Mauthner, Fritz

[458] Mauthner, Fritz, geb. 1849 in Horitz (Böhmen), bekannter Romanschriftsteller und Kritiker, lebt jetzt in Freiburg i. B.

M. vertritt einen sprachkritischen Skeptizismus (vgl. Gorgias, Nietzsche u. a.) verbunden mit einer evolutionistischen Auffassung des Erkennens und[458] Seelenlebens. Die Sprache ist wohl ein sozial brauchbares Mitteilungsmittel und ein Mittel des künstlerischen Ausdrucks, aber nicht ein Erkenntnismittel. Vielmehr verfälscht sie die Erkenntnis durch das Anthropomorphe und Metaphorische der Worte und Begriffe, und durch die Hypostasierung abstrakter Begriffsinhalte zu Realitäten. Die Sprache bewirkt in den Wissenschaften einen »Wortfetischismus«. Die Worte sind »unbrauchbare Werkzeuge«. Die Abstrakta der Sprache haben keine Wirklichkeit, die letzten Wirklichkeiten sind Individualitäten, Empfindungen, Anschauungsinhalte. Das Denken ist, aber ohne Sprache nicht möglich, es gibt nur Denken plus Lautzeichen. Begriff und Wort sind so gut wie identisch, nämlich das »Gedächtnis assimilierter Wahrnehmungen«, die »Erinnerung oder die Bereitschaft einer Nervenbahn, einer ähnlichen Vorstellung zu dienen«. Eine Metaphysik ist unmöglich, Philosophie kann nichts weiter sein als »kritische Aufmerksamkeit auf die Spreche«. Das höchste Ziel wäre Befreiung von der Sprache, reine Schaumig der Wirklichkeit. Unsere Erkenntnis ist subjektiv und relativ, sie dient biologischen Zwecken, nicht der adäquaten Erfassung der Dinge; unsere Sinne sind »Zufallssinne«. – Von M. beeinflußt ist G. Landauer.

SCHRIFTEN: Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3 Bde., 1901 ff.; I, 2. A. 1909. – Aristoteles, 1904. – Wörterbuch der Philosophie, 1909 f. – Spinoza, 1906. – Die Sprache, 1907, u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 458-459.
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