[38] Lamoignon de Malesherbes. Unter den bejammernswürdigen Opfern der Tyrannei des Robespierre verdient vorzüglich dieser Mann ein ehrenvolles Andenken; denn so unschuldig auch die meisten litten, so konnten sich doch nur wenige einer so ausgezeichneten Rechtschaffenheit rühmen, wie er. Unaufhörlich mit dem Wohle seiner Mitbürger beschäftigt, verachtete er den äußerlichen Glanz und die Herrlichkeiten des Hoflebens, da er sah, daß er dem Vaterlande nicht mehr nützen konnte, und kehrte in seine ländliche Einsamkeit zurück, um wenigstens das Wohl seiner Gemeinden zu befördern, da die Ränke der Hofleute ihn verhindert hatten, für das Beste des ganzen Staats zu arbeiten. Er war i. J. 1721 geboren und schon im Jahre 1744 Parlamentsrath geworden. Diese Stelle, welche er 25 Jahre mit der größten Gewissenhaftigkeit und Treue verwaltete, gab ihm Gelegenheit, die Ungerechtigkeiten der großen und kleinen Herren in ihrer ganzen Schändlichkeit kennen zu lernen; er züchtigte die letztern ohne den Haß und die Verfolgung der erstern zu fürchten, und blieb diesen Grundsätzen auch dann noch getreu, da ihn der König im Jahre 1775 zum Minister berief. Hier war es, wo er sich ganz freimüthig wider die geheimen Verhaftsbefehle (lettres de cachet), womit am Französischen Hofe ein ärgerlicher Mißbrauch getrieben wurde, erklärte und auf ihrer Abschaffung bestand. Da er jedoch dieses nicht durchsetzen konnte, so suchte er sie wenigstens so unschädlich als möglich zu machen, indem er sie einem Tribunal von anerkannt rechtschaffenen Männern zur Prüfung unterwarf. Doch diese löbliche Einrichtung war nur von kurzer Dauer. Eine Cabale entfernte Türgot, seinen vertrautesten Freund, aus dem Ministerio: und nun glaubte auch er [38] nicht länger nützlich sein zu können; er nahm daher an demselben Tage, am 12. Mai 1776, seinen Abschied als Minister. Seine weisen Rathschläge wurden vergessen, und die schon getroffenen Einrichtungen geriethen in Verfall. Malesherbes wendete die Zeit seiner Muße auf einige Reisen nach Holland, der Schweiz und in das Innere von Frankreich, und war überall darauf bedacht, nützliche Erfahrungen für Landwirthschaft und Manufacturen zu sammeln. Er machte dann auf seinen Gütern allerlei neue ökonomische Versuche, und schuf dadurch diese Besitzungen zu den anmuthigsten Lustgefilden um, woran man die schöne Natur bewunderte, ohne dabei die Kunst zu verkennen. Immer gingen seine Verbesserungen nur auf allgemein nützliche Anlagen; und deßwegen blieben seine eignen Gebäude ohne alle Verschönerungen. Den Tag theilte Malesherbes zwischen ländliche Beschäftigungen und gelehrte Arbeiten. Von den letztern zeigte vorzüglich eine Schrift, die er im Jahre 1788 über die Lage Frankreichs bekannt machte, da ihn der König abermahls zu sich berief, um sich seines Rathes bei der bedenklichen Lage des Staats zu bedienen: aber leider drang seine Stimme auch dießmal nicht durch; nichtswürdige Höflinge verblendeten das Herz des Königs, und verbargen sogar vor ihm die Schrift, welche Malesherbes zu seiner Belehrung aufgesetzt hatte. Malesherbes entfernte sich zum zweiten Mahle vom Hofe, und trauerte im Stillen über die wilden Stürme der Revolution. Das schreckliche Schicksal, welches zu Ende des Jahres 1792 über den König verhängt wurde, bewog ihn jedoch, den gefährlichen Schauplatz der öffentlichen Angelegenheiten nochmahls zu betreten, und sich zum gerichtlichen Vertheidiger dieses unglücklichen Monarchen aufzuwerfen. Er schrieb in dieser Rücksicht einen Brief an den Convent, und dieser benachrichtigte den König von dem Entschlusse des Malesherbes. Wie gerührt mußte dieser Monarch über das Anerbieten eines Mannes sein, den er zweimahl aus seinem Dienste entlassen und dessen Rathschläge er nie befolgt hatte! – Als Malesherbes sich ihm im Kerker näherte, konnte Ludwig die Thränen der Reue nicht unterdrücken, und warf sich seinem ehemahligen Minister schluchzend in die Arme. Dieser würdige[39] Greis suchte ihn aufzurichten, und gab sich in der Folge in Verbindung mit den beiden übrigen Vertheidigern alle Mühe, sein Leben zu retten. Dieß war aber vergebens; und diese drei edeln Männer konnten sich nur mit dem Bewußtsein ihres besten Willens trösten. Von dem tiefsten Schmerze gebeugt kehrte Malesherbes auf seine Güter zurück, wo er vor der Wuth der herrschenden Partei gesichert zu sein glaubte. Aber auch das Glück der stillen Einsamkeit mißgönnten ihm die Tyrannen; gegen das Ende des Jahres 1793 bemächtigte man sich seiner Tochter und seines Schwiegersohnes, und am folgenden Tage seiner selbst und der übrigen Familie Nichts konnte dieses schändliche Verfahren rechtfertigen als der schreckliche Wille der Machthaber. Malesherbes und seine Familie sollten nun einmahl sterben, entweder weil man sich ihrer Güter bemächtigen wollte oder die Nähe eines rechtschaffnen Mannes nicht ertragen konnte. Am 22. April 1794 wurde er zu der Guillotine geführt, und starb mit der Ruhe und Seelengröße eines Weisen.