[579] Ramus, Petrus (Pierre de la Ramée), geb. 1515 in einem Dorfe in Vermandois, studierte in Paris, lehrte hier Philosophie und Rhetorik, trat 1562 zum Calvinismus über, lebte dann einige Jahre in Deutschland (Heidelberg) und in der Schweiz; 1572 wurde er (vielleicht auf Betreiben seines Gegners J. Charpentier) ermordet.
R., der von L. Vives u. a. beeinflußt und der durch das Studium Platons, Ciceros und Quintilians angeregt ist, bekämpft aufs heftigste den Aristoteles und besonders dessen Logik, welche der natürlichen Logik entgegengesetzt sei. Er selbst will die Logik (in Verbindung mit der Rhetorik) reformieren, sie von scholastischen Dunkelheiten und Subtilitäten befreien. Die Logik ist Dialektik, eine »ars disserendi«, Kunst des Vernunftgebrauchs beim Disputieren (»Dialectica virtus est disserendi, quod vi nominis intelligitur: dialegesthai enim et disserere unum idemque valent, idque est disputare, disceptare atque omnino ratione uti«). Der erste Teil der Logik ist die »Erfindungslehre« (de inventione; inventio argumentorum); sie handelt von der Aufsuchung der Gründe, aus denen sich eine Frage beantworten läßt (vom Begriff und der Definition). Der zweite Teil (»Secunda Petri«) handelt vom »Urteil«, vom Beweis für einen Satz. Beweisgründe lassen sich ans den Gemeinplätzen (»loci communes«) entnehmen. Das Urteil hat drei Stufen: Syllogismus, Methode und System, Aufstieg zu den Ideen und zu Gott.
Eine Zeitlang standen sich »Ramisten« und »Anti-Ramisten« gegenüber. Zu den ersteren gehören: J. Sturm, Th. Freigius, F. Fabricius, Scribonius,[579] Talaeus, W. Temple u. a., zu den letzteren: Carpentarius, Frischlin, Martini, Schegk, Scherb, Sepulveda, Scaliger u. a., »Semi-Ramisten« sind Alstedt, Goclenius u. a.
Schriften: Animadversiones in dialecticam Aristotelis, 1543. – Institutiones dialecticae, 1543 (Hauptwerk). – Scholarum physicarum libri VIII, 1565. – Scholarum metaphysicarum libri XIV, 1566, u. a – Vgl. CH. WADDINGTON, De P. Rami vita, scriptis, philosophia, 1849; Ramus, 1855.
Eisler-1912: Petrus Ramus