[129] Gregor der siebente. Dieser unter dem Namen Hildebrand oder wohl gar Höllenbrand bekannte Papst gehört zu der nicht kleinen Anzahl von Männern aus der Geschichte, an welchen die Nachwelt ihren Scharfsinn versucht hat, und doch immer ungewiß geblieben ist, ob sie dieselben in die Classe der berühmten oder der berüchtigten Männer setzen soll. Das Jahr seiner Geburt ist nicht bekannt; und die Nachrichten über sein eigentliches Herkommen und über die Bildung, welche er in seiner frühern Jugend erhielt, sind mangelhaft. Man weiß bloß, daß er als Mönch frühzeitig einige Reisen nach Frankreich und Deutschland machte, da verschiedene wichtige Erfahrungen einsammelte, und bei seiner Rückkunft nach Rom bei der päpstlichen Regierung viel Einfluß hatte. In den dunkeln Zeiten des in dicke Finsterniß gehüllten eilften Jahrhunderts konnte er um so eher eine bedeutende Rolle spielen, je mehr ihn natürlicher Scharfsinn, ein sicherer und fester Blick und practische Menschenbeobachtungen unterstützten. Er wußte sich wichtig zu machen, verschaffte sich Einfluß auf die Wahl der Päpste, und brachte es endlich so weit, daß er im Jahre 1073 selbst den päpstlichen Stuhl bestieg. Vielleicht wäre ihm dieses schon früher geglückt; allein der schlaue Gregor merkte wahrscheinlich, daß der eigentliche Zeitpunkt seiner Größe noch nicht gekommen war, und wollte deßwegen nicht eher auftreten, als bis er sein wohl überlegtes System in allen Theilen ausführen konnte. Die Hauptabsicht ging auf unumschränkte Vergrößerung des päpstlichen Stuhls (der von der Macht einiger weltlichen Fürsten bis jetzt immer noch etwas zu fürchten gehabt hatte), auf Verbesserung der Kirchenzucht und auf Abhängigkeit der Geistlichen von der Gewalt [129] des Papstes. Gregor erschreckte die Könige und Fürsten mit seinem Bannstrahl, und bewies an dem Deutschen Kaiser, Heinrich IV. daß er Wort zu halten verstand. Die leichtsinnigen Vergehungen dieses Fürsten rechtfertigten einiger Maßen das Betragen des Papstes, und verschafften ihm den Ruf eines eifrigen Vertheidigers der Wahrheit. Weniger angenehm war wohl den Geistlichen sein allgemeines Verbot der Priesterehe, und es kam deßhalb an mehrern Orten zu offenbaren Thätlichkeiten. Gregor konnte es auch nicht überall durchsetzen, hatte aber doch wenigstens so viel ausgerichtet, daß man die Ehelosigkeit der Geistlichen für etwas sehr verdienstliches ansah. Am besten glückte es ihm mit der päpstlichen unumschränkten Gewalt, die er so fest begründete, daß seine Nachfolger wenig Mühe brauchten, um sich bei der ganzen Christenheit in dem gefürchtetsten Ansehen zu erhalten. Aber Kaiser Heinrich ließ den Papst in seinem Alter doch noch die Macht des weltlichen Arms fühlen. Er zog nehmlich im Jahre 1084 mit einem zahlreichen Heere nach Rom, und belagerte ihn in der Engelsburg. Gregor würde unstreitig lebendig in die Hände seines Feindes gefallen sein, wenn ihn nicht Robert, der König der Normänner, mit Truppen zu Hülfe geeilt wäre, und den Deutschen Kaiser zum Rückzug genöthigt hätte; dessen ungeachtet mußte er Rom verlassen und flüchtig werden. Er starb 1085 zu Salerno, und wurde vom Papst Gregor XIII. im Jahre 1584 unter die Heiligen versetzt. Die so genannten Gregoriusfeste, welche von der Schuljugend an manchen Orten leider noch gefeiert werden, sind jedoch nicht zu seinem Andenken gestiftet, sondern sollen an die Verdienste Gregor des ersten erinnern, welcher den päpstlichen Stuhl im Jahre 590 bestieg.
Brockhaus-1809: Gregorius der Siebente