Christian Garve

[381] Christian Garve, einer der ehrwürdigsten, durch seine Schriften verdientesten Philosophen des [381] verflossenen Jahrhunderts, geboren zu Breslau den 7. Jan. 1742, verlor seinen Vater, Besitzer einer Färberei, frühzeitig; seine Erziehung war daher seiner Mutter, einer verehrungswerthen vortreflichen Frau, überlassen, die ihre Pflichten als Mutter und Erzieherin gewissenhaft und treulich erfüllte. Unser Garve war zum Theologen bestimmt; allein seine körperlichen Umstände nöthigten ihn, diesen Plan aufzugeben. Im 21. Jahre ging er nach Frankfurt a. d. O., um Baumgartens Philosophie zu studiren; da dieser aber bald starb, so ging er nach einem Jahre nach Halle, befleißigte sich hier der Mathematik, studirte dann noch eine geraume Zeit in Leipzig, wo Gellert, Weiße und andere seine innigsten Freunde wurden. Im 25. Jahre (1767) verließ er die Universität und kehrte mit Gelehrsamkeit, Kenntnissen, Sittlichkeit und Tugend geschmückt, zu seiner Mutter zurück, wo er von 1767 bis 1768 anhaltend fleißig arbeitete, so daß er sich, nach dem Geständniß seiner Mutter, die ersten hypochondrischen Zufälle zuzog. Nach Gellerts Tode wurde Garve außerordentlicher Professor der Philosophie zu Leipzig, las einige Jahre Collegia über reine Mathematik, Logik etc.; allein seine schwächlichen Gesundheitsumstände bewogen ihn, nach einigen Jahren das Amt eines akademischen Docenten niederzulegen: und so begab er sich 1772, ungern seine würdigen Leipziger Freunde, Weiße, Reitz, Zollikofer u. m., verlassend, wieder in seine Vaterstadt Breslau zurück. In den Jahren 1770 bis 80 ward Garve theils durch seine meisterhaften, mit eignen Anmerkungen bereicherten Uebersetzungen des Burke über das Erhabene und Schöne, der Moralphilosophie von Ferguson etc., theils durch seine eignen 1779 gesammelten Abhandlungen in der philosophischen Welt immer mehr bekannter und beliebter, bis er endlich durch Friedrich II. (der, durch Herrn von Paczensky auf Garve aufmerksam gemacht, diesen selbst zu sich kommen ließ, und mehrere interessante Unterhaltungen mit ihm hatte) zu einer Uebersetzung des Cicero von den Pflichten aufgefordert wurde, die er nun 1779 in Charlottenbrunn begann, [382] aber, durch Kränklichkeit abgehalten, sie eher nicht als 1783 erscheinen lassen konnte Eben durch dies Werk ward sein Ruhm allgemein und er selbst für taufende von Menschen, die dadurch belehrt und zum fruchtbaren Nachdenken über moralische Gegenstände gebracht wurden, höchst wohlthätig. Von der Wichtigkeit und Brauchbarkeit dieses Werks zeugen die schnell hinter einander (von 1783 bis 1792 viermal) erfolgten Ausgaben. – In den letzten Jahren seines Lebens drängten sich die alten Uebel, Hypochondrie, Nervenschwäche etc. um so stärker herzu, da er nun auch seine würdige Mutter (1792) und mehrere seiner geliebtesten Freunde, seinen Zollikofer (schon 1788) und seinen Paczensky (ebenfalls 1792) durch den Tod verloren hatte. Seine körperlichen Leiden nahmen zu, dennoch ertrug er sie mit der größten Standhaftigkeit; und die selbstständige Gottergebenheit behauptete er bis an seinen Tod, welcher den 1. Dec. 1798 ohne alle Schmerzen und empfindliche Leiden erfolgte. – Garve stellte in seinem ganzen Wesen das Bild eines sich selbst beherrschenden Weisen auf. Seine Sanftmuth, sein liebreiches, ohne alle Ansprüche, und ohne seinen in hohem Grade ihm zu Gebote stehenden Witz auf andrer Kosten ausbrechen zu lassen, gezeigtes Benehmen, machten ihn zum liebenswürdigsten Gesellschafter. Religiös in dem edelsten Sinne des Wortes, und standhaft in Ertragung seiner körperlichen Leiden, war er ganz als Mensch derselbe, der er als Schriftsteller war, und eben dadurch erwarb er sich die Liebe aller Menschen, welche ihm auch bis an sein Ende blieb.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 381-383.
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