[52] Menschenfresser (Anthropophagen). Einen traurigen Beleg zu der Behauptung, daß der Mensch sogar unter das Thier sinken kann, das beim höchsten Hunger Geschöpfe seiner eignen Gattung zur Nahrung wählet, liefern die Nachrichten älterer und neuerer glaubwürdiger Schriftsteller über Menschenfressende Nationen und einzelne Menschenfresser. Daß vielleicht die meisten Volker im rohen Zustande Menschenfleisch (aus Rache, Wuth, bei Sieges und Götterfesten etc.) genossen haben, scheint sich einigermaßen dadurch zu bestätigen, daß man diese empörende Gewohnheit noch jetzt bei mehreren rohen Nationen im südlichen Asien und Amerika und im innern und östlichen Afrika findet. Einige verzehren sogar, blos aus Leckerhaftigkeit, nicht allein Gefangene, sondern ihre eigenen Weiber und Kinder, und Menschenfleisch wird bei ihnen öffentlich ge- und verkaufet. Daß aber in Europa, ja selbst in Deutschland, wenn schon nur einzelne Menschen, aus Lusternheit, Wahnsinn und Schwärmerei zu Mördern und Menschenfressern herabsinken konnten, gränzt beinahe aus Unglaubliche, wird aber durch mehrere Beispiele bekräftiget. Noch im Juli 1772 wurde zu Berka an der Ilm der Hirte zu Eichelborn bei Jena, Goldschmidt, hingerichtet, der nicht aus Armuth, sondern aus wirklicher Lüsternheit nach Menschenfleisch, zwei Menschen ermordet und zum Theil aufgezehrt hatte. Mehrere Beispiele erzählet Götze (Natur, Menschenleben und Vorsehung. B. I. Nr. XX–XXII.) In Siebenburgen wurde sogar vor 30 Jahren eine ganze Bande Menschenfresser entdeckt. Auch Koch erwähnet in s. Inst. jur. crim. §. 727., daß, vor nicht langer Zeit, eine Kindermörderin im Nassau-Diezischen bei der wider sie angestellten Untersuchung eingestanden: daß sie ihr Kind, welches bei der Geburt gegen 7 Monat alt gewesen, zwei Tage in der Tasche bei sich getragen und es hernach [52] gegessen, welches ihr so gut, als jemals etwas, geschmeckt habe!