[312] Georg August Elliot, Lord Heatfield – einer der größten englischen Helden, unsterblich durch seine Vertheidigung von Gibraltar – zu Stobbs in Schottland 1718 geb., stammte aus einem sehr alten adlichen Geschlechte. Er zeigte frühzeitig viele Talente und ein feuriges lebhaftes Temperament. Nachdem er zwei Jahre zu Edinburgh Mathematik und die verwandten Wissenschaften getrieben hatte, besuchte er die Militairschule zu la Fere, in der ehemaligen Picardie, studirte hier die Kriegskunst, und nahm darauf 1735 bei dem Ingenieurcorps zu Woolwich Dienste; allein ungeachtet er in der Ingenieurkunst große Fortschritte gemacht hatte, verließ er doch 1737 dieses Corps und wurde Cornet bei der reitenden Grenadiergarde. Da er sich ganz zum großen Krieger bildete, und jeden unnützen Zeitvertreib floh, so stieg er schnell bis zum Obristlieutenant, ging als solcher mit Georg II. im Mai 1743 nach Deutschland, als dieser Marien Theresien gegen Frankreich zu Hülfe eilte, half schon im folgenden Monat in einem Treffen der Alliirten über die Franzosen den Sieg erfechten, und ermunterte, schon verwundet, sein Corps zur Tapferkeit, weshalb ihn auch sein König zum [312] Generaladjutanten ernannte. Er zeichnete sich noch mehreremale aus, ging nach Abschluß des Aachner Friedens in sein Vaterland zurück, lebte bis zum Ausbruch des sieben jährigen Krieges in der Stille, kam im April 1757 nach Deutschland zurück, und focht unter dem Herzog Wilhelm von Cumberland, Prinz Ferdinand und Erbprinz von Braunschweig. Während der Winterquartiere 1758 that er eine Reise nach England, und auf seine nachdrücklichen Vorstellungen, wegen nöthiger Anwerbung leichter Reiterei, erhielt er selbst zur Anwerbung eines solchen Regiments als Chef und Oberster desselben Auftrag. Er schlug seinen Werbeplatz bei einer Schneiderherberge in London auf, und ein – vielleicht von ihm selbst verbreitetes – Gerücht, daß er auch ehedem ein Schneider gewesen sei, die Zwistigkeit, welche gerade damals zwischen den Meistern und Gesellen dieses Handwerks herrschte, und sein allgemein bekannter vortreflicher Charakter, machte in kurzem sein Regiment, zum Theil aus dieser einzigen Herberge, vollzählich, so daß er 1759 mit demselben zur Armee nach Münster abgehen konnte. Während des Krieges ward er Generalmajor, und nach dem Frieden Generallieutenant, lebte aber nun wieder im Schooße seiner Familie, deren häusliche Glückseligkeit nach vier Jahren durch den Tod seiner Gattin – die ihm einen Sohn und eine Tochter hinterließ – so sehr erschüttert wurde, daß Elliot jetzt auf jede Ehrenstelle Verzicht leistete. Ganz unerwartet wurde er indeß 1775 zum Generalcommandanten aller Truppen in Irland ernannt; allein, ungeachtet er sich die Liebe der Soldaten und der Würger erwarb, resignirte er doch gewisser Verdrießlichkeiten wegen, erhielt aber dafür die eben erledigte Würde des ersten Gouverneurs von Gibraltar, die ihm die Bahn zur Unsterblichkeit öffnete.
Spanien, seit 1779 an dem Kriege zwischen England und Nordamerika Theil nehmend, richtete sein einziges Augenmerk auf Gibraltar, und noch vor der förmlichen Kriegserklärung wurde es von französischen und spanischen Truppen zu Wasser und zu Lande eingeschlossen und der Stadt und Festung alle[313] Zufuhr abgeschnitten. In einem Zeitraume von mehr als drei Jahren hatte man die fürchterlichsten Anstalten zur Belagerung getroffen. Allein, während die Belagerer sich sicher glaubten, ließ Elliot an einem November-Morgen (1781) um 3 Uhr ein ansehnliches Detaschement aus der Festung marschiren, und in einer halben Stunde waren zwei Batterien von 10 Mörsern, und drei Batterien, jede von 6 Kanonen, mit allem Zubehör verbrannt und alle Kanonen und Mörser vernagelt, indeß die feindlichen Truppen, während des Brandes, ruhige Zuschauer blieben. Doch dies war nur gleichsam ein Vorspiel der darauf folgenden Begebenheiten. Elliot hatte im Juni 1782 seinen ersten Ingenieur verloren, und in demselben Monat kam der oberste Befehlshaber der spanischen Armeen, Herzog von Crillon, der nur erst die Insel Minorca von den Engländern erobert hatte, mit einer Verstärkung vor Gibraltar an; eine Armee von 30,000 Mann stand nun an dem Fuße des Berges, und man zweifelte an der Rettung der Festung, ungeachtet Elliot den Belagerern immerfort keinen unbedeutenden Schaden that. Schwimmende Batterien – eine Erfindung des im Juni 1800 als französischer Divisionsgeneral und Fortisications-Inspector gestorbenen dʼArçon – sollten die Eroberung vollenden. Sie waren mit zwei Dächern so verwahrt, daß ihnen Kugeln und Bomben keinen Schaden zufügen konnten; es waren deren zehn, die zusammen 147 metallene und 150 eiserne Kanonen führten; zur Bedienung jeder Kanone waren 36 Mann gerechnet. Am 13. September 1782 Morgens um 8 Uhr näherten sie sich der Festung, wurden auf beiden Seiten der vornehmsten Batterie befestiget, und die auf denselben befindliche Mannschaft (aus Verbrechern verschiedener Art bestehend, denen man, wenn sie ihre Schuldigkeit thun würden, eine jährliche Pension von 200 Livres versprochen hatte) fing an zu feuern. Elliot, der schon längst von diesem fürchterlichen Angriff wußte, war darauf bedacht gewesen, ihm eine eben so fürchterliche Vertheidigung entgegen zu setzen; nur wußte er Anfangs kein Mittel, wie er die glühenden Kugeln, mit denen er die [314] Batterien zu begrüßen gedachte, in großer Anzahl zubereiten lassen sollte. Allein ein deutscher Nagelschmidt, Schwäkendiek, der sich in der Festung befand, half ihm aus der Verlegenheit, indem er einen Ofen erbaute, worin die Kugeln glühend gemacht wurden. Ueber 4000 glühende Kugeln regneten nun auf die feindlichen Batterien, und richteten die schrecklichste Verwüstung an. Schon am Nachmittage stieg der Rauch aus der Hauptbatterie und zwei schwimmenden Batterien auf, und vergebens suchten die Feinde den Brand mit Spritzen zu löschen und die Löcher zuzustopfen; um ein Uhr in der Nacht standen diese drei Batterien in völliger Flamme und einige andere fingen an zu brennen. Vergebens gab die Mannschaft auf denselben der spanischen Flotte durch Racketen Signale; diese konnte den befestigten Batterien nicht zu Hülfe kommen, und suchte blos die Mannschaft zu retten. Allein zwölf Kanonierböte, die aus der Festung unter dem Commando des Capitain Curtis ausliefen, verhinderten die Böte der Belagerer, herbei zu eilen, und machten zugleich ein gewaltiges Feuer auf die schwimmenden Batterien. Bei Tagesanbruch sahe man, welchen Schaden die Belagerten ihren Feinden zugefügt hatten, indem die Mannschaft der schwimmenden Batterien zum Theil auf Holzstücken in der See herumschwamm, zum Theil auf den brennenden Batterien fürchterlich um Hülfe schrie. Jetzt eilten aber die Belagerten selbst, so gefahrvoll dies auch war, da die Kugeln der glühend gewordenen Kanonen und die Stücken Holz von den zerberstenden Batterien ihnen entgegen flogen, der unglücklichen Mannschaft zu Hülfe, und Curtis rettete mit eigner und seiner Leute Lebensgefahr 13 Officiere und 344 Gemeine. Noch blieb den Belagerern ein Hauptangriff von der Landseite übrig; allein auch diesen vereitelte Elliot, und da überdies ein Orkan großen Schaden an der spanischen Flotte anrichtete, so verwandelte sich seit der Mitte des Novembers 1782 die Belagerung in eine bloße Einschließung, welcher auch der am 20. Januar 1783 zu Versailles unterzeichnete Friede ein Ende machte.
[315] Der König von England, um Elliotʼs beispiellose Gegenwehr bei dieser Belagerung und die edle Behandlung seiner Feinde zu belohnen, überschickte ihm den Bathorden, der ihm von dem Ueberbringer an demselben Orte umgehangen wurde, auf welchem er sich dem feindlichen Feuer ausgesetzt und die Vertheidigungsanstalten angeordnet hatte. Die drei Bataillons, die zur Zeit dieses Vorfalls in Gibraltar standen, erhielten eine Regimentsfahne mit der Devise: Mit Elliot Ruhm und Sieg. Elliot selbst ließ, mit Bewilligung des Königs, eine silberne Medaille schlagen, von der er jedem bei dieser muthvollen Vertheidigung gewesenen Soldaten eine einhändigen ließ. Für ihn selbst war es wohl die größte Belohnung, daß der spanische Obergeneral, Herzog von Crillon, ihm für seine menschenfreundliche Behandlung der gefangenen Spanier in einem Briefe dankte.
Gleich nach Abschluß des Friedens ging Elliot nach England zurück, und wurde zum Lord Heatfield und zum Mitglied des Parlaments ernannt. Eine Schwäche, die ihn im Alter befiel, nöthigte ihn, 1790 ins Bad nach Aachen zu reisen; allein kaum war er drei Wochen hier, als ihn auf seinem Lieblingsaufenthalt Kalkofen bei Aachen ein Schlagfluß traf, an welchem er am 6. Juli starb. Sein Leichnam wurde nach England gebracht, und der König machte selbst den Riß zu einem Monumente, das ihm in Gibraltar errichtet wurde. Es wäre wohl überflüssig, weiter etwas zu Elliotʼs Ruhme hinzuzusetzen. Wenn man seine Tapferkeit, seine Großmuth gegen seine Feinde und dabei seine Bescheidenheit, mit der er nicht sich, sondern seinen Soldaten den Ruhm seiner Thaten beilegte, in Erwägung zieht; so wird man in der Geschichte schwerlich einen oder den andern Helden finden, der mit Elliot eine Vergleichung aushielt.
Buchempfehlung
Sechs Erzählungen von Arthur Schnitzler - Die Nächste - Um eine Stunde - Leutnant Gustl - Der blinde Geronimo und sein Bruder - Andreas Thameyers letzter Brief - Wohltaten Still und Rein gegeben
84 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro