Krieg mit Makedonien. Abfall Potidäas

[12] König Perdikkas von Makedonien hatte den Athenern den Krieg erklärt, weil diese seinem Bruder Philippos und dessen Genossen, Derdas und seinen Brüdern, Schutz gewährten (Bd. IV 1, 724.). Um Bundesgenossen zu gewinnen, knüpfte er mit Sparta und Korinth Verhandlungen an; vor allem aber suchte er die griechischen Städte auf dem Rumpf der Chalkidike nördlich von [12] der Halbinsel Pallene (Olynth u.a.) und die hier ansässigen Bottiäer (Hauptstadt Spartolos) zum Abfall von Athen zu verlocken. Die meiste Aussicht für seine Pläne bot das auf dem schmalen Isthmos von Pallene gelegene Potidäa, eine Kolonie Korinths, die trotz ihrer Zugehörigkeit zum attischen Reich die Beziehungen zur Mutterstadt gewahrt hatte und von hier alljährlich Aufsichtsbeamte (ἐπιδημιουργοί) erhielt. Die Athener hatten von diesen Intrigen Kunde; sie erließen daher an Potidäa die Aufforderung, mit Korinth zu brechen, Geiseln zu stellen und die Mauer auf der Südseite niederzulegen, so daß Athen die Stadt nötigenfalls leicht besetzen konnte (Herbst 433). Der Versuch, der Gefahr zuvorzukommen, hat nur den Ausbruch beschleunigt. Potidäa fühlte sich in seiner geschützten Lage stark genug, Athen zu trotzen; es erhob durch Gesandte Gegenvorstellungen, verhandelte aber zugleich mit Korinth und Sparta. Darüber verging der Winter; daher erhielt, als im Juni 432 eine attische Expedition von 30 Schiffen und 1000 Hopliten unter Archestratos gegen Makedonien in See ging, dieser zugleich den Auftrag, die Durchführung des Befehls zu erzwingen. Als er ankam, fand er den Abfall bereits vollzogen. Potidäa war stark befestigt; die Chalkidier und Bottiäer im Norden des Isthmos gaben auf Perdikkas' Rat ihre kleinen Ortschaften auf, rissen ihre Mauern nieder und siedelten nach Olynth zusammen. Die attischen Truppen waren zu schwach, um hier etwas auszurichten; sie gingen daher gegen die makedonische Küste vor, um Philippos zu unterstützen, der von Norden her den Perdikkas angriff; sie eroberten Therme (j. Saloniki) und wandten sich dann gegen die makedonische Hafenstadt Pydna am Fuß des Olymp12.

[13] Potidäa hatte in Korinth und Sparta die feste Zusage erhalten, man werde es nicht im Stich lassen; und wenigstens Korinth hat sein Versprechen erfüllt. Ein Korps von 1600 Hopliten und 400 Leichtbewaffneten, Freiwillige und peloponnesische Söldner, war angeworben; die Führung übernahm Aristeus, der Sohn des Adeimantos, des korinthischen Admirals in der Schlacht bei Salamis. Anfang August traf er in Potidäa ein, ohne daß die Athener seinen Marsch hatten hindern können. Auf die Kunde davon entsandten sie 40 Schiffe und 2000 Hopliten unter Kallias, dem Sohne des Kalliades, und vier anderen Strategen, die sich mit dem ersten vor Pydna liegenden Korps vereinigten. Die Einnahme der Stadt gelang nicht; daher schlossen sie mit Perdikkas einen Vertrag und warfen sich nun mit voller Kraft auf Potidäa, unterstützt durch starken Zuzug aus dem Bundesgebiet13 und 600 Reiter des Philippos. Aristeus und die Potidäaten hatten auf dem Isthmos im Norden der Stadt Stellung genommen; Perdikkas, der sofort nach dem Abzug der Athener wieder in den Krieg eingetreten war, deckte Olynth mit 200 Reitern und einigem Fußvolk und beabsichtigte eventuell den Athenern in den Rücken zu fallen. Kallias sandte seine makedonische Reiterei gegen sie und ging selbst gegen Potidäa vor. Er fiel im Kampfe, und sein linker Flügel wurde von Aristeus zersprengt; aber das Gros der feindlichen Truppen wurde vollständig geschlagen und nach Potidäa zurückgeworfen (Ende September)14. Darauf wurde die Stadt auf der Nordseite und bald darauf durch einen weiteren von Athen entsandten Nachschub von 1600 Hopliten [14] unter Phormio auch von Süden her durch einen Belagerungswall eingeschlossen. Aristeus gelang es, aus der Stadt zu entkommen; er organisierte den kleinen Krieg, der während des Winters mit wechselndem Erfolg geführt wurde, und sandte zugleich dringende Hilfsgesuche nach dem Peloponnes. Der Hauptteil des Rumpfes der Halbinsel war den Athenern verloren; dagegen behaupteten sie die Ostküste (Akanthos, Stagiros, Argilos) und die drei Landzungen, die, so lange sie mit einer starken Flotte anwesend waren, ganz in ihrer Gewalt waren15. Im Jahre 431 kehrte Phormio mit seinen Truppen nach Athen zurück; die Belagerung Potidäas wurde mit 3000 Mann weitergeführt16.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 51965, Bd. 4/2, S. 12-15.
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