[36] Ragusa, ein kleiner Freistaat an der östlichen Seite des Adriatischen Meerbusens, dessen ganzes Gebiet auf einige wenige Städte und benachbarte unbedeutende Inseln sich einschränkt. Die Nähe der mächtigen Republik Venedig, und die Abhängigkeit, in der das kleine Ragusa im Mittelalter von jener stand, waren die Ursachen seiner aristokratischen Regierungsform, die von der Venetianischen nur wenig verschieden ist. Das Oberhaupt des Staats, Rector, wird alle Monathe verändert, und ist durch den Nath der Zehner (Configlio deʼ Dieci), der die Mitregentschaft ausübt, sehr eingeschränkt. Der Inbegriff des ganzen Adels bildet einen großen Rath, aus welchem jährlich sechzig Personen gewählt werden, die unter dem Namen des Rathes der Pregadi alle Aemter besetzen und die auswärtigen Angelegenheiten besorgen. Ein engerer Rath von dreißig Personen aus dem Adel verwaltet Finanzen, Handlung und Polizei; und fünf Provisoren bestätigen die Schlüsse der Regierung. Peinliche und bürgerliche Rechtssachen werden durch besondere Deputationen von sechs Senatoren,[36] und in höherer Instanz durch die Räthe entschieden; doch giebt es für für Criminalfälle als niedrigste Instanz noch einen besondern Bann- oder Blutrichter. Die Landessprache der Ragusaner, die zur Römisch-katholischen Religion sich bekennen, ist die Slavonische. Der Ursprung ihres Staats fällt in die Mitte des 6. Jahrhunderts. In dieser zerstörten die Slavinen oder Wenden das alte Epidaurus, das in der Gegend des heutigen Ragusa gelegen war. Die Einwohner dieser sonst so berühmt gewesenen Stadt erbauten nun eine andere, welche anfänglich Rausium, in der Folge aber Ragusa genannt wurde. Sie behaupteten dabei ihre Unabhängigkeit, und schon im 9. Jahrhundert standen sie in einem gewissen Ansehen. Indessen nöthigte sie doch die Kleinheit ihres Staats, sich an mächtigere anzulehnen; und so begaben sich die Ragusaner nach und nach unter den Schutz der Venetianer, der Ungarn und anderer Mächte, vornehmlich aber der Pforte, der sie auch einen jährlichen Tribut von 12,000 Zechinen entrichten. Ragusa wurde nie in große Kriege verwickelt, nie durch bedeutende Staatsveränderungen erschüttert; und nur gegen das Ende des vorigen Jahres zeigte sich der Geist der Unruhe unter dem Volke. Auf Bitten der Regierung erschien auch wirklich im Januar 1800 eine Proclamation des im Oesterreichischen Dalmatien commandirenden Generals Brody, in welcher den Ragusanern mit militairischer Strenge gedroht wurde. Die am Meere gelegene und sehr befestigte Hauptstadt Ragusa treibt einen starken Handel, und ist der Sitz eines katholischen Erzbischofs.
Brockhaus-1809: Ragusa
Brockhaus-1911: Ragusa [3] · Ragusa [2] · Ragusa
Herder-1854: Ragusa [2] · Ragusa [1]