Die ägyptischen Eroberungen: Nubien, Libyen, Syrien

[78] Die Wiedergewinnung Nubiens, sowohl des Niltals wie der Goldminen in dem Berglande des Ostens, ist im wesentlichen von Amosis und Amenophis I. durchgeführt worden, in wiederholten Kämpfen mit den nomadischen Bedjastämmen des Wüstengebirges, den Trogodyten (Iuntiu), die die friedlichen nubischen Bauern immer von neuem mit Raubzügen heimsuchten. Als dann beim Thronwechsel ein Aufstand ausbrach, hat Thutmosis I. bei den Stromschnellen von Tangur, oberhalb des zweiten Katarakts, den Durchzug durch das »böse Wasser«, durch das die Schiffe geschleppt werden mußten, forciert, und in heftigem Kampf den Trogodytenhäuptling mit dem Pfeil erlegt; seine Leiche wurde mit dem Kopf nach unten am Bug des Königsschiffes aufgehängt und nach Karnak gebracht. Durch diesen Feldzug122 ist, weit über die von Sesostris III. gewonnene Grenze bei den Festungen Semne und Kumme oberhalb des zweiten Katarakts hinauf (Bd. I, 287 a), der langgestreckte fruchtbare Distrikt von Dongola123 »bis zum Lande Kari« (d.i. dem [79] Gebiet von Napata) dem Reich einverleibt und die Grenze bis ans »Horn der Erde« vorgeschoben, die unwegsame, völlig öde Felslandschaft, in der sich der Nil auf eine Strecke von 25 Meilen durch die Granitmassen des vierten Katarakts hindurchzwängt; weiter nach Süden in den Sudân sind die Ägypter zwar, wie wir jetzt wissen, zur Zeit des Alten Reichs, aber später nie wieder vorgedrungen. Am nördlichen Eingang des Tals von Dongola, oberhalb des dritten Katarakts, wo an den Felsen des Ostufers, gegenüber der Insel Tombos, fünf Stelen die Macht des Königs verkünden, erbaute Thutmosis I. eine Festung »zur Abwehr der rebellischen Barbaren, der Trogodyten Nubiens«124. Auch den von Sesostris I. durch die Felsen des ersten Katarakts gegrabenen Kanal hat er wiederhergestellt, so daß die Nilflotte hier ungehindert vordringen konnte. Der weit gewaltigere zweite Katarakt dagegen ist zu Wasser unpassierbar; somit wird man in Obernubien eine besondere Nilflotte gehalten haben, soweit nicht die Schiffe über Land hierhin geschleppt werden mochten. Auf diesen Landweg, der durch die Festungen von Semne und Kumme geschützt war, war natürlich auch der gesamte Warenverkehr einschließlich der Tributlieferungen angewiesen. Zum Landesgott wird neben Dodun, dem alteinheimischen Gott Unternubiens, Sesostris III., der Eroberer und Kolonisator des Landes (Bd. I, 287 a) erhoben, in Napata am »heiligen Berge«, dem isoliert aufragenden Massiv des Gebel Barkal, dem Amon von Theben eine Filiale gegründet.

Ganz Nubien ist schon von Amenophis I. als einheitliche Provinz Kusch125 organisiert worden, der auch die südlichsten Gaue Ägyptens, von Nechen (Hierakonpolis bei Elkab) an, zugefügt wurden. Das Oberhaupt der Verwaltung ist ein hoher Beamter mit dem Titel »Königssohn von Kusch und Vorsteher der Südlande«; ihm sind sowohl die Bauern der seßhaften Negerbevölkerung des Flußtals wie die Häuptlinge[80] der Nomaden unterstellt, er hat die Abgaben und die Erträgnisse der Goldminen zu erheben und abzuliefern, und auch die Soldtruppen aus den Bedjastämmen, die Maẕoi, auszuheben oder anzuwerben126.

Auch an der Westgrenze ist es gelegentlich zu Kämpfen mit den libyschen Stämmen (den Zeḥenu) gekommen, so unter Amenophis I. mit den Kahak; in der Regel aber scheint Ruhe geherrscht zu haben127. Die »Sandbewohner« – dieser Name (Ḥeriuša') scheint jetzt nicht mehr die syrischen Beduinen (Bd. I, 266), sondern die Bewohner der Sahara zu bezeichnen128, – bringen alljährlich ihren Tribut nach Theben; von den Zeḥenu129 erhält Königin Ḥatšepsut 700 Elefantenzähne [81] sowie Pantherfelle; auch die Oasen sind abgabepflichtig und werden wie die Gaue Ägyptens von Grafen verwaltet130.

Auf asiatischem Boden hat König Amosis gleich nach der Einnahme von Auaris durch die nach dreijähriger Belagerung gelungene Eroberung von Šaruḥan im Süden Palaestinas, jenseits der Sinaiwüste131, festen Fuß gefaßt und diesen Ort zu einer starken Festung ausgebaut132. Später133 hat dann [82] Amosis noch einen Feldzug gegen das Land Ẕahi, der Küstenlandschaft Phoenikiens134, unternommen, durch den der ägyptische Machtbereich wesentlich erweitert worden ist.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 78-83.
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