[57] Die Tarantel, diese bekannte und durch ehemahlige Fabelei so berüchtigt gewordene Spinne, welche vorzüglich in Italien, und zwar am häufigsten um Taranto – daher auch ihr Name – außerdem aber auch in andern Ländern des südlichen Europa etc. getroffen wird, ist etwas größer und stärker als die gewöhnliche Kreuz-Spinne – eine vollkommene Tarantel ist einen Zoll lang, hat acht Füße, und ihr Leib besteht aus zwei Theilen, die nur durch einen dünnen Kanal zusammenhängen – sie hält sich in Höhlen in der Erde, oder auch in Mauerritzen und alten Gebäuden auf, wo sie denn ein Gewebe um sich herum zieht, um mehrere Insecten für ihre Nahrung zu fangen. Viel hat man sonst von dem Bisse dieses Insects gefabelt, besonders auch, daß der von der Tarantel Gebißne (tarentolato) in eine Raserei verfalle, welche nur dann nachlasse, wenn man ihm recht lange eine gewisse Musik vorspiele, und ihn nach derselben tanzen [57] lasse. Diese Melodie, welche besonders der Provinz Apulien eigen ist, heißt Tarantella, und die auf jene Art Verwundeten sollen nach dieser Melodie so lange tanzen, bis sie in den heftigsten Schweiß gerathen, ja oft in einer gewissen Wuth Stunden lang forttanzen, bis sie vor Ermattung niederfallen. Die ganze Sache hält man h. z. T. – und wohl mit Recht – für Erdichtung; vielleicht war es auch oft Betrügerei von Gauklern u. dgl. Wohl mag der Biß dieses Insects heftiger wirken, als von andern: möglich auch, daß, wenn, besonders in heißen Ländern, Entzündungen hinzukommen, der Stich tödtlich werden kann; allein dieser Fall tritt auch bei dem Biß andrer ganz unschädlicher Insecten ein, und in den meisten Italiänischen Städten hat man nicht größere Furcht vor diesem, eigentlich nur ein heftiges Jucken verursachenden Stich, als vielleicht bei uns vor dem Mückenstich, der eben so gut durch Entzündung und bei reitzbaren Personen bedeutend, wohl gar gefährlich werden kann.