[54] Franz der erste, König von Frankreich, geb. 1494, gestorb. 1547. Dieser Fürst, welcher nicht nur in der Geschichte von Frankreich Epoche macht, sondern auch auf die damahligen Angelegenheiten von ganz Europa den wichtigsten Einfluß hatte, war von Natur mit den liebenswürdigsten Eigenschaften begabt; er war feurig, offen, kühn und großmüthig: allein er verband damit nicht nur einen überaus großen Hang zu Ausschweifungen, sondern auch einen Mangel an Besonnenheit und Klugheit, der in der Person eines Königs nie ohne die wichtigsten Folgen bleibt. Er folgte seinem Vetter und Schwiegervater Ludwig XII. in einem Alter von ein und zwanzig Jahren in der Regierung. Ludwig hatte kurz vor seinem Tode die junge und schöne Englische Prinzessin Maria geheirathet; eine Verbindung, von welcher wegen Ungleichheit des Alters nicht leicht ein Prinz zu hoffen war: dennoch fand Franz die junge Königin so liebenswürdig, daß es wenig gefehlt hätte, und er hätte sich selbst des Rechts beraubt, Ludwig XII. zu folgen, hätte ihn nicht ein Freund ernstlich darauf aufmerksam gemacht. Mit ihm zugleich lebte ein Fürst, auf den Europa seine Augen heftete, mächtig, voll Unternehmungsgeist, glücklich und schlau, Carl der fünfte; mit diesem buhlte Franz um die Kaiserkrone, mit diesem buhlte er nachher sein ganzes Leben hindurch um Ehre und Macht. Der Artikel Carl der fünfte liefert die Geschichte der Kriege beider Fürsten, wozu ich hier nur noch das Bündniß hinzu setzen will, das Franz unter allen christlichen Fürsten wider Carln mit den Türken schloß; ein Bündniß, wodurch er der ganzen Christenheit ein großes Aergerniß gab, ohne jedoch wahren Nutzen daraus zu ziehen. Wenn man bedenkt, wie sehr ihm Carl [54] an Macht, an Klugheit und Glück überlegen war; so muß man Franzen bewundern, daß er dem Kaiser so die Spitze bieten können: und gewiß ist es Europa, wenigstens Deutschland, seiner Tapferkeit schuldig, wenn seine Freiheit durch Carln nicht gänzlich unterdrückt worden; gewiß verdanken es ihm zugleich die Protestanten (mit denen er sogar Unterhandlungen anfing, die aber durch seine Grausamkeit gegen die Ketzer in seinem Reiche unterbrochen wurden), daß ihre Religion sich gegen Carls Unternehmungen behaupten können. Ein Hauptfehler Franzens war, daß er seiner Mutter zu viel Einfluß gestattete. Diese war auch die Ursache, daß ihn sein größter Feldherr, der Connetable Carl von Bourbon, verließ und zum Kaiser überging. Der Friede von Crespy 1544 machte seinen Feindseligkeiten mit Carln ein Ende. Er starb drittehalb Jahre darauf an den Folgen einer ekelhaften Krankheit, die er, wie man erzählt, von einer seiner Geliebten bekommen haben soll, deren Mann aus Rache dieses Gift an einem verdächtigen Orte gesucht habe, um beide damit anzustecken. Uebrigens hat Franz in Frankreich mehrere Aenderungen vorgenommen, unter welche auch diese gehört, daß er die Frauenzimmer an den Hof brachte; »ein Hof ohne Frau« sagte er »ist ein Jahr ohne Frühling, ein Frühling ohne Rosen.«