Die Theomantie

[391] Die Theomantie (aus dem Griechischen) war diejenige Wahrsagung, wo ein Gott selbst den Menschen zukünftige Dinge eingab: sie unterschied sich von den Orakeln dadurch, daß dieses öffentliche an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten angebrachte Weißagungs-Anstalten waren; jene aber war Privatsache, die den Theomanten – so [391] hieß der, welchem der Gott etwas eingab – überall widerfahren konnte. Dergleichen Theomanten, deren es in den ältesten Zeiten sehr viele gab, geberdeten sich, wenn sie sich von der Gottheit begeistert wähnten, theils wie Wahnsinnige, die in schreckliche Verzuckungen verfielen, theils aber nahmen sie auch eine besondre Ruhe und Stille an, und gewöhnlich machten sie durch Waschen, Aufsetzen von Lorbeerkränzen, Räucherungen u. dergl. ihre Vorbereitungen zu dem Wahrsagen. Dieser Theomanten gab es besonders drei Klassen: 1) von Dämonen Besessene, welches vielleicht meistentheils Bauchredner (s. d. A. i. d. N.) waren; 2) von der Gottheit Begeisterte (Enthusiastä, Theopnevstä): dahin die Sibyllen, ein Orpheus, Amphion und meherre; 3) die Ekstatiker, welche in eine Entzükkung (Ekstase) verfielen, ohne Empfindung, wie Todte, da lagen und, sobald sie wieder zu sich kamen, außerordentliche Dinge erzählten, die sie in jenem Zustande wollten gesehen und gehört haben.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 391-392.
Lizenz:
Faksimiles:
391 | 392
Kategorien: