Paßwan Oglou

[216] Paßwan Oglou – oder eigentlich Pazman Ohlu – der Sohn eines Bassi Aga, d. h. Oberhaupts [216] von mehreren grundherrschaftl. Bezirken, war zu Weddin geboren, wo ihn sein Vater in politischen, ökonomischen und militairischen Wissenschaften unterrichten lies. Mit diesem seinem Vater gerieth er 1785. in Streit, wo sie gegen einander förmlich mit ihren ausgehobenen Mannschaften Angriffe ausführten, bis sich endlich 1788 die vornehmsten Widdiner ins Mittel legten, und die Einigkeit unter ihnen wiederherstellten. Sie vereinigten nun beide ihre Mannschaft mit einander, behandelten die Stadt Widdin ganz eigenmächtig, vertrieben alle mit Gewalt oder mit List aus der Gegend, so daß in demselben Jahre der Seraskier Melek Mehmed Bassa mit 12000 Mann gegen sie beordert wurde. Nach dreimonatlichem Kampfe flüchteten endlich Vater und Sohn mit 600 Mann zu dem Fürst Mavrojenv in der Wallachei, der sie auch aufnahm, und zu Bir Bassas (Anführern von 1000 Mann) machte. Der Vater, nach Csernetz versetzt, wurde vom Widdiner Aga angegriffen, gefangen genommen und heimlich hingerichtet: der Sohn, hierüber erbittert, sann auf Rache, ging mit 2000 Mann zusammengebrachter Truppen über die Donau, und, in geheimen Einverständniß mit seinen Widdiner Freunden, überrumpelte er mit 5000 Mann Widdin, bemächtigte sich der Festungswerke und zwang den Bassa, seine Mannschaft zu entlassen. So zur Herrschaft über Widdin gelangt, übertrug er nun die Führung der Geschäfte einem Bekir Aga, ging zu dem in Betislam stehenden Grosvezier, Isuff Bassa, erhielt von diesem noch 6000 Mann, wurde aber bei Morawa geschlagen und flüchtig. Nach Widdin zurückgekehrt, lebte er nun bis 1792 in Ruhe, wo er denn unter andern auch den Bekir Aga, der ihm keine Rechenschaft von den zusammengehäuften Schätzen geben wollte, zusammenhauen ließ. Ein neuer Bassa zu Widdin machte die Pforte näher mit der Macht Paswans bekannt, und ein Ferman foderte den Kopf desselben. Paswan, bei Zeiten davon unterrichtet, sammlete alle seine Kräfte, grif den Bassa an, schlug ihn mitten in der Festung und zwang ihn, alle Truppen zu entlassen Einige Zeit darauf von diesem hinterlistig überfallen, flüchtete er zwar, nach einem blutigen Treffen, sammlete aber wieder an 3000 Mann, [217] überrumpelte Widdin, jagte den Bassa aus der Stadt und besetzte nun Stadt und Festung mit seiner eignen Mannschaft. Als bald darauf die Spaltungen im Divan wegen der Spahis und Janitscharen entstanden, welche der türkische Kaiser abschaffen wollte, so benutzte P. O. diese Stimmung, warf sich zum Vertheidiger der Spahis und Janitscharen auf, und bekam so einen mächtigen Anhang: trotz der Anerbietungen der Pforte zum Vergleich, vermehrte er seine Truppen immer mehr, nahm (1795) Nikopolis, eroberte mit den alten Janitscharen Belgrad, aus dem sie aber im Juli 1796. wieder vertrieben wurden, und jetzt lies die Pforte ihre ganze Macht gegen ihn aufbieten. Eine Macht von 50,000 Mann versammelte sich um Widdin, Paßwan Oglu hatte deren 30,000, mit welchen er sich sehr stark verschanzte. Nach mehreren Versuchen, die Stadt zu erobern, wurden wieder Vergleichsvorschläge gethan; P. Oglu ging sie Anfangs ein, und die Grosherrlichen Truppen zogen auch wirklich ab; allein jener benutzte nur die Zeit zu seiner Verstärkung und rückte 1797 gegen Nikopolis und Adrianopel, die sich ergeben musten. Eine Armee von 60,000 Mann belagerte nun 1798. Widdin, allein, nach vielen andern, machte auch P. O. im Juni einen so glücklichen Ausfall, daß 6000 von den Grosherrl. Truppen blieben und der Großvezir alles im Stiche ließ. Endlich kam unter Rußlands nachdrücklicher Verwendung ein Vergleich zu Stande, vermöge dessen der Grosherr die Janitscharen wieder in ihre vorigen Besitzungen einsetzen und den Paswan Oglu als Bassa von drei Roßschweifen in Widdin lassen muste. Der Tod dieses für die Pforte allerdings bedeutenden Menschen erfolgte zu Widdin am 5. Febr. 1807. nachdem er, wie man sagt, nach mehreren Einfällen (1800) ins Oestreichische Gebiet, den Erzherzog Carl 1802 um Erlaubniß gebeten hatte, sich auf kaiserliches Gebiet begeben und da anbauen zu dürfen, welches ihm aber, so lange er noch von seinem rechtmäßigen Oberherrn als Rebell angesehen würde, abgeschlagen worden sei. – Er war übrigens ein guter mitleidiger Mann, der aber sehr streng auf Gerechtigkeit hielt; für Wittwen und Waisen hatte er mehrere Stiftungen [218] gemacht, und für arme Reisende dadurch vortheilhaft gesorgt, daß er für sie Wirthshäuser an den Straßen anlegen ließ.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 216-219.
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