Viktor Emanuel Leclerc

[552] Viktor Emanuel Leclerc gehört zu denjenigen Männern, welchen die neueste Zeitperiode auch einen Platz unter ihren denkwürdigen Genossen angewiesen hat. Geboren zu Pontoise 1772, besaß er, eines ansehnlichen Kaufmanns Sohn, ein ansehnliches Vermögen, studirte zu Paris, ging dann als Lieutenant zu einem zu Versailles errichteten Corps, und ward nach einem Jahre Adjutant beim General Lapoyve, mit welchem er zur italiänischen Armee, unter Biron, abging. Bei der Belagerung von Toulon und bei dem der Einnahme dieses Platzes vorangehenden Angriffe zeichnete er sich durch Tapferkeit und Kaltblütigkeit so aus, daß er sogleich aufm Schlachtfelde zum Adjutant-General und Bataillonschef ernannt wurde. Nach Toulons Eroberung war er bei der Ardennen-Armee in den Gefechten bei Fleurüs und Charleroy zugegen; zeigte dann bei der Alpen-Armee auf dem Berge Cenis gleiche Ausdauer und Festigkeit, und erhielt in einem Alter von 22 Jahren den Posten eines Commandanten von Marseille. Nach kurzer Zeit zur italiänischen Armee berufen, kam er nun als Generaladjutant zu Bonaparte, zeichnete sich auch hier, besonders beim Uebergang über den Lavisio aus, wo er mit Desaix und 15 Mann in einem Hinterhalte die feindliche Reiterei nicht nur aufhielt, sondern auch, wenn gleich verwundet, sehr viele davon zu Gefangenen machte, schlug beim Uebergang über die Piave das feindliche Corps, das sich dem Uebergang widersetzte, und gewann so besonders auch die Aufmerksamkeit und Achtung Bonapartes, welcher ihn nach dem Tractate von Leoben mit den Friedensvorschlägen ans Directorium sendete, ja [552] bei Unternehmung der Expedition nach Egypten ihn als Chef des Generalstabes der italiänischen Armee zurückließ. Er machte sich dann noch als Divisionsgeneral bei der Rheinarmee in mehreren Gefechten merkwürdig und fing hauptsächlich an, bei der Expedition gegen England eine bedeutende Rolle zu spielen, bis endlich Bonaparte ihn dazu ausersah, auf St. Domingo, welches durch Anarchie und Despotismus der Zerrüttung Preis gegeben war, die Ruhe wieder herzustellen und diese Colonie mit Frankreich wieder zu vereinigen. Leclerc segelte ab, und trotz der Hindernisse, welche List und Treulosigkeit ihm hier in den Weg legten, wußte er doch darüber zu siegen: die französische Armee zerstreute bald die vornehmsten Versammlungen der Schwarzen: Toussaint Louvertüre heuchelte Reue und wußte Verzeihung von Leclerc zu erhalten; da er aber eine neue Verschwörung anzettelte, ließ ihn Leclerc gefangen nehmen und sandte ihn nach Frankreich. Dennoch vermehrte sich, bei den beständigen Anfechtungen der in die Wälder geflüchteten Schwarzen, besonders aber bei den immer mehr zunehmenden fürchterlichen Epidemien unter der französischen Armee, die mißliche Lage derselben; aber Leclerc blieb unermüdet, um die Colonie wieder herzustellen. Endlich aber mußte er doch unterliegen: die fürchterliche Krankheit, die so viele schon hingerafft hatte, traf auch den General-Gouverneur, und er starb, ruhig dem Tode entgegensehend, am 2. Nov. 1802 allgemein betrauert, indem auch selbst der erste Consul 10 Tage lang Trauer um ihn anlegte und in allen großen Städten, wo sein Leichnam durchgeführt wurde (zu Toulouse, Lyon, Orleans etc.), religiöse Feierlichkeiten angestellt wurden. (Man vergleiche übrigens die Art. Dessalines und Christoph in dies. Nachtr.)

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 552-553.
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