Plato

[453] Plato. Dieser berühmte Griechische Philosoph, welcher ungefähr etwas über 400 Jahre vor Chr. Geb. lebte, war der Sohn des Ariston und der Periktione. Mehrere poetische Versuche, die er in seiner Jugend verfertigte, verkündigten eben so sehr seine Neigung, als ein nicht gemeines, wenn auch kein sonveraines, Talent zur Dichtkunst. In seinem zwanzigsten Jahre besuchte er die Schule des Sokrates, blieb acht Jahre dessen Begleiter, und ward sein berühmtester Schüler. Nach Sokrates Tode hörte er bei dem Kratylus die Philosophie des Heraklitus, und bei dem Hermogenes die Philosophie [453] des Parmenides. Hierauf ging er auf Reisen, erstlich nach Großgriechenland (wo er sich mit der Philosophie des Pythagoras bekannter machte), von da nach Cyrene (um unter dem Theodorus die Mathematik zu studiren, welche Wissenschaft er sehr hoch hielt), endlich nach Egypten, wohin ihn Euripides begleitet haben soll. Zu drei verschiedenen Mahlen hielt er sich an dem Hofe zu Syrakus auf, einmahl bei dem ältern, die beiden andern Mahle bei dem jüngern Dionysius. Ein Philosoph an einem Hofe, und vollends ein Plato zu Syrakus, ist gewiß eine zu merkwürdige Situation, als daß sie nicht unter den Händen eines weltkundigen und phantasiereichen Dichters zu einem äußerst interessanten Gemählde werden könnte. Dieses Gemählde hat uns Wieland im Agathon geliefert; und wer kann wohl zweifeln, daß dieser große Mann, vermittelst seines Scharfblicks in die menschliche Natur überhaupt, und seiner Kenntniß der Griechischen Geschichte und der wichtigsten Charaktere derselben insbesondere, mehrentheils tiefere Blicke in den wahren Charakter Platoʼs gethan habe, als zehn seiner so genannten gelehrten Biographen?

Endlich kehrte er nach Athen zurück, und fing an, in der Akademie – einem Gymnasio, das vor den Thoren von Athen lag und mit schattigen Spazirgängen bepflanzt war – öfentlich zu lehren. An diesem Orte (der Akademie), wo er den größten Theil seines Lebens philosophirte, erhielt Plato in der Folge ein Gärtchen eigenthümlich, und wurde auch daselbst begraben. Er starb im 1. Jahre der 107. Olympiade, und war geboren im 4. Jahre der 88sten.

Was die Philosophie des Plato anlangt, so ist es allerdings nicht leicht, dieselbe aus seinen Schriften in einem Systeme zu fassen. Plato selbst schrieb dieselbe nicht etwa in einer systematischen Form nieder; er bediente sich zur Darstellung seiner Lehrsätze der Form kleiner philosophischer Schauspiele, worin er verschiedenen Personen verschiedene Charaktere und Meinungen zutheilt, und dieselben diesen Charakteren und Meinungen gemäß zusammen philosophiren läßt. Er ist in dieser Gattung von Composition, die er Dialogen nennt, Meister; und gesetzt, der Inhalt jener[454] Dialogen wäre in den neuern Zeiten längst besser entwickelt und gesagt worden, so würden doch die Platonischen Dialogen ihrer musterhaften Form wegen stets im Werthe bleiben. Engel empfiehlt dieselben vorzüglich der Jugend zur Verstandesübung, und Gedicke hat einige davon vortrefflich ins Deutsche übersetzt.

Wie fern sich nun überhaupt die Platonische Philosophie aus diesen Dialogen in ein System bringen läßt, in so fern hat dieses unlängst Herr Tennemann mit vielem Scharfsinn unternommen. Nach Herrn Eberhards Urtheil ist Plato überhaupt systematischer als es scheint; »Plato (sagt er) hat nicht allein den Umfang der Philosophie erweitert, sondern sie auch der systematischen Gestalt näher gebracht.« Uebrigens ging er in seiner Philosophie nicht von der Erfahrung aus; er suchte vielmehr die Quellen reiner Vernunftkenntnisse, unabhängig von der Erfahrung in der Vernunft. Kant sagt daher in Vergleichung mit dem Aristoteles von ihm: »Aristoteles kann als das Haupt der Empiristen, Plato aber der Noologisten angesehen werden.«

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 453-455.
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