Drobisch, Moritz Wilhelm

[137] Drobisch, Moritz Wilhelm, geb. 1802 in Leipzig, Prof. daselbst, gest. 1896.

D. ist wesentlich Herbartianer. Aufgabe der Logik ist die Feststellung der »Normalgesetze« des Denkens. Die Logik ist eine formale Wissenschaft und von der Psychologie unabhängig; sie ist eine normative Wissenschaft. Voraussetzung der Logik ist das konkrete, mit dem Erkennen verschmolzene Denken, aus welchem sie ihre Grundformen durch Abstraktion gewinnt. »Formen ohne Inhalt kennt sie nicht, sondern nur solche, die von dem besonderen Inhalt, der sie erfüllen mag, unabhängig ist.« Das Allgemeine und Notwendige ist nach D. kein Ergebnis der Erfahrung, sondern des Denkens, d.h. »derjenigen Verknüpfung der Begriffe, welche der Beschaffenheit und den Verhältnissen des in ihnen Gedachten gemäß ist«. Nicht die Begriffe selbst sind von der Erfahrung unabhängig, apriorisch, nur die Verknüpfung ist es. »Es gibt nur notwendige Urteile und Schlüsse, aber kein[137] notwendigen Begriffe.« Die Axiome der Mathematik haben unmittelbare Evidenz als Tatsachen der Anschauung von assertorischer Geltung. Das Denken ist, seiner Funktion nach, ein »Zusammenfassen eines Mannigfaltigen in einer Einheit«. Im Denken, im Urteil erst entstehen die (logischen) Begriffe. »Das Denken bildet aus den Vorstellungen Begriffe, indem es das zu dem Was des Vorgestellten Gehörige zum Bewußtsein bringt und das, was nicht dazu gehört, absondert. Dies geschieht in den Urteilen, die daher teils beilegende, teils absprechende sind.« Das Urteil ist die »Denkform, durch welche Vorstellungen zu Begriffen ausgebildet werden«.

Assoziation und Reproduktion sind die psychischen Grundprozesse. Mit den Hemmungen und Bewegungen der Vorstellungen haben es die Statik und Mechanik zu tun. – Die Religion ist ein Produkt der Bedürftigkeit des Menschen nach Befreiung und Erlösung von dem Druck der Natur. Die Religionsphilosophie hat das Dasein Gottes objektiv zu erweisen. Der teleologische Gottesbeweis verfügt über eine gewisse Wahrscheinlichkeit, höher steht aber das ethiko-theologische Argument, indem (der persönliche) Gott als Bedingung der Verwirklichung des sittlichen Weltzweckes durch unser Handeln zu denken ist.

SCHRIFTEN: Neue Darstellung der Logik, 1836; 5. A. 1887. – Grundlehren der Religionsphilos., 1840. – Empirische Psychologie, 1842; 2. A. 1898. – Erste Grundlinien d. mathemat. Psychologie, 1850. – Die imoralische Statistik u. d. menschliche Willensfreiheit, 1867. – Über d. Fortbildung d. Philos. durch Herbart, 1876. – Kants Dinge an sich u. s. Erfahrungsbegriff, 1885. – Vgl. NEUBERT-DROBISCH, M. W. Drobisch, 1902.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 137-138.
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