II. Sabbatianische Quellen.

[431] Ausführliche und beglaubigte Berichte von sabbatianischer Seite gibt es fast gar nicht. Die Sabbatianer scheinen nicht genug Talent für die Komposition eines Evangeliums besessen zu haben. Es gibt nur Surrogate dafür.

1. Abraham Cuenqui, ein gefeierter Kabbalist und Sendbote aus Hebron, welcher Reisen in Deutschland und Polen gemacht hat, Verfasser von drei Schriften kabbalistischer Schriftdeutung: םיכרד קבא, ferner קבא םירפוס und תואנק תחנמ (Asulaï II, s.v.)11 war ein Kryptosabbatianer. Auf Verlangen eines Gesinnungsgenossen in Frankfurt a.M. zeichnete er um 1689 seine Jugenderinnerungen über S. Zewi, den er in Hebron gesehen, auf. Jakob Emden hat diese Relation in seinen תואנקה תרות unter dem Titel ישילש ספוט oder ישילש חסונ, p. 16-21 aufgenommen. Durch Unvorsichtigkeit sind aber in der Hschr. dieser Denkwürdigkeiten einige Blätter teilweise verbrannt, so daß der Zusammenhang öfter unterbrochen ist. Diese Relation ist voll von Abenteuerlichkeiten und Wundern.

2. Baruch d'Arezzo. Eine fließend geschriebene Geschichte des Sabbatianismus unter dem Titel ןורכז לארשי ינבל von geringem Umfange, handschriftlich in der Michaelschen Sammlung Nr. 836: השעמ 'וכו ןורכז רוצ ןב ףסויו יבצ יתבש, in der Günzburgschen Handschriftensammlung (defekt) und in der Almanzischen Bibliothek Nr. 204. In dieser Handschrift allein ist der Name des Autors genannt: וציראמ ךורב ’רל, Baruch d'Arezzo. Allzu zuverlässig ist diese Quelle keineswegs; der Verfasser erweist sich als ein eifriger Anhänger des Pseudomessias, glaubte an alle Wundermären und stand dem Schauplatze fern. Nur wo sie mit anderen Quellen übereinstimmt, oder wo sie Nachteiliges von ihrem Heros tradiert, ist sie zu gebrauchen.

3. Sendschreiben eines anonymen Sabbatianers an einen Samuel de Pagas, erst jüngst aus einer Wiener Handschrift ediert von N. Brüll (in der hebräischen Zeitschrift von Weiße שרדמה תיב, Jahrg. 1865, p. 64 ff. und p. 100) unter dem Titel: בתכה, oder ןינעב בתכמ תוהלאה דוס. Der Herausgeber hat den Inhalt verkannt und ihn als eine Polemik gegen die Sabbatianer betrachtet, während er eine Apologie für S. Zewi ist. Dieses Sendschreiben hat Abraham Michael Cardoso zum Verfasser, wie weiter unten (Note 4) nachgewiesen ist. Es enthält zwar nicht viel Geschichtliches, aber es ist von großer Wichtigkeit für die Erkenntnis der sabbatianischen Theorie, von der man bisher keine Ahnung hatte. Auch das Treiben seiner Jünger und Anhänger wird durch diese Schrift erst recht klar.

[431] 4. Einige handschriftliche Piecen, die ich der Güte des gründlichen Kenners der jüdischen Literatur S. J. Halberstamm in Bielitz verdanke, der sie mir mit seltener Freundlichkeit offeriert und zur Benutzung überlassen hat. Ich bezeichne diesen Kodex durch Ms. Halberstamm A. (zum Unterschiede von einem zweiten über Chajon und andere sabbatianische Sektierer, Ms. Halberstamm B.). Dieser Kodex (128 Bl., kl. Quart) enthält: a) Sendschreiben an das Smyrnaer Rabbinat vom Jahre 1668; es ist ebenfalls von Abraham Michael Cardoso, einem eingefleischten Sabbatianer (s. Note 4). b) Sabbatianische Apokalypsen von Mardochaï Eisenstadt (s. Note 4). c) אזר ה"רימאל אתונמיהמד, d.h. ודוה םורי ונכלמ ונינדאל = d.h.S. Zewi, eine wichtige Bekenntnisschrift der Sabbatianer (Bl. 21-24 und wiederholt Bl. 95-99; siehe darüber Note 6). d) Sendschreiben des Pseudopropheten Nathan Ghazati an Raphael Joseph, den jüdischen Finanzminister in Kairo (Bl. 32). e) Fünf mystische Zeugnisse über Sabbataï Zewi אתונמיהמד אתודהס vom Jahre 1668 (Bl. 71-74). In der Überschrift heißt es: הז ובתכ ימ עדונ אלו הקוחר ץראמ אבש בתכח. Es ist in der Umgebung Sabbataïs geschmiedet worden. Dazu noch ein mystischer Kommentar. f) Eine wichtige untergeschobene Apokalypse über Sabbataïs Messianität (Bl. 78-79), welche Jakob Sasportas zum Teil mitgeteilt hat. g) םינינתח שורד von Nathan Ghazati. h) Ein schlechtes hebräisches kabbalistisches Gedicht von S. Zewi (Bl. 109 b–110); es heißt in der Überschrift: תנווכמ תאצמנו אפילחל םשמו אניטנטסוקל ונינודאמ החלשנ םדא םושל התוא הארה אלש איבנה ןתנ ברה רמוא היהש התואכ. i) Ein Sendschreiben des kabbalistischen Rabbiners Benjamin Kohen von Reggio an E. Heschel in Wilna d.d. 1691 mit einer Anfrage, ob die Zeit S. Zewis für die Erlösungszeit zu halten sei (Bl. 110-112). k) Ein tadelndes Schreiben über den Kabbalisten Mose Zacut (Bl. 112-113). l) Ein wichtiges Schreiben Cardosos über S. Zewi (Bl. 113-119). Außerdem finden sich noch darin wertlose kabbalistische Träumereien.

5. Die Günzburgsche Sammlung enthält ebenfalls viele Piecen, teils von Nathan Ghazati, teils von Chajim (Vita) Segre aus Casale, einem der drei Sendboten aus Italien nach Smyrna, die sich von S. Zewis Messianität vergewissern sollten. Obwohl sie unverrichteter Sache und beschämt zurückkehrten, da sie gerade zur Zeit seiner Apostasie in Smyrna angekommen waren, so blieb Ch. Segre (Abbrev. ס"ח = םייח ירגיס) doch heimlich diesem Wahne zugetan. Indessen enthält diese Sammlung, soweit ich sie übersehen konnte, und wie mir der Günzburgische Bibliothekar Senior Sachs versichert, nur wenig Faktisches, meistens nur lurjanisch-sabbatianische Kabbala. Das wenige Faktische gehört der Sabbatianischen Apostelgeschichte an.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1897], Band 10, S. 431-432.
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