La Mettrie, Julien Offroy de

[379] La Mettrie (Lamettrie), Julien Offroy de, geb. 1709 in St. Malo, studierte Medizin (auch, 1733, bei Boerhave in Leyden, von dem er beeinflußt wurde), war seit 1734 schriftstellerisch tätig, ging 1742 nach Paris, wurde Arzt bei den Garden, machte einige Feldzüge mit und wurde anläßlich eines Fiebers auf die große Abhängigkeit des Denkens vom Körper aufmerksam. Streitigkeiten mit seinen ärztlichen Kollegen zogen ihm Verfolgungen zu, seine Schriften erregten Ärgernis. In Leyden, wohin sich L. begeben hatte, verfaßte er seine Hauptschrift »L'homme machine«. 1748 berief ihn Friedrich der Große nach Berlin als Vorleser und Mitglied der Akademie; 1751 starb er in Berlin.

L., der von Boerhave, Descartes, Locke u. a. beeinflußt ist, verficht den anthropologischen Materialismus, zugleich den Atheismus, Sensualismus und Hedonismus. Die Ursachen des Lebens sind nach ihm rein körperlicher Art; das Organische geht aus dem Anorganischen hervor. Das Geistige wiederum ist vom Organismus durchaus abhängig. Seele und Leib bestehen nur zusammen, erstere wächst mit dem Leibe und nimmt mit ihm ab. Die Empfindung ist eine Funktion der Materie. Mit Arnobius nimmt L. an, daß ein einsam aufwachsender Mensch ohne Erziehung geistig leer sei. Aus Empfindungen stammt alles Denken und Wollen. – Der Mensch ist eine sehr zusammengesetzte »Maschine«. Der menschliche Körper ist »eine Maschine, die ihre Federn selbst aufzieht«. Die psychischen Zustände sind von den physiologischen und pathologischen Prozessen abhängig, wie L. an vielen Beispielen dartut. Je größer das Gehirn bei den Tieren, je feiner es organisiert ist, desto höher steht das Seelenleben. Die Gedanken entwickeln sich mit den Organen. Das Gehirn hat, »seine Denkmuskeln, wie das Bein seine Gehmuskeln«. Der Mensch ist[379] eine »Vereinigung von Triebfedern, die sich gegenseitig aufziehen«. Die Seele ist »nur ein Bewegungsprinzip oder ein empfindlicher materieller Teil des Gehirns«. Bewegung und Empfindung erregen sich wechselseitig. Freilich ist uns die Natur der Bewegung ebenso unbekannt wie die der Materie, aber daß der Mensch eine organisierte Maschine ist, steht fest, wie dies von den Tieren schon Descartes erkannt hat. Was mit der Maschine nach dein Tode geschieht, wissen wir nicht; eine »unsterbliche Maschine« ist möglich. Im Universum gibt es nur »eine einzige, verschieden modifizierte Substanz«.

Der Atheismus ist nicht nur möglich, sondern wohltätig; ein Staat von Atheisten würde der glücklichste sein. Das Wesen der Sittlichkeit liegt darin, den anderen nicht das zuzufügen, was sie uns nicht tun sollen. Nach Lust und Genuß strebt alles von Natur, nach sinnlichem oder geistigem Genuß.

SCHRIFTEN: Historie naturelle de l'âme, 1745. – L'homme machine, 1748; deutsch von Brahn, 1909 (Philos. Bibl.), – l'homme plante. 1748. – Réflexions sur l'origine des animaux, 1750. – L'art de jouir, 1751. – Vénus métaphysique ou essai sur l'origine de l'âme humaine, 1751. – Oeuvres philosophiques, 1751, 1774, 1796. – Vgl. F. A. LANGE, Geschichte des Materialismus. – PORITZKY, L., 1900.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 379-380.
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