Tereus

[94] Tereus, (Mythol.) ein Sohn des Mars und der Nymphe Bistonis, war König in Thacien, und lebte die erste Zeit mit seiner Gemahlin Procne, einer Tochter Pandions, sehr zufrieden. Als er aber in der Folge die Schwester seiner Gemahlin, Philomele, welche er abhohlen sollte, kennen lernte, wurde er von einer unerlaubten Liebe gegen diese so hingerissen, daß er sie schändete, und, um nicht verrathen zu werden, ihr dann die Zunge aus dem Halse schnitt, und sie einsperrte, gegen seine Gemahlin aber sie für todt ausgab. Allein die unglückliche Philomele fand Gelegenheit, ihr Unglück in ein Tuch zu sticken, und es der Procne zuzusenden, die dann, von dieser schändlichen Unthat aufs höchste empört, die fürchterlichste Rache aussann. Sie ermordete ihren eignen mit jenem Gemahl erzeugten Sohn, Itys, und setzte ihn dem [94] Tereus zum Essen vor; als nun dieser seinen Sohn verlangte, so entdeckte sie ihm, daß er ihn schon bei sich habe; ja, in dem Augenblicke trat Philomele herein, und warf ihm das Haupt seines Sohnes ins Gesicht. Im höchsten Entsetzen sprang Tereus mit gezogenem Schwert auf beide Schwestern los, um sie zu morden; allein in demselben Augenblicke wurde die Procne in eine Schwalbe, und Philomele in eine Nachtigall, Tereus aber in einen Wiedehopf verwandelt. So erzählt Ovid die Geschichte, die aber auch wieder von andern und wieder anders erzählt wird.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 94-95.
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