Johann George Sulzer

[378] Johann George Sulzer, einer der bedeutendsten Philosophen des verflossenen Jahrhunderts, war zu Winterthur im Canton Zürch d. 16. Oct. 1720 geboren, und stammte – das 25. Kind, das seinem Vater geboren wurde – aus einer der ältesten Familien in Winterthur her. Auf der Stadtschule zu Winterthur, wo er seinen ersten Unterricht empfing, waren ihm, bei den pedantischen Lehrern, die er hatte, geographische und kosmographische Studien weit lieber, und so kam er im 16. Jahr auf das academische Gymnasium zu Zürch, wo er den theologischen Cursus vollendete; doch waren Mathematik, Physik und Philosophie seine Hauptbeschäftigungen, ja aus Neigung zu mechanischen Arbeiten erlernte und übte er das Buchbinderhandwerk aus allen Kräften. Im Jahr 1739 zum Prediger ordinirt, versah er balo als Vicar die Geschäfte des Pfarrers zu Maschwanden, und hier von den Schönheiten der Natur hingerissen, schrieb er moralische Betrachtungen über die Werke der Natur, machte dabei öfters naturhistorische Alpenreisen, legte aber in der Folge, wegen Kränklichkeit, jenes Vicariat nieder, und ging 1743 als Hauslehrer zu einem Kaufmann nach Magdeburg, Hier mit mehreren bedeutenden Männern in Bekanntschaft gesetzt, ward er nun ein eifriger Verehrer der schönen Wissenschaften, kam 1747 als Professor der Mathematik an das Joachimsthalische Gymnasium zu Berlin, wurde daselbst 1750 in die königliche Academie der Wissenschaften aufgenommen und schrieb hier mehrere wichtige scharfsinnige Abhandlungen. Der Tod seiner innigst geliebten Gattin im Jahre 1760, mit der er sich 1750 verbunden hatte, nöthigte ihn, Berlin auf einige Zeit zu verlassen, und er machte 1762 eine Reise in sein Vaterland, nahm aber bei seiner Rückkehr 1763 seinen Abschied von dem Joachimsthalischen Lehramte und wurde, damit er Berlin nicht verlassen sollte, vom König zum Professor bei der neu errichteten Ritteracademie ernannt. Zugleich übertrug ihm der König nicht nur eine Stelle bei der zu Regulierung der ökonomischen Angelegenheiten der Academie [378] ernannten Commission, sondern auch die Visitation des Joachimsthalischen Gymnasiums. Und so wurde er noch zu mehreren Schulverbesserungen der preußischen Staaten gezogen, wodurch er auch um jene sich ein bleibendes Verdienst erwarb. Indessen wurden seine Gesundheitsumstände seit 1772 immer mißlicher, zu deren Verbesserung er zwar 1775 eine Reise in die Schweitz und die mittägigen Gegenden Frankreichs unternahm, während welcher er sogar zum Director der philosophischen Classe der Berl. Acad. d. Wissensch. vom König ernannt wurde; allein bei seiner Rückkehr stellten sich seine Beschwerden doch heftiger wieder ein, und sein Tod erfolgte endlich 1779 d. 25. Febr. im 59. Jahre. – Als tiefer Denker, als emsiger Naturforscher, Kenner der Alten, Beförderer des guten Geschmacks und der Künste erhält dieser liebenswürdige Weise immer sein Andenken; und seine Schriften sind ein bleibendes Denkmal von den Früchten seines Nachdenkens und Beobachtens. Das vorzüglichste seiner Werke bleibt die Allgemeine Theorie der schönen Künste in 4 Theilen, welche schon mehrere Auflagen erlebte, und wozu er durch la Combe Dictionnaire des beaux arts veranlaßt, den Plan lange mit sich herumtrug, und welches, wenn es auch nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen kann und manche Artikel Berichtigungen und Erweiterungen bedürfen, dennoch das unverkennbare Verdienst, den ersten Schritt zu einer allgemeinen Uebersicht der Künste und zur nähern Bestimmung ihrer einzelnen Theile gethan zu haben, Sulzern auf immer sicherte. Auch der verdienstvolle Hauptmann v. Blankenburg hat bei einer der folgenden Ausgaben dieses Werkes durch seine literarischen Zusätze gleiche Ansprüche auf den Dank aller Freunde der schönen Künste sich erworben, so wie er dadurch auch den Weg zu den nachher von Dyk und Schatz herausgegebenen sehr verdienstlichen Nachträgen unter dem Titel: Charaktere der vornehmsten Dichter aller Nationen etc. gebahnt hat. – Sulzers übrige Schriften z. B. seine vermischten philosophischen Schriften; sein Versuch einiger vernünftigen Gedanken von Auferziehung und Unterweisung der Kinder; seine Vorübungen zur Erweckung [379] der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens (drei Theile) u. a. m. tragen insgesammt das Gepräge des denkenden, auf Vervollkommnung des Menschengeschlechts und Erhöhung der Glückseligkeit desselben hinarbeitenden wahren Philosophen.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 378-380.
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