Krug, Wilhelm Traugott

[368] Krug, Wilhelm Traugott, geb. 1770 in Radis (bei Wittenberg), 1805 Prof. in Königsberg, 1809 in Leipzig, gest. 1842.

K., der alle Gebiete der Philosophie mit Berücksichtigung des »gesunden Menschenverstandes« und im Sinne eines gemäßigten rationalistischen Liberalismus bearbeitete, ist wesentlich von Kant beeinflußt, zum Teil auch von Fichte und Schelling, die er früher (in den zwei ersten Schriften) angriff. Die Philosophie beruht auf intellektueller Selbstschauung, sie ist eine Art von »Beschauung seiner selbst«, die Wissenschaft von der »ursprünglichen Gesetzmäßigkeit der gesamten Tätigkeit unseres Geistes oder von der Urform des Ich«. Die Philosophie ist »Urwissenschaft« und hat ein praktisches Ziel, »nämlich Friede in und mit sich selbst, Harmonie im Denken wie im Wollen, im Erkennen wie im Handeln«. Die obersten Gesetze des Denkens und Erkennens sind Gesetze der Tätigkeit des »reinen« oder »absoluten« Ich, welches eins ist mit der »reinen Menschheit«. Die apriorischen Formen sind keine bereitstehenden »Fachwerke«, sondern gesetzmäßige Handlungsweisen des Subjekts; a priori ist das »Ursprüngliche im. Ich, welches Bedingung aller Erfahrung ist«. Räumlichkeit und Zeitlichkeit sind »Kategorien der Sinnlichkeit«. Die »Kategorien des Verstandes« sind transzendentale Begriffe, welche die »ursprüngliche Denkform selbst« ausdrücken. Die Realität (das Sein) ist die »Urkategorie«.

Nach dem »transzendentalen Synthetismus« sind Ideales und Reales, Wissen und Sein, Subjektives und Objektives »ursprünglich gesetzt und verknüpft«; das Denken ist nicht aus dem Sein, dieses, nicht aus dem Denken ableitbar. Im Ich sind Wissen und Sein synthetisch geeint und von dieser Einigung muß die Philosophie ausgehen. Im Ich liegt die Quelle aller Materialprinzipien der philosophischen Erkenntnis und diese Prinzipien drücken »Tatsachen des Bewußtseins« aus. Die allgemeinste Bewußtseinstatsache ist: »Ich bin tätig«. Das oberste Formalprinzip ist: »Ich suche absolute Harmonie in aller meiner Tätigkeit«. Da das Subjekt nicht anders erkennen kann, als es seiner ursprünglichen Handlungsweise (der Urform des Ich) gemäß ist, so muß es, indem es einen Gegenstand auffaßt, den ihm dargebotenen Erkenntnisstoff[368] nach seiner eigentümlichen Tätigkeitsart gestalten und dadurch Erkenntnis erzeugen. Das »Ding an sich« ist unerkennbar, ist ein Grenzbegriff; die Dinge »affizieren« uns nur als erkennbare Gegenstände, nicht als Dinge an sich. Im übrigen stimmt K. ziemlich mit Kant überein.

SCHRIFTEN: Briefe über die Wissenschaftslehre, 1800. – Briefe über den neuesten Idealismus 1801. – Entwurf eines Organons der Philosophie, 1801. – Kalliope; 1805. – Geschmackslehre, 1810. – Dikäologie, 1817. – System der praktischen Philosophie 1817-19. – Fundamentalphilosophie, 1818; 3. A. 1827. – Handbuch der Philosophie, 1820; 3. A. 1828. – Logik, 3. A. 1827; 4. A. 1833. – Grundlage zu einer neuen Theorie der Gefühle, 1823. – Allgemeines Handwörterbuch der philos. Wissenschaften, 1827-31; 2. A. 1832-38. – Beiträge zur Geschichte der Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts, 1835-38. – Pisteologie, 1829, – Gesammelte Schriften 1830-41. – Meine Lebensreise, 1826; 2. A. 1842.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 368-369.
Lizenz: