Vives, Johannes Ludovicus

[790] Vives, Johannes Ludovicus, geb. 1492 in Valencia, studierte daselbst und in Paris, hielt sich u.a. in Brügge und Löwen auf, von 1523 bis 1528 jährlich in England, wo er Doktor der Rechte wurde und Vorlesungen hielt, gest. um 1540 in Brügge.

V. ist einer der bedeutendsten Gegner der Scholastik, obwohl er in metaphysischer Beziehung stark von Aristoteles beeinflußt ist, in der Ethik hingegen von Plato und der Stoa, während er in der Psychologie eine empirische Methode anstrebt, wie er auch sonst die Wissenschaft auf Natur und Erfahrung und auf selbständiges Denken verweist. In mancher Beziehung ist V. ein Vorläufer von Petrus Ramus, F. Bacon, Descartes.

Die Wissenschaften seiner Zeit kritisiert V. scharf, indem er die Gründe für ihren Verfall analysiert. In metaphysischer Beziehung betont V. den Begriff Gottes und der Schöpfung. Die Gottesbeweise beurteilt er ziemlich skeptisch und legt mehr auf die sittliche Grundlage des Gottesbewußtseins Wert. Die Dialektik (Logik) ist mit der Rhetorik zu verbinden und besonders ist die Lehre von der Erfindung und vom Urteil zu behandeln (vgl. Ramus), auch die Wahrscheinlichkeit nicht zu vernachlässigen. Die Psychologie hat sich nicht mit dem Wesen der Seele, sondern mit ihren Eigenschaften und Funktionen zu befassen, also auf innerer Beobachtung zu beruhen. Keine Erkenntnis steht höher als die psychologische (De anima et vita, praef.). Die Seele ist nach V. ein im organischen Körper wohnendes Agens (»animam esse agens praecipuum, habitans in corpore apto ad vitam«). Das Gefühl der Lust erklärt V. aus der Angemessenheit der psychischen Funktion (vgl. die Lehre von den Affekten, l. c. III, 146 ff).

Schriften: Sapiens, 1512. – Christi triumphus, 1514. – Gegen die Pseudodialektiker, 1519. – De initiis, sectis et laudibus philosophiae, 1518. – Satellitium animi, 1524. – De disciplinis, 1531 (mit: De prima philosophia, de censura veri, de instrumento probabilitatis u.a., 1531). – De anima et vita, 1539. – Opera, 1555; 1782-90 (8 Bde.). – Dialoge, deutsch von Brösing, 1897. – Vgl. F. A. LANGE, L. V. (in: Enzyklop. d. ges. Erziehungs- u. Unterrichtswesens, hrsg. von Schmid, IX, 1869). B. PADE, Die Affektenlehre d. J. L. V., 1894. – G. HOPPE, Die Psychol. des J. L. V., 1902. – BONILLA Y SAN MARTIN, L. V. (spanisch), 1903. – KATER, Vives u. s. Stellung zu Aristoteles, 1908.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 790.
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