[197] Gassendi (Gassend), Pierre, geb. 1592 in Champtersier (Provence), Prof. in Aix, Kanonikus in Dijon, gest. 1655 in Paris.
G. ist der Erneuerer des Epikureismus, wobei er die mechanistisch-atomistische Naturauffassung mit dem Theismus verbindet. Gegen Descartes erhebt er eine Reihe von Einwänden, so z.B. daß es unmöglich ist, an allem zu zweifeln, daß aus jeder Tätigkeit des Menschen (nicht bloß aus dem Denken) auf die Existenz des Ichs geschlossen werden kann, usw. Die Körper bestehen, da die Teilung derselben schließlich zu etwas Unauflöslichem führen muß, aus Atomen, die durch ihre Größe, Gestalt und Schwere voneinander verschieden sind. Die Zahl der Atome ist unbestimmt groß, aber nicht unendlich. Die Atome sind von Gott aus dem Nichte geschaffen und haben von ihm einen unverlierbaren Antrieb (impetus) zur Bewegung erhalten, der während der Ruhe nur gehemmt ist. Alles Geschehen in der Natur besteht in Bewegungen, auch in den Organismen, die aus (empfindenden) Atomen zusammengesetzt sind. Die Ordnung der Natur stammt von Gott; in der Wissenschaft aber kommt es nur auf die sekundären Ursachen an. Die tierische Seele ist ein feinster Körper, die vernünftige Seele aber immateriell. Der Wille ist, wie das Denken, frei. Die Erkenntnis entspringt aus der Sinneswahrnehmung; bei der Geburt ist die Seele eine leere Tafel. Das Ziel des Handelns ist die Glückseligkeit, die nur durch Tugend erreicht wird.
SCHRIFTEN: Exercitationes paradoxicae adversus Aristoteleos, 1624-59. – Disquisitiones Anticartesianae, 1643. – De vita, moribus et placitis Epicuri, 1647. – Syntagma philosophiae Epicuri, 1649 (Hauptwerk), u. a. – Opera, 1658, 1727. – Vgl. BERNIER, Abrégé de la philos. de G., 1678. – F. THOMAS, La Philosophie de G., 1889. – H. SCHNEIDER, Die Stellung G.s zu Descartes, 1904. – PENDZIG, G.s Metaphysik, 1908.