Der Norden und Westen des Peloponnes

[261] Es erübrigt noch, einen Blick auf die nichtdorischen Teile des Peloponnes zu werfen. Daß die ältere Bevölkerung im Innern in den Gebirgen und Hochebenen Arkadiens ihre Selbständigkeit bewahrte, ist schon erwähnt. Am Nordabhang der arkadischen Berge, in den kleinen Tälern und Strandflächen des Aigialos am korinthischen Meerbusen finden wir die »Achäer«. Ihre Sprache [261] ist wie die der von ihnen ausgegangenen Achäer Unteritaliens ein dem dorischen verwandter Dialekt und von dem Arkadischen aufs schärfste geschieden. Dürfen wir diese Tatsache damit in Verbindung setzen, daß auch im phthiotischen Achaia ein der nordwestgriechischen Sprachgruppe angehöriger Dialekt gesprochen wurde, und annehmen, daß die »Achäer« des Peloponnes gleichfalls aus Mittelgriechenland gekommen sind, vielleicht zur Zeit der Dorischen Wanderung? Die Lösung des Rätsels scheint gegenwärtig noch unmöglich (vgl. Bd. II 1, 280.). Sicher ist nur, daß die Achäer des Peloponnes im Altertum ihrer Nationalität nach niemals zu den Doriern gerechnet worden sind.

Klarer sehen wir in Elis. Der Sage nach nahmen die Dorier infolge eines Orakels beim Zug nach dem Peloponnes den Ätoler Oxylos zum Führer und gaben ihm zum Lohn dafür die Herrschaft über Elis. Umgekehrt lassen andere Erzählungen den Ätolos aus Elis auswandern, so daß dann seine Nachkommen unter Oxylos in die ursprüngliche Heimat zurückkehren und sie den Epeern und Pyliern, welche die Ilias in Elis nennt, entreißen (Ephor. fr. 115. 122 J. Pausan. V 1, 8). Daß, wie die Alten durchweg behaupten, die Elier ätolischen Ursprungs sind, scheint unzweifelhaft. Auch im elischen Dialekt scheint eine Mischung zugewanderter nordgriechischer und einheimischer altpeloponnesischer Bestandteile vorzuliegen. Das Eindringen der ätolischen Bevölkerung fällt gewiß in dieselbe Zeit wie die Dorische Wanderung und steht mit ihr in engerem Zusammenhang. Die Eroberer, die im Epos unter dem Namen Epeier erscheinen – erst jüngere Konstruktion hat die Epeier zu Vorgängern der ätolischen Elier gemacht425 –, setzten sich im Gebiet des Peneos, dem »hohlen Elis«426 [262] fest und suchten von hier aus nach allen Seiten vorzudringen, nach Osten gegen das wohl von Arkadern bewohnte bergige Hinterland, die Akroreia, nach Norden gegen die Achäer (Ol. 28 gegen Dyme, u. S. 500f.), nach Süden gegen das Hügelland zu beiden Seiten des Alpheos, die Landschaften Pisa und Paroreatis. Ein Gedicht der Ilias kennt bereits den Alpheos als Grenze der Elier und erzählt, wie die Pylier, die Bewohner des Küstengebietes vom Alpheos bis weit nach Messenien hinunter, die später Triphylier genannt werden, durch einen Kriegszug des Herakles geschwächt, zwar in der Regel den Epeern oder Eliern keinen Widerstand leisten und ihre ausstehenden Schulden nicht zurückerhalten können, aber doch einmal unter Nestors Führung den Feinden eine große Herde abfangen, einen Angriff auf die Grenzburg Thryoessa südlich vom Alpheos abwehren und weit in elisches Land hinein vordringen, freilich ohne dauernden Erfolg (Λ 671ff.) – eine Erzählung, die zwar in die Zeit der Könige Augias von Elis und Neleus von Pylos versetzt ist, aber deutlich gleichzeitige Verhältnisse schildert. Die Niederlage durch Herakles weist vielleicht auf die Schwächung und Zurückdrängung der Triphylier durch die Dorier hin. Nur in den Küstenorten scheinen sie sich behauptet zu haben; auch ist es sehr möglich, daß damals manche pylische Geschlechter nach Ionien ausgewandert sind (S. 242). – Die Elier sind ein Hirtenvolk, die Zahl und Güte ihrer Herden wird in allen Sagen gepriesen, während sie sonst nicht gerade viel Rühmliches von ihnen zu erzählen haben. Aber ihre Landschaft bildet eine Einheit; und eben dadurch waren sie ihren vielleicht kultivierteren und betriebsameren Nachbarn auf die Dauer überlegen. Seit dem Anfang des 8. Jahrhunderts ist die pisatische Landschaft ständig in ihrem Besitz, sie feiern hier am Alpheos das Fest des olympischen Zeus, die Bewohner der Dörfer von Pisa sind tributpflichtige Periöken427, die sich freilich noch oft genug der fremden Oberhoheit zu entziehen suchen und wiederholt auch die Leitung des olympischen Festes zurückgewinnen428 (u. S. 410. 499).


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 261-263.
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