein. Zwei Jahrhunderte hindurch war es der Schauplatz verheerender Kriege, welche Spanien, England, Holland und Deutschland führten; im 17. Jahrhundert brachte Frankreich einen großen Theil davon an sich (s. S. 253); indeß zog es doch auch durch diese auf seinem Boden geführten Kriege große Geldsummen an sich. Und wiewohl es, wie bereits S. 253 bemerkt worden, in seiner Handlung sehr eingeschränkt war, so hob es sich doch sehr durch Ackerbau, Viehzucht und Manufacturen. Im südlichen ist Belgien etwas gebirgig, doch größten Theils flach und eben, und hat im Ganzen genommen, vorzüglich in Flandern, einen vortrefflichen und äußerst schön angebauten Boden. Ackerbau und Viehzucht werden mit ungemeinem Fleiße daselbst getrieben; Limburg vereinigt beide Zweige der Industrie in einem seltnen Grade. Uebrigens hat Belgien auch nicht unwichtige mineralische Producte, und die Fischerei au den Küsten ist ebenfalls beträchtlich. Die Manufacturen sind in Belgien überaus zahlreich, [259] und dieß in überaus vielen Gattungen; am berühmtesten indeß sind die Leinewand-Battist- und Spitzen-Manufacturen, schon seit vielen Jahrhunderten die vollkommensten in Europa, deren Hauptsitz vorzüglich Flandern ist, dann die berühmten Tuchmannfacturen, welche ihren Hauptsitz in Limburg haben. Ueberhaupt sind die Einwohner fleißig, thätig und erfindsam; und die Fortschritte, die sie in der Mahlerei gemacht, verdienen ebenfalls bemerkt zu werden. – Uebrigens ist es bekannt, daß Kaiser Joseph II. dadurch, daß er in den Niederlanden eigenmächtig mehrere neuere Einrichtungen sowohl in weltlichen als in geistlichen Dingen – und in dem letzten Punkte sind die eifrig katholischen Niederländer vorzüglich empfindlich – traf (wiewohl er sich auf der andern Seite durch seine Bemühungen zur Wiedereröffnung der Schelde, s. Antwerpen und die Schelde, und andre Anstalten unbezweifelte Verdienste um den Flor derselben erworben hatte), verursachte, daß in Belgien heftiges Mißvergnügen und i. J. 1789 ein förmlicher Abfall entstand, indem zuerst Brabant und darauf die übrigen Provinzen (Luxemburg ausgenommen) die Oestreichischen Truppen vertrieben und sich für unabhängig erklärten. Josephs Nachfolger, Leopold, kam ihnen in den freundschaftlichsten Ausdrücken mit dem Anerbieten zuvor, alles auf den alten Fuß zu setzen; sie wiesen es aber ab, bis er endlich 1791 beides, Güte und Waffen, vereinigte, worauf es ihm sie zu beruhigen gelang. In dem neuesten Kriege machten sich die Franzosen schon nach der Schlacht von Gemappe Meister von Belgien, verloren es aber wieder, bis sie sich durch die Schlacht von Fleurus von neuen in den Besitz desselben setzten. Am 1. Oct. 1795 beschloß der National-Convent die Vereinigung Belgiens, des Bisthums Lüttich, der Abteien Stablo und Malmedy, der Grafschaft Logue, so wie der im Haager Frieden vom 16. Mai von den vereinten Niederlanden abgetretenen Städte und Bezirke mit der Französischen Republik, und deren Eintheilung in folgende


DepartementeHauptorte

1. der Dyl Brüssel

2. der Schelde Gent

3. der Lys Brügge

[260] 4. von Gemappe Mons

5. der Wälder Luxemburg

6. der Sambre und Maas Namur

7. der Ourthe Lüttich

8. der Nieder-Maas Mastricht

9. der beiden Netten Antwerpen.


Durch den 3. Artikel des Friedens zu Campo Formio hat die Französische Republik diese Länder auf immer mit aller Souverainität und Eigenthumsrecht und mit allen davon abhängigen Territorialgütern erhalten. Man beschuldigt dabei die Fränkische Regierung, daß sie unter dem Vorwande der Emigration mehrere Belgier von den Vortheilen ausschließen wolle, die ihnen durch den genannten Frieden, und namentlich durch dessen 9. und 16. Artikel, zugestanden zu sein schienen. – Uebrigens haben sich die Niederländer, mit deren Ideen das Betragen der Franzosen nicht wenig contrastirte, in diesem Kriege mehr leidend als thätig verhalten.


Fußnoten

1 Wer erinnert sich hier nicht an Schillers meisterhafte Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande, welcher nichts als die Vollendung fehlt?


2 In der Sitzung vom 22. Jan. 1798 wurde beschlossen, daß die Holländer künftig keinen andern Namen als den des Batapischen Volks führen sollten.


3 Dünen heißen Sandbänke, Sandhügel, längs dem Strande, welche das Meer selbst aufgeworfen oder die Kunst bereitet hat, das Austreten des Meeres zu verhindern.


4 Frankreich versprach ihr dagegen, im allgemeinen Frieden einen gleichen Umfang von Gebiet abzutreten und sie in alle seine Friedensschlüsse mit den coalirten Mächten einzuschließen.


5 In Seeland und Friesland sträubte sich der Aristokratismus am meisten gegen den das Uebergewicht gewinnenden Demokratismus.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 251-261.
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