1741[373] 419.

Friedrich hatte unerwartet einbrechend Schlesien in Besitz genommen und stand mit seinen Truppen an der oberschlesischen Grenze, als die Österreicher unter Neipperg mit unerhörter Kühnheit auf einer unbewachten Straße mitten unter den Preußen erschienen und sich an die noch in ihrer Hand befindlichen Festungen Neiße und Brieg anlehnend, der Hauptmacht unter dem König selbst den Rückzug verlegten. Es blieb Friedrich, wie er selbst nachher an Leopold von Dessau schrieb, »kein anderes Mittel übrig«, als den Feind anzugreifen. An Infanterie waren die Preußen fast um das doppelte (18000 gegen 9800) an Artillerie um fast das dreifache (53 Geschütze gegen 19) überlegen, an Kavallerie aber sehr viel schwächer (4600 gegen 6800)420. Infolge dieser Überlegenheit an Kavallerie stand die Schlacht bei Mollwitz (10. April) eine Zeit lang sehr zweifelhaft; die österreichischen Reiter hatten die preußischen vom Schlachtfelde fortgefegt und »alte Offiziere sahen«, wie Friedrich in seinen Denkwürdigkeiten schreibt, »den Augenblick kommen, wo dieses Korps ohne Munition sich würde ergeben müssen«. Um wenigstens den König persönlich zu retten, überredete ihn der Feldmarschall Schwerin, das Schlachtfeld zu verlassen und zu versuchen, ob er im Bogen um die Österreicher herum zu den preußischen Truppen gelangen könne, die noch weiter nördlich in Schlesien standen. Als aber der vermutlich stark aufgeregte König[373] entfernt war, gelang es Schwerin, die Infanterie und Artillerie wieder zum Vorgehen zu bringen, und die Österreicher mußten der Überlegenheit ihres unablässig rollenden Feuers weichen. Hatte die österreichische Kavallerie auch die preußische geschlagen, so hatte sie sich doch selber dabei zu sehr aufgelöst, um die fest geordnet bleibende Infanterie einzureiten.

Daß der rechte Flügel der Preußen dem linken voraus war hat auf den Aushang der Schlacht allem Anschein nach keinen Einfluß gehabt. Trotz dieser Niederlage hatte Neipperg Oberschlesien von den Preußen befreit und behauptete sich, angelehnt an die Festung Neiße, den ganzen Sommer in Schlesien, und Friedrich, obgleich seine Übermacht auf nicht weniger als 60000 gegen 25000 stieg, wagte nicht, ihn noch einmal anzugreifen421, vermochte auch nicht, ihn aus seinen festen Stellungen herauszumanövrieren, sondern suchte den Krieg politisch weiterzuführen, indem er die Franzosen gegen Maria Theresia in Bewegung brachte und sobald diese kamen, mit Neipperg den geheimen mündlichen Waffenstillstand von Klein-Schnellendorf abschloß, der ihm Neiße nach einer 14tägigen Scheinbelagerung überließ und die Abtretung vom Nieder- und Mittel-Schlesien versprach.

Im Generalstabswerk wird Neipperg sehr streng kritisiert und Friedrich gerühmt, weil er an einem Tage einmal vier Meilen marschiert ist und seine Operationen von vorn herein auf die taktische Entscheidung angelegt habe. Neipperg wird vorgehalten (S. 82), er habe sich ganz in den hergebrachten Bahnen der alten Schule bewegt. Man sieht, daß diese Kritik sehr stark vom preußischen Patriotismus beeinflußt ist. Neipperg hat mit seiner Mindermacht wahrhaft alles Menschenmögliche geleistet.


Sehr merkwürdig ist, wie es Neipperg gelang, sich bei Mollwitz auf die Rückzugsstraße der Preußen zu setzen. Friedrich war bereits aus der Umfassung heraus, als er (am 9., bei Pogarell) einen Ruhetag machte und Neipperg diesen Tag benutzte, bis Mollwitz zu marschieren und sich von Neuem den Preußen vorzulegen. Als Grund für das Liegenbleiben gibt der König in seinem Brief an den Dessauer[374] und in den Denkwürdigkeiten an, daß er in dem nassen Schneewetter nicht glaubte, seine Infanterie, d.h. das Feuergewehr, gebrauchen zu können; am folgenden Tag wollte es das Glück, daß das Wetter klar und heiter geworden war und wir haben gesehen, daß in der Tat das Infanteriefeuer das Entscheidende geworden ist. Im Generalstabswerk sind diese Verhältnisse, im Besonderen die Märsche, nicht richtig dargestellt.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 373-375.
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