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[424] Das Finanzjahr läuft vom 1. April bis 31. März. Die Einnahmen und Ausgaben des Reichs werden vom Bundesrat und Reichstag alljährlich durch Gesetz festgelegt. Ebenso ist die Rechnungslegung jährlich vorzunehmen nach der Vorprüfung durch die preuß. Oberrechnungskammer als »Rechnungshof des Deutschen Reichs«.
1) Zölle und Verbrauchssteuern. Gemeinsam sind die Zölle sowie die indirekten Steuern auf inländisches Salz, Tabak, Branntwein und Zucker. In Bayern, Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringen ist die Besteuerung des Bieres Landessache, in den übrigen Teilen des Reichs (Brausteuergemeinschaft; begründet durch Gesetz vom 31. Mai 1872) Reichssache. Die süddeutschen Staaten zahlen Aversen (s. Aversum und Ziffer 10).
a. Zölle (Zolltarif vom 15. Juli 1879 nebst Nachtragsgesetzen, bes. von 1885, 1887, 1892 und 1902, s. Getreidezölle.) Die Erträge der Zölle und Tabaksteuer, von denen nach der durch Gesetz vom 14. Mai 1904 aufgehobenen Franckensteinschen Klausel der Reichskasse nur 130 Mill. M (seit 1896 behufs Schuldentilgung erhöht; 1897: 167,5, 1898: 172,4, 1903: 152,7 Mill. M) verblieben, fließen seit 1904 der Reichskasse zu. Zollerträge 1894: 362,7, 1897: 441,0 1900: 465,8, 1903: 508,3, 1905: 536,3 Mill. M, darunter haupsächliste 1904: Getreide 145,5, Petroleum 76,6; Kaffee 71,9, Tabak etc. 58,3, Bau- und Nutzholz 20,4, Wein etc. 15,8, Schmalz 11,9, Südfrüchte 10,1 Mill. M.
b. Tabaksteuer. 1894: 11,3, 1897: 12,1, 1900: 12,0, 1903: 11,2, 1905: 11,1 Mill. M.
c. Zuckersteuer (Verbrauchsabgabe). 1894: 80,4, 1897: 84,3, 1900: 123,5, 1903: 101,9, 1905: 130 Mill. M.
d. Branntweinsteuer. Die Verbrauchsabgabe (Gesetz vom 24. Juni 1887) wurde stets den Einzelstaaten nach Maßgabe der matrikularmäßigen Bevölkerung, mit welcher sie zum Gebiet der Branntweinsteuergemeinschaft gehören, überwiesen (s. Ziffer 10); sie betrug 1894: 99,6, 1897: 101,1, 1900: 106,2, 1903: 103,2, 1905: 104 Mill. M. Durch Gesetz vom 14. Mai 1904 ist auch der Reinertrag der Maischbottisch-und Branntweinmaterialsteuer (letztere wird seit 1. Okt. 1900 [Gesetz vom 28. Juni 1900] nur noch als Zuschlag zur Verbrauchsabgabe erhoben) gleichfalls den Bundesstaaten überwiesen. Sie betrug 1894: 18,0, 1897: 18,3, 1900: 18,0, 1903: 9,4, 1905: 13,5 Mill. M.
e. Schaumweinsteuer. Wird auf Grund des Gesetzes vom 9. Febr. 1902 erhoben. 1903. 1903: 3,7, 1905: 4,5 Mill. M.
f. Salzsteuer. 1894: 44,5, 1897: 47,3, 1900: 49,6,, 1903: 52,3, 1905: 52,3 Mill. M.
g. Brausteuer und Übergangsabgabe von Bier in der norddeutschen Brausteuergemeinschaft. 1894: 25,5, 1897: 29,7, 1900: 31,5, 1903: 29,8, 1905: 29,5 Mill. M.
2) Reichstempelabgaben.
a. Spielkartenstempel. 1894: 1,3, 1897: 1,4, 1900: 1,5, 1903: 1,6, 1905: 1,6 Mill. M.
b. Wechselstempel. 1894: 7,8, 1897: 9,5, 1900: 12,4, 1903: 11,9, 1905: 11,9 Mill. M.
c. Stempelabgabe für Wertpapiere, Kaufgeschäfte, Lotterielose etc., wird an die Einzelstaaten überwiesen, die übrigen Stempelabgaben verbleiben dem Reich. 1894: 39,2, 1897: 47,2, 1900: 65,4, 1903: 72,4, 1905: 71,9 Mill. M.
d. Statistische Gebühr (s.d.). 1894: 0,8, 1897: 0,9, 1900: 1,0, 1903: 1,1, 1905: 1,1, Mill. M.
3) Überschüsse der Reichspost und Telegraphenverwaltung. 1903: ordentl. Einnahmen 465,1, Ausgaben 413,1 Mill. M.
4) Überschüsse der Reichseisenbahnen. 1903: ordentliche Einnahmen 97,9, Ausgaben 77,6 Mill. M.
5) Einnahmen aus dem Bankwesen (Reichsbank und Banknotensteuer). 1903: 12,9, 1905: 15,8 Mill. M.
6) Reichsdruckerei. Überschuß 1903: 2.349.100 Mill. M.
7) Verschieden Verwaltungseinnahmen. 1903: 45,3, 1905: 37 Mill. M.
8) Reichsinvalidenfonds. 1903: Einnahmen 49,5, Ausgaben 53,6, Fehlbetrag 4,1 Mill. M. 9) Aus der Veräußerung von ehemal. Festungsgrundstücken etc. 1903: 4,6 Mill. M.
10) Ausgleichsbeträge (Aversen) für die nicht allen Staaten gemeinsamen Einnahmen. 1903: 19 Mill. M
11) Matrikularbeiträge (s.d.) 1903: 565,9 Mill. M; dem gegenüber Überweisungen an die Bundesstaaten 541,5 Mill. M. Matrikularbeiträge 1905:
Den Matrikularbeiträgen stehen an Überweisungen an die Bundesstaaten (Gesetz vom 14. Mai 1904) gegenüber:
12) Außerordentliche Deckungsmittel (Anleihen u.a.). 1903: 265, 1905: 228,5 Mill. M.
C. Das Vermögen des Reichs besteht aus den öffentlichen Gebäuden (Post, Kasernen u.a.) und aus dem beweglichen Vermögen (Heer- und Marinegeräte, Inventar u.a.), ferner aus den Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, dem Reichskriegsschatz (s. Kriegsschatz) und dem Reichsinvalidenfonds (s. oben). Die Schulden betrugen 31. März 1905: 3323,5 Mill. M, darunter Anleihen 3023,5, Schatzanweisungen 180 (160 unverzinslich), Reichskassenscheine 120 Mill. M.
I. Heer. Verfassung. Das Heerwesen des Deutschen Reichs ist nach der Reichsverfassung vom 16. April 1871 geordnet. Die gesamte Landmacht bildet ein einheitliches Heer, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehl des Kaisers als Bundesfeldherrn steht. Alle deutschen Truppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers unbedingt Folge zu leisten. Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reichs werden von allen Bundesstaaten gleichmäßig getragen. Als Grundlage der Verwaltung, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung sind die gesamte preuß. Militärgesetzgebung und die militär. Einrichtungen auf das Reich übertragen worden. Die Regimente Pf. führen fortlaufende Nummern durch das ganze deutsche Heer (die bayr. Truppenteile für sich) und sind nach Farbe und Schnitt im allgemeinen gleichmäßig bekleidet, auch tragen (seit 22. März 1897) alle Angehörigen des Heeres neben der Landeskokarde die deutsche Kokarde.
Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb des deutschen Heeres alle Truppenteile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind, und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der Mannschaften sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit durch Besichtigungen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei durch ihn oder seine Vertreter wahrgenommenen Mängel anzuordnen. Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Einteilung der Kontingente des Reichsheeres, sowie die Organisation der Landwehr und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebiets die Garnisonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Teils des Reichsheeres anzuordnen. Der Höchstkommandierende eines Kontingents sowie alle Offiziere, welche Truppen von mehr als einem Kontingent befehligen, und alle Festungskommandanten werden vom Kaiser ernannt und leisten ihm den Fahneneid. Bei Generalen und Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des Kontingents ist die Ernennung von der Zustimmung des Kaisers abhängig. Die übrigen Offiziere ihrer Kontingente ernennen die Bundesfürsten bez. die Senate. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehörenden Truppenteile und genießen die damit verbundenen Ehren. Das Recht, Festungen anzulegen, steht dem Kaiser zu. Die Vorschriften der Verfassung sind abgeändert worden durch Militärkonventionen, welche Preußen mit den Bundesstaaten abgeschlossen hat (die erste mit Sachsen vom 7. Febr. 1867, die letzte mit Braunschweig vom 9./18. März 1886), und in denen die Einzelstaaten auf Offizierernennungsrecht, Militärverwaltung, -unterrichtswesen, -gerichtsbarkeit, -seelsorge zugunsten Preußens verzichtet haben, wogegen sich der König von Preußen verpflichtete, die ihm als Kaiser zustehende Befugnis, die Garnisonen und die Formation und Gliederung der Kontingente zu bestimmen, zugunsten dieser Staaten in bestimmter Weise zu üben. Am wenigsten beschränkt sind Bayern, Württemberg und Sachsen. Sie bilden selbständige Armeekorps und haben eigene Kriegsministerien. Das bayr. Heer ist ganz selbständig und steht im Frieden unter dem Oberbefehl des Königs; erst mit der von diesem auf Veranlassung des Kaisers angeordneten Mobilmachung tritt es unter den Oberbefehl des Kaisers. In Württemberg wird der kommandierende General vom König nach Zustimmung des Kaisers ernannt, und auch die Besetzung der übrigen Generalsstellen ist hier nicht, wie es in Sachsen verfassungsmäßig der Fall ist, von der Zustimmung des Kaisers abhängig. Außerdem werden zur Beförderung der Gleichmäßigkeit in der Ausbildung nach gegenseitiger Vereinbarung einige sächs. und württemb. Offiziere je 1-2 Jahre in die preuß. Armee und preuß. Offiziere in die sächs. und württemb. Armeekorps kommandiert. Für das hess. und die mecklenb. Kontingente werden alle Offiziere vom Kaiser ernannt, erhalten jedoch vom Großherzog ein zweites Patent. Die Offiziere Badens, Braunschweigs, Oldenburgs, Anhalts und der thüring. Staaten (Weimar, Meiningen, Coburg-Gotha, Altenburg, Rudolstadt, beide Reuß) heißen königl. preuß. Offiziere; für Baden und Braunschweig bestehen jedoch gegenüber Preußen Verschiedenheiten in der Farbe des Offizierportepees. Sondershausen, Waldeck, die beiden Lippe und die Hansestädte haben ihre Kontingente völlig aufgelöst; ihre Wehrpflichtigen werden in preuß. Truppenteile eingereiht (die drei hanseatischen Infanterieregimenter sind preuß. Truppen). Die Gegenleistungen des Kaisers bestehen in folgendem: Zunächst ist einigen Staaten (Sachsen, Württemberg, Hessen, beiden Mecklenburg, Baden, Oldenburg, den thüring. Staaten, Anhalt und Braunschweig) eine bestimmte Formation ihrer Kontingente in abgeschlossenen Armeekorps (Sachsen, Württemberg, Baden), Divisionen (Hessen), Brigaden und Regimentern versprochen worden. Ferner bleiben sächs., württemb., hess., bad., oldenb., thüring. und anhalt. Truppen im Frieden im eigenen Lande in Garnison, außer wenn der Reichsdienst die Verlegung in andere Gebiete (z. B. Reichsfestungen) erfordert. Den Staaten, welche auf eigene Kontingente verzichtet haben, sind preuß. Garnisonen in ihrem Gebiete zugesichert worden.
Die besondern Bestimmungen über die Wehrpflicht, sowie über die Stärke und Zusammensetzung des Reichsheeres sind enthalten in den Gesetzen vom 9. Nov. 1867 (Wehrgesetz des Norddeutschen Bundes, durch § 2 der Reichsverfassung zum Reichsgesetz erklärt), 2. Mai 1874 (Reichsmilitärgesetz), 15. Febr. 1875 (Kontrollgesetz), 6. Mai 1880, 31. März 1885, 11. März 1887, 11. Febr. 1888 (Gesetz, betreffend die Änderung der Wehrpflicht ), 27. Jan., 8. Febr., und 15. Juli 1890, 26. Mai und 3. Aug. 1893, 28. Juni 1896, 25. März 1899, 22. Febr. 1904 und 15. April 1905, auf Grund deren die Deutsche Heerordnung und Deutsche Wehrordnung, beide vom 22. Nov. 1888 (Neuabdruck 1904), mit den nähern Bestimmungen über Wehrpflicht und Ersatz bearbeitet worden sind, letztere zur Ergänzung der erstern.
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. Befreit von der Wehrpflicht sind die Mitglieder der regierenden und der standesherrlichen Häuser und die vor dem 11. Aug. 1890 auf der Insel Helgoland geborenen männlichen Personen; ausgeschlossen von der Wehrpflicht als einer Ehrenpflicht die mit entehrenden Strafen, z. B. Zuchthausstrafe, belegten Personen. Die Dienstpflicht beginnt in der Regel mit dem vollendeten 20. Lebensjahre und dauert von der Einstellung an (nach den Gesetzen vom 3. Aug. 1893 bez. 15. April 1905) 2 (bei Kavallerie und reitender Artillerie 3) Jahre im stehenden Heere (bei der Fahne), 5 (4) Jahre bei der Reserve, 5 (3) Jahre bei der Landwehr ersten und dann bis zum 31. März des Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird, bei der Landwehr zweiten Aufgebots. Dann erfolgt der Übertritt zum Landsturm; zu diesem außerdem alle Wehrpflichtigen vom 17. bis zum vollendeten 45. Jahre, die weder dem Heer noch der Marine angehören, und zwar bis zum 39. Lebensjahre zum ersten, dann zum zweiten Aufgebot. Die vor dem 20. Lebensjahre Eingetretenen werden nach 19jähriger Dienstpflicht dem Landsturm überwiesen. Mannschaften der Fußtruppen, der fahrenden Artillerie und des Trains, welche freiwillig, und Mannschaften der Kavallerie und reitenden Artillerie, welche gemäß ihrer Dienstverpflichtung im stehenden Heere drei Jahre aktiv gedient haben, dienen in der Landwehr ersten Aufgebots nur drei Jahre (statt fünf), ebenso Mannschaften der Kavallerie, welche freiwillig vier Jahre aktiv gedient haben. Jeder Reservist ist zu zwei Übungen von je bis zu 14 Tagen verpflichtet. Die Landwehrkavallerie wird nicht zu Friedensübungen einberufen. Zum freiwilligen Eintritt befähigt das vollendete 17. Lebensjahr; junge Leute von Bildung, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, ausrüsten und verpflegen und welche die gewonnenen Kenntnisse in dem vorgeschriebenen Umfange dargelegt haben, werden schon nach einer einjährigen aktiven Dienstzeit im stehenden Heere zur Reserve beurlaubt (Einjährig-Freiwillige); sie können nach bestandenem Offiziersexamen und nach Maßgabe ihrer durch 2 Übungen von je 8 Wochen nachzuweisenden dienstlichen Befähigung zu Offizieren der Reserve oder Landwehr vorgeschlagen werden; die hierzu nicht Geeigneten werden zu Unteroffizieren der Reserve und Landwehr ausgebildet. Mediziner und Apotheker dienen entweder ganz mit der Waffe oder 1/2 Jahr mit der Waffe (falls sie zu Gefreiten befördert werden) und das zweite Halbjahr, die erstern nach erlangter Approbation als Arzt, als Unterärzte (einjährig-freiwillige Ärzte), die letztern nach bestandener Prüfung als Apotheker in einer Lazarettapotheke (einjährig-freiwillige Militärapotheker). Einjährig-Freiwillige der Kavallerie, Feldartillerie und des Trains, welche die Approbation zum Tierarzt besitzen und die vorgeschriebene Prüfung im Hufbeschlag bestanden haben, dürfen bei guter Führung und entsprechender dienstlicher Befähigung nach halbjähriger Dienstzeit mit der Waffe zu einjährig-freiwilligen Unterveterinären befördert werden. Volksschullehrer und Kandidaten des Volksschulamtes, welche ihre Befähigung für das Schulamt in vorschriftsmäßiger Prüfung nachgewiesen haben, können die aktive Dienstzeit als Einjährig- Freiwillige ohne Schnüre leisten oder falls sie sich selbst kleiden, unterbringen und verpflegen, als Einjährig-Freiwillige mit Schnüren. Röm.-kath. Theologie Studierende werden bis zum 1. April des 7. Militärjahres zurückgestellt. Nach dem Gesetz vom 7. Juli 1896 können die in den Schutzgebieten wohnenden Reichsangehörigen ihrer aktiven Dienstpflicht auch bei der Schutzgruppe genügen.
Der Landsturm hat die Pflicht, im Kriegsfalle an der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen. Er wird durch kaiserl. Verordnung, bei unmittelbarer Kriegsgefahr im Bedarfsfalle durch die kommandierenden Generale, die Gouverneure und Festungskommandanten aufgerufen.
Die Ersatzreserve dient zur Ergänzung des Heeres bei Mobilmachungen und zur Bildung von Ersatztruppenteilen. Ihr werden diejenigen tauglichen Militärpflichtigen überwiesen, welche als überzählige oder mit Rücksicht auf ihre bürgerlichen Verhältnisse nicht eingestellt worden sind, ferner welche nur bedingt tauglich befunden und von der Ableistung der aktiven Dienstpflicht befreit werden, sowie solche, die wegen zeitiger Dienstuntauglichkeit (krank, zu schwach, zu klein) zurückgestellt worden sind und auch im dritten Militärpflichtjahre noch zeitig untauglich befunden wurden. Die Ersatzreservisten sind im Frieden zur Ableistung von drei Übungen von je 10, 6 und 4 Wochen, aber ohne Waffe, verpflichtet und werden jährlich einmal zu Kontrollversammlungen herangezogen. Die Ersatzreservepflicht dauert 12 Jahre, dann treten diejenigen, welche geübt haben, zur Landwehr zweiten, die übrigen zum Landsturm ersten Aufgebots über.
Die alljährliche Ergänzung des Heeres geschieht durch die Ersatzkommissionen (s. Ersatz). Das Offizierkorps des stehenden Heeres ergänzt sich aus den Kadettenanstalten und durch Aspiranten, die ihre wissenschaftliche Befähigung dargelegt haben (Fahnenjunker), das des Beurlaubtenstandes, hauptsächlich aus Einjährig-Freiwilligen und andern Militärpersonen, die mit der Berechtigung zum Reserveoffizier aus dem aktiven Dienst geschieden sind. Für die Landwehrformation, die Kontrolle des Beurlaubtenstandes und das Ersatzwesen ist das Reich in 22 Armeekorpsbezirke eingeteilt, und jeder Armeekorpsbezirk, außer dem preuß. Gardekorps, welches sich aus ganz Preußen, den Reichslanden und den thüring. Staaten ergänzt, bildet einen besondern Ersatzbezirk, der den Ersatz für das Armeekorps liefert. In Preußen fallen die Korpsbezirke zum Teil mit den Provinzen zusammen, denen die kleinern Bundesstaaten zugeteilt sind. Hessen bildet einen Divisions-, die größern Bundesstaaten Württemberg und Baden sowie die Reichslande Elsaß-Lothringen je 1, Sachsen 2 und Bayern 3 Armeekorpsbezirke, im ganzen 23. Jeder Ersatzbezirk zerfällt in (meist 4-6) Brigade- und diese in Landwehrbezirke, an deren Spitze Landwehrbezirkskommandos stehen.
Die Friedenspräsenzstärke wird durch Reichsgesetz festgestellt. Kommt ein solches nicht zustande, so sind dem Kaiser pro Kopf der bisherigen Stärke 225 Taler zu bewilligen (Reichsverfassung Art. 62). Die Friedenspräsenzstärke betrug bis 31. Dez 1874: 401.659 Mann (1 Proz. der Bevölkerung von 1867), einschließlich, bis 31. Dez. 1881: 401.659 Mann, ausschließlich der Einjährig-Freiwilligen, bis 31. März 1887: 427.274, bis 1890: 468.409, bis 1893: 486.983 Mann (einschließlich 66.952 Unteroffiziere), bis 1899: 479.229 Mann (ausschließlich 77.864 Unteroffiziere, deren Zahl seitdem jährlich im Etat festgestellt wird) als Jahresdurchschnittsziffer, während sie bisher Höchstziffer war. 1903 wurde die Stärke von 495.500 Köpfen erreicht, und vom 1. April 1905 wird sie allmählich derart erhöht, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 1910 an Gemeinen, Gefreiten und Obergefreiten 505.839 beträgt. Davon entfallen auf Bayern 55.424, Sachsen 37.711 und Württemberg 19.725. Die Einjährigen kommen auf die Friedenspräsenzstärke nicht in Anrechnung. Die Gesamtzahl der 1904 Ausgehobenen und freiwillig Eingetretenen betrug 277.578. Für das Heer wurden ausgehoben 269.167, davon zum Dienst mit der Waffe 206.709, für die Marine 7201, davon aus der Landbevölkerung 5420. Freiwillig traten in das Heer ein 49.569, in die Marine 3389.
Unter den preuß. Eisenbahntruppen befinden sich 2 königl. sächs. Kompagnien, bei dem Telegraphenbataillon Nr. 1 eine königl. sächs. Kompagnie und ein zu einer preuß. Kompagnie gehörendes württemb. Detachement. In die Übersicht sind nicht aufgenommen: das Lehrregiment der preuß. Feldartillerieschießschule (3 Abteilungen zu je 3 fahrenden Batterien), das Lehrbataillon der preuß. Fußartillerieschießschule (3 Kompagnien).
Zu Übungen in größern Verbänden und im Gefechtsschießen dienen außer den jährl. Manövern die Truppenübungsplätze. (s. d.)
Das auf Kriegsfuß gebrachte Heer bildet Feld-, Feldreserve-, Besatzungs- und Ersatztruppen. Für ihre Verwendung gliedern sich die Feld- mit den Feldreservetruppen in Armeen, welche aus mehrern Armeekorps, Kavallerie- und Reservedivisionen bestehen.
Die Ostasiat. Besatzungsbrigade zu Tien-tsin 1905: 2 ostasiat. Infanterieregimenter zu 2 Bataillonen zu 3 Kompagnien (2 berittene), 1 Eskadron Jäger zu Pferde, 1 fahrende Batterie, 1 Pionierkompagnie und 1 Feldlazarett; ferner 1 topogr. Sektion, 1 Artilleriedepot, 1 Traindepot mit Reparaturwerkstatt, 1 Bekleidungsdepot, Intendantur- und Kriegsgerichtsrat, 2 Geistliche.
Die Marineinfanterie (s. d.) zählt 3 Seebataillone (in Kiel, Wilhelmshaven, Tsing-tau) zu je 4 Kompagnien, 1 Stammseebataillon (2 Kompagnien in Wilhelmshaven), 1 Marine-Feldbatterie des 3. Seebataillons.
Die dem Oberkommando der Schutztruppen in Berlin unterstellten Kaiserl. Schutztruppen verteilen sich auf Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und Kamerun; die in den übrigen Schutzgebieten stehenden Polizeitruppen gehören nicht zum Heere. Deutsch-Ostafrika: 12 Kompagnien Infanterie mit 49 Offiziere, 25 Sanitätsoffizieren, 1 Zahlmeister, 3 Büchsenmachern, 174 Unteroffizieren und 560 Soldaten (Weiße), ferner 9 Offiziere, 174 Unteroffiziere, 2010 Soldaten (Farbige). Deutsch-Südwestafrika: Kommando mit Feldvermessungstruppe und Feldsignalabteilung, 2 Feldregimenter (beritten; 10 bez. 12 Kompagnien) mit 4 Ersatzkompagnien, 1 Maschinengewehrabteilung, 2 Feldartillerieabteilungen (reit; 2 bez. 4 Feldbatterien) mit 2 Ersatzbatterien, 1 Eisenbahnbataillon (3 Kompagnien. 1 Etappenkommando, Stab des Etappenkommandos, 4 Etappenkompagnien, je 2 Feldtelegraphen-, Funkentelegraphen-, Scheinwerferabteilungen, 2 Fuhrpark-, 3 Proviantkolonnenabteilungen, Feldlazarette, 2 Pferde-, 1 Bekleidungs-und Ausrüstungs-, 1 Artilleriedepot, 1 Proviantamt mit Bäckerei, mit einer Gesamtstärke (1. Okt. 1905) von 41 Offizieren, 72 Sanitätsoffizieren, 72 Veterinären, 342 Militärbeamten, 17 Büchsenmachern und 13.373 Unteroffiziere und Gemeine (Weiße) und 4700 (Farbige) Mannschaften. Kamerun: Stab, Stammkompagnie mit Artilleriedetachement, 6 Kompagnien, Weiße 30 Offiziere, 8 Sanitätsoffiziere, 1 Zahlmeister, 3 Büchsenmacher, 59 Unteroffiziere. Farbige 40 Unteroffiziere, 735 Gemeine und als Polizei 40 farbige Unteroffiziere, 400 Mann.
Bewaffnung. Infanterie, Pioniere und Verkehrstruppen sind mit dem Gewehr 98 (7,9 mm – Kaliber) bewaffnet, die Kavallerie führt den Karabiner 98, daneben Stahlrohrlanzen (außer den Jägern zu Pferde). Die Feldartillerie ist ausgerüstet mit der Feldkanone 96 (7,7 cm), deren Umänderung in Rohrrücklaufgeschütze mit der Bezeichnung 96 n/A im Gange ist, und der leichten (10,5 cm-)Feldhaubitze, die Fußartillerie, so weit sie bespannt ist (schwere Artillerie des Feldheeres), mit der schweren (15 cm-)Feldhaubitze, dem 21 cm-Mörser und der 10 cm-Kanone. Die Maschinengewehrabteilungen haben (7,9 mm-)Maschinengewehre, System Maxim. Ferner gehören zur Ausrüstung aller Waffen die entsprechenden Seitengewehre (Säbel) und bei der Fußartillerie das Gewehr 91.
Festungen. Das Befestigungssystem gründet sich auf die Einrichtung der den Grenzen zunächst gelegenen Strombarrieren zur aktiven Verteidigung, deshalb hier Brückenkopfsfestungen, welche die wichtigsten Eisenbahnübergänge einschließen. Am Rhein: große Gürtelfestungen Straßburg, Mainz, Köln, außerdem als Zwischenglieder Gruppe am Oberrhein, Neubreisach, Germersheim, Koblenz-Ehrenbreitstein, Wesel; vorgeschoben als Armeebrückenkopfsstellung die große Gürtelfestung Metz, mit Diedenhofen und Feste Kaiser Wilhelm sich anschließend; Sperrfeste Bitsch. An der Weichsel: neben der Gürtelfestung Thorn, Culm, Graudenz, Marienburg, Danzig; vorgeschoben als Zentralplatz der Prov. Ostpreußen Königsberg; Sperrfeste in der Seenkette Boyen; dahinter die Gürtelfestungen Posen und Cüstrin, ferner Glogau, Glatz und Neisse. An der Elbe nur noch Magdeburg, Königstein. An der Donau die Gürtelfestungen Ulm und Ingolstadt. Bei den Gürtelfestungen ist mit Ausnahme von Köln, Straßburg, Ulm und Ingolstadt die Umwallung teilweise beseitigt oder im Begriff, beseitigt zu werden. Küstenbefestigungen. Die Kriegshäfen Wilhelmshaven und Kiel-Friedrichsort sichern gemeinsam mit Helgoland auch die Mündungen des Kaiser-Wilhelm-Kanals; im übrigen Cuxhaven, Geestemünde, Swinemünde, Danzig mit Neufahrwasser und Weichselmünde, Pillau.
II. Kriegsmarine. Zum Dienst in der Kaiserl. Marine ist die gesamte seemännische und halbseemännische Bevölkerung des Reichs verpflichtet; hierzu werden gerechnet: Seeleute von Beruf, See-, Küsten- und Haffischer, Schiffszimmerleute, Maschinisten und Heizer von See- und Flußdampfern. Zur Auffüllung des Bedarfs werden Mannschaften der Landbevölkerung eingestellt, auch können Nichtseeleute als vier-, fünf- und sechsjährig Freiwillige eintreten. Die Dienstzeit beträgt 3 Jahre bei der Marine, 4 Jahre bei der Marinereserve und 5 Jahre in der Seewehr ersten, hierauf bis zum 39. Lebensjahre (s. oben) in der Seewehr zweiten Aufgebots und dann im Landsturm.
Die Kriegsmarine, deren erste Organisation auf dem Flottengründungsplan von 1873 beruht, steht unter dem Oberbefehl des Kaisers (Reichsverfassung Art. 53) und gliedert sich in Marinebehörden und Marineteile. Oberste Verwaltungsbehörde ist das Reichsmarineamt (s. d.). Die obersten Kommandobehörden, deren Befehlshaber die Machtbefugnisse der kommandierenden Generale haben, sind der Admiralstab (s. Admiral), die Marinestationen (s. d.) und die Inspektion des Bildungswesens der Marine. Gleichgeordnet sind die Chefs der Geschwader. Der Chef der Marinestation der Ostsee führt den Titel »Generalinspekteur der Marine«. Die Marineteile am Lande umfassen Matrosen-, Werftdivisionen, Torpedo-, Matrosenartillerieabteilungen und Seebataillone (s. oben Marineinfanterie). Die Marineteile zur See sind die im Dienst befindlichen Kriegsschiffe. Ständig im Dienst in heimischen Gewässern sind (Ende 1905): 1 Flottenflaggschiff (Linienschiff Kaiser Wilhelm II.), das 1. Geschwader (7 Linienschiffe: Wittelsbach, Zähringen, Mecklenburg, Wettin, Kaiser Wilhelm d. Gr., Kaiser Karl d. Gr., Kaiser Friedrich III.) und das 2. Geschwader (8 Linienschiffe: Preußen, Braunschweig, Hessen, Elsaß, Weißenburg, Brandenburg, Wörth, Kurfürst Friedrich Wilhelm), als Aufklärungsschiffe der Geschwader je 1 Panzer- und 3 Geschützte Kreuzer, ferner 2 Tender, 2 kleine Torpedoboote (Depeschenboote) und 2 Hochseetorpedobootsflottillen (4 Divisionen zu je 5 großen Booten). Das Reservegeschwader zählt 8 Küstenpanzerschiffe, davon 2 im Dienst. Außerheimische Stationen sind: Mittelmeerstation (besetzt mit 1 Stationsfahrzeug), Westafrikanische (1 Ungeschützter Kreuzer), Ostafrikanische (1 Kleiner Geschützter, 1 Kleiner, 1 Ungeschützter Kreuzer), Ost- und Westamerikanische (1 Kleiner Geschützter, 1 Ungeschützter Kreuzer, 1 Kanonenboot), Australische (1 Vermessungsschiff), Ostasiatische Station ( das Kreuzergeschwader [1 Panzer-, 1 Großer Geschützter Kreuzer], ferner 4 Kanonen-, 3 Flußkanonen-, 2 Torpedoboote, 1 Begleitschiff).
Ein Verzeichnis der fertigen und Anfang 1906 im Bau befindlichen Kriegsschiffe und -fahrzeuge befindet sich auf S. 8.
Das Personal zählte 1905: 1370 Seeoffiziere, 241 Maschineningenieure, 208 Sanitätsoffiziere, 171 Zahlmeister, 20 Geistliche, 528 Seekadetten, 130 technische Offiziere und Torpedoingenieure, 34.091 Deckoffiziere und Mannschaften, zusammen 36.759 Köpfe, ferner 1279 Köpfe der Marineinfanterie und 2784 der Matrosenartillerie.
Die Fortentwicklung der Marine beruht auf dem Flottengesetz vom 14. Juni 1900; nach ihm soll 1917 vorhanden sein: eine Schlachtflotte von 2 Flottenflaggschiffen, 4 Geschwadern zu je 8 Linienschiffen, 8 Großen und 24 Kleinen Kreuzern als Aufklärungsschiffen; eine Auslandsflotte von 3 Großen und 10 Kleinen Kreuzern; eine Reserve von 4 Linienschiffen, 3 Großen und 4 Kleinen Kreuzern. Ferner soll in jedem Jahr eine Torpedobootsdivision gebaut werden. Außer bei Schiffsverlusten sollen Linienschiffe nach 25, Kreuzer nach 20 Jahren ersetzt werden.
Die neue Flottenvorlage vom Herbst 1905 verlangt zur Ergänzung des Flottengesetzes von 1900 für die Jahre 1906-11 den Bau von 6 Großen Kreuzern und für 1906-17: 12 Torpedobootsdivisionen, ferner jährlich 5. Mill. M. für Erprobung von Unterseebooten.
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Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?
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1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
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