V. Die Rechte des Gerichtshofes und das Prozeßverfahren.

Artikel 17:

[15] Der Gerichtshof hat das Recht:

a) Zeugen für die Hauptverhandlung zu laden, ihre Anwesenheit und Aussage zu verlangen und Fragen an sie zu richten,

b) den Angeklagten zu vernehmen,

c) die Beibringung von Urkunden und anderen Beweismaterialien zu verlangen,

d) die Zeugen zu vereidigen,

[15] e) Delegierte zwecks Ausführung von Aufgaben zu ernennen, die ihnen der Gerichtshof zuweist, einschließlich der Beweiserhebung kraft Auftrags.


Artikel 18:

Der Gerichtshof soll:

a) den Prozeß streng auf eine beschleunigte Verhandlung der durch die Anklage gemachten Punkte beschränken,

b) strenge Maßnahmen ergreifen, um jede Handlung zu vermeiden die eine unnötige Verzögerung verursachen könnte, und unerhebliche Fragen und Erklärungen jedweder Art ablehnen,

c) ungebührliches Benehmen durch Auferlegung von angemessenen Strafen zu bestrafen, einschließlich des Ausschlusses des Angeklagten oder seines Verteidigers, von einzelnen oder allen weiteren Prozeßhandlungen; die sachgemäße Erörterung der Beschuldigungen darf hierdurch nicht beeinträchtigt werden.


Artikel 19:

Der Gerichtshof ist an Beweisregeln nicht gebunden, er soll im weiten Ausmaß ein schnelles und nicht formelles Verfahren anwenden, und jedes Beweismaterial, das ihm Beweiswert zu haben scheint, zulassen.


Artikel 20:

Der Gerichtshof kann vor der Beweisantretung Auskunft über die Natur des Beweismittels verlangen, um über seine Erheblichkeit entscheiden zu können.


Artikel 21:

Der Gerichtshof soll nicht Beweis für allgemein bekannte Tatsachen fordern, sondern soll sie von Amts wegen zur Kenntnis nehmen; dies erstreckt sich auf öffentliche Urkunden der Regierung und Berichte der Vereinten Nationen, einschließlich der Handlungen und Urkunden der in den verschiedenen alliierten Ländern für die Untersuchung von Kriegsverbrechen eingesetzten Komitees, sowie die Protokolle und Entscheidungen von Militär- oder anderen Gerichten irgendeiner der Vereinten Nationen.


Artikel 22:

Der ständige Sitz des Gerichtshofes ist Berlin. Die ersten Sitzungen der Mitglieder des Gerichtshofes und der Generalstaatsanwälte finden in Berlin in einem von dem Kontrollrat für Deutschland zu bestimmenden Ort statt.

Der erste Prozeß findet in Nürnberg statt, der Gerichtshof entscheidet darüber, wo die folgenden Prozesse stattfinden.


Artikel 23:

[16] Einer oder mehrere der Generalstaatsanwälte können die Anklage im Prozeß vertreten. Die Aufgaben eines Generalstaatsanwaltes können von ihm persönlich oder von einer oder mehreren von ihm bevollmächtigten Personen ausgeübt werden.

Die Verteidigung des Angeklagten kann auf dessen Antrag von jedem übernommen werden, der berechtigt ist, vor den Gerichten seines Heimatlandes als Rechtsbeistand aufzutreten, oder durch jede andere, vom Gerichtshof besonders mit der Verteidigung betraute Person.


Artikel 24:

Die Verhandlung soll folgenden Verlauf nehmen:

a) Die Anklage wird verlesen.

b)Der Gerichtshof fragt jeden Angeklagten, ob er sich schuldig bekennt oder nicht.

c) Die Anklagebehörde gibt eine einleitende Erklärung ab.

d) Der Gerichtshof fragt die Anklagebehörde und die Verteidigung, ob und welche Beweismittel sie dem Gerichtshof anzubieten wünschen, und entscheidet über die Zulässigkeit jedes Beweismittels.

e) Die Zeugen der Anklagebehörde werden vernommen. Nach ihnen die der Verteidigung. Danach wird der vom Gericht als zulässig erachtete Gegenbeweis seitens der Anklagebehörde oder Verteidigung erhoben.

f) Der Gerichtshof kann jederzeit Fragen an Zeugen oder Angeklagte richten.

g) Anklagebehörde und Verteidiger sollen jeden Zeugen und Angeklagten, der Zeugnis ablegt, verhören und sind befugt, sie im Kreuzverhör zu vernehmen.

h) Sodann hat die Verteidigung das Wort.

i) Nach ihr erhält die Anklagebehörde das Wort.

j) Der Angeklagte hat das letzte Wort.

k) Der Gerichtshof verkündet Urteil und Strafe.


Artikel 25:

Alle amtlichen Urkunden müssen in englischer, französischer und russischer Sprache, sowie in der Sprache des Angeklagten vorgelegt werden und die Verhandlung muß in diesen Sprachen geführt werden. Das Verhandlungsprotokoll soll soweit in die Sprache des Landes, in dem der Gerichtshof tagt, übersetzt werden, als es der Gerichtshof im Interesse der Gerechtigkeit und der öffentlichen Meinung für wünschenswert hält.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 15-18.
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