[543] J. J. le François Lalande, einer der berühmtesten Astronomen Frankreichs, geb. zu Bourg im Aine-Departement, d. 11. Jul. 1732, hatte einen wohlhabenden Mann zum Vater, und als einziger Sohn desselben wurde er vielleicht mit zu vieler Nachsicht behandelt, als daß es nicht auf seinen äußerst lebhaften Charakter einigermaßen einen nachtheiligen Einfluß hätte haben sollen. Schon sehr früh äußerte er eine außerordentliche Liebe zur Astronomie, und schon im sechsten Jahre wollte er gar zu gern wissen, was wohl eigentlich die Sterne am Himmel festhielt. Doch schwankte seine Neigung für ein einzelnes Fach der Wissenschaften immer hin und her: schon im zehnten Jahre hatte er große Neigung zum Predigen; er hielt in Jesuiterkleidern Predigten vor großen Gesellschaften, deren Lob ihm sehr schmeichelte, aber immer blieb sein Liebstes das Beobachten der Sterne, zu deren Anschauen er schon im zwölften Jahre die Nächte hindurch aus dem väterlichen Hause hinweglief. Er kam nun nach Lyon zu den Jesuiten, wo er wieder für Poesie und Advokaten-Beredsamkeit eine große Vorliebe faßte, dann sich zur Philosophie, endlich zu den mathematischen Wissenschaften hinneigte, auch deshalb Jesuit werden wollte; allein da seine Eltern ihn lieber dem Studium der Rechtsgelehrsamkeit widmen wollten, so ging er denn deshalb nach Paris, lernte hier bei seinem Besuche des Observatoriums den abgelebten Delisle kennen, der denn bald Lalande zu sich nahm, wobei dieser jedoch auch den Vorlesungen des Lemonnier beiwohnte. Lalande ward schon im achtzehnten Jahre Advokat; allein die Astronomie zog ihn, trotz der Erinnerungen seiner Eltern, immer mehr an sich, und da er nun auch bei den damaligen über die Entfernung [543] des Mondes von der Erde angestellten Vermessungen nach Berlin gesendet wurde, er auch hier, in Gesellschaft von Euler, Voltaire, Maupertuis, dʼArgens, Lametrie, bald beim Beobachten der Sterne, bald beim Rechnen, bald beim Philosophiren verbrachte, ja selbst (im 19. Jahre) Mitglied der Akademie, und sogar am Hofe zugelassen wurde; so fand er, trotz dem daß er bei seiner Zurückkunst nach Bourg einige Rechtsfälle führte, doch immer mehr Beruf, zumal da er nun auch (seit 1753) Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Paris geworden, sich jener Lieblingswissenschaft hinzugeben. Im J. 1759 gab er die Geschichte des Halleyschen Cometen und nachher sehr viele Abhandlungen in den Memoiren der Akademie heraus. Die glänzendste Epoche für ihn war unstreitig in den Jahren 1761 und folgenden, wo er die Berechnung für die Beobachtung des Durchgangs der Venus eben für das Jahr 1761 und 1769 vorbereitete, und mit ungeheuerm Fleiße eine Charte bearbeitete, wo der Ein- und Ausgang der Venus für alle Gegen den der Erde bezeichnet war. – Aber nicht blos Astronomie, sondern auch andre wissenschaftliche Gegenstände beschäftigten ihn. Er hatte unterdessen eine Schrift a. d. Engl. über die Platina bekannt gemacht; in einer andern erwies er die Vorzüge der monarchischen Verfassung vor allen andern; eine Lobschrift auf den Marschall de Saxe und mehrere andre folgten nach. Indessen waren doch seine astronomischen Arbeiten1 das wichtigste, und er studirte noch spät griechisch, um einige Stellen des Ptolomäus zu [544] verstehen. Mehrerer ähnlicher wichtiger Beschäftigungen zu geschweigen, erwähnen wir nur noch seiner unter großem Aufsehen nach Gotha unternommenen Reise im J. 1797, wo er mehrere Astronomen um sich versammelt sah, die ihm gleichsam huldigten. So genoß er bis an sein Ende die größte Auszeichnung, und auch vorher einer dauernden Gesundheit, bis er endlich drei Jahre vor seinem Tode an der Schwindsucht zu leiden anfing, aber doch dabei trotz jeden Wetters spatzieren ging. Seine letzte Zeit brachte er mit Unterricht seiner angenommenen Kinder zu, und endigte seine Laufbahn den 4. April 1807 mit aller Kälte und Geistesgegenwart und mit den Worten: Ich bedarf nichts mehr!
Lalande war unstreitig für die Astronomie ein sehr verdienstvoller Gelehrter, dabei gut und wohlthätig und von sehr bestimmtem Charakter. Mit außerordentlichem Glücke arbeitete er 50 Jahre lang für die Wissenschaften, und er hat die gerechtesten Ansprüche auf die Achtung der Nachwelt, wenn gleich so manche Fehler und Schwächen seine Verdienste hie und da verringerten. Eitelkeit hieß eine seiner Hauptschwächen, mit welcher er für jedes, wenn auch noch so übertriebene Lob empfänglich war, und es gewährte ihm einen sehr glücklichen Moment in seinem Leben, als er einst von einem seiner Freunde in öffentlicher Sitzung wegen des Nutzens, welchen er den Wissenschaften und mehrern Gelehrten geleistet, gelobt und allgemein beklatscht wurde. Indessen werden die sehr vielen Arbeiten dieses überaus thätigen Gelehrten, wohin auch außer einigen bereits angeführten seine Abhandlung über Ebbe und Fluth, über die Canäle – ferner seine kurze Uebersicht der Geschichte der praktischen Schiffahrt, sein astronomisches Dictionnair in der Encyclopädie, seine Bibliographie und sein Handbuch der Astronomie u. s. m. gehören, immer ein bleibendes Andenken für ihn erhalten. Sein Schüler Delambre hielt auf ihn im National-Institut zu Paris als Sekretair des Instituts den 4. Jan. 1808 eine trefliche Lobrede, ohne in den Fehler zu großer Schmeichelei zu verfallen.
1 Eine Anekdote, zu welcher eine seiner Beobachtungen Veranlassung gab, ist vielleicht hier nicht am unrechten Orte. Voltaire hatte, durch Newton darauf gebracht, die Aeußerung gethan, daß die Cometen auf der Erde ein großes Unglück stiften könnten, wenn sie derselben auf ihrem Wege begegneten. Lalande stellte darüber Untersuchungen an, und da einige Personen das Resultat desselben unrecht verstanden hatten, so verbreitete sich bald das Gerücht durch die ganze Stadt, Lalande hätte gesagt, daß ein Comet die Erde zerstören würde; dieses erregte soviel Furcht und Unruhen unter den Leuten, daß sogar der Polizei-Lieutenant zu Lalande schickte, um sich Auskunft darüber auszubitten; und es hielt schwer, die Gemüther nur erst nach und nach darüber zu beruhigen.