Roscelinus

[610] Roscelinus (oder Rucelinus), geb. in Compiègne, studierte in Soissons und Reims, lehrte als Kanonikus in verschiedenen Städten (Lehrer Abälards), 1092 mußte er auf dem Konzil zu Soissons seinen »Tritheismus« widerrufen. Außer einem Briefe an Abälard (vgl. die Abälard-Ausgabe von Cousin II) gibt es von ihm keine Schriften.

R. ist einer der Begründer des mittelalterlichen Nominalismus, nach welchem es in Wirklichkeit nur Individuen gibt; das Allgemeine, die Gattung ist kein Ding, sondern die Zusammenfassung gleichartiger Dinge durch einen gemeinsamen Namen. Nach Anselms Bericht (De fide trinit. 2) hätten die Nominalisten das Universale für einen bloßen »flatus vocis« gehalten. Der »Tritheismus« ergibt sich daraus, daß die drei göttlichen Personen im Sinne des Nominalismus drei Individuen, drei Substanzen sein müssen. Wie die Gattung ist nach dem Nominalismus auch der Teil als solcher nur eine Abstraktion, ein Zerlegungsprodukt (»nullam rem, sed solam vocem partes habere«).

Vgl. PICAVET, R., 1911.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 610.
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