Jean Baptiste Roland

[310] Jean Baptiste Roland, wurde zu Villefranche unweit Lyon geboren, und verließ im 19. Jahre das väterliche Haus, um sich dem geistlichen Stande zu entziehen, wozu ihn seine Aeltern bestimmt hatten. Er ging nach Nantes in der Absicht, die Handlung daselbst zu erlernen, und nachher nach Indien zu gehen. Seine schwächliche Gesundheit hinderte ihn jedoch an der Ausführung dieses Entschlusses; er begab sich nach Rouen, wurde bei den dasigen Manufacturen angestellt, machte nachher verschiedne Reisen nach Italien, England und der Schweiz, und kam zuletzt als Aufseher der Handlung und Manufakturen nach Lyon. Diese Stadt wählte ihn in der Folge zu ihrem Deputirten bei der constituirenden National-Versammlung; und diesem Umstande verdankte er die wichtige, wiewohl für ihn endlich unglückliche Rolle, die er bei der Revolution spielte. Da Ludwig XVI. im Frühjahr 1792 das Ministerium mit Männern besetzte, welche bei dem Volke beliebt waren, so erhielt Roland die Stelle des Ministers der innern Angelegenheiten. Er erschien in einer ganz einfachen Kleidung, ohne allen Prunk am Hofe. »Es ist alles verloren, sagte dabei der königliche Cerimonienmeister; der neue Minister trägt Schuhe ohne Schnallen.« Dümouriez, dem er diese schreckende Neuigkeit mittheilte, gab ihm lächelnd Recht. – Roland besorgte die Geschäfte seines Departements mit vieler Pünktlichkeit und Treue, gab sich aber dabei wenig Mühe, seine persönliche Abneigung gegen den König zu verbergen. Er schrieb ihm einst einen Brief voll von Wahrheiten und Bitterkeiten, und war eitel genug, diesen Brief in Gegenwart des Königs und der übrigen Minister vorzulesen. Dieser Zug wirft ein nachtheiliges Licht auf Rolands Charakter, und beweist seinen kleinlichen Ehrgeitz. Auf keinen Fall konnte durch die Ablesung dieses Briefs etwas Gutes bewirkt werden, und bei seinen Collegen brauchte Roland seine Grundsätze nicht erst zu [310] rechtfertigen. Der König, welcher der Neckereien seines Ministeriums müde war, entfernte Roland mit zwei seiner Collegen am 13. Juni; allein nach der Entthronung des Königs wurde er abermahls als Minister angestellt. Er machte bald nachher wichtige Papiere bekannt, die er in einem eisernen Wandschranke der Tuilerien aufgefunden haben wollte, und zog dadurch den Haß vieler Familien auf sich, die durch die Bekanntmachung dieser Papiere verdächtig wurden. Die Beförderer der Anarchie vergrößerten die Anzahl seiner Feinde, weil sie es ihm nicht vergeben konnten, daß er Ruhe und Ordnung in Paris wieder herzustellen versuchte, und den unruhigen Pöbel der Herrschaft der Gesetze unterwerfen wollte. Am Tage nach der Hinrichtung des Königs (22. Jan. 1793) legte er seine Stelle freiwillig nieder, gleichsam als hätte er durch den Tod Ludwigs XVI. das Ziel aller seiner Bemühungen erreicht. Nachher wurde er zugleich mit den Girondisten geächtet (m. vergl. dies. Art.). Zwar rettete er sich durch die Flucht nach Bretagne; man fand aber bald seinen Körper auf einer Landstraße, wo er sich wahrscheinlich selbst entleibt hatte. Dieß war das Ende eines Mannes, der bei allen seinen Kenntnissen nicht das beste Herz hatte, und, ungeachtet er aus dem reinsten Patriotismus zu handeln vorgab, und auch überall die strengen Grundsätze einer beinahe stoischen Sittenlehre verbreitete, doch den Eingedungen der Eitelkeit und Rachsucht folgte, und sich ganz besonders geschmeichelt fand, für einen Cato der neuern Zeit gehalten zu werden.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 310-311.
Lizenz:
Faksimiles:
310 | 311
Kategorien: