Die Kriege Thutmosis' III.

[120] Ḥatšepsut hat mehr als zwanzig Jahre lang (1501-1480) die Regierung geführt226. Ob sie eines natürlichen Todes gestorben ist oder ob ihr jetzt längst zu voller Manneskraft herangewachsener Bruder und nomineller Gemahl sie beseitigt hat, wissen wir nicht; jedenfalls aber hat Thutmosis III. ihr Andenken mit erbittertem Haß verfolgt, ihren Namen und ihr Bild auf allen Denkmälern, die er erreichen konnte, sorgfältig zerstören lassen, um so zugleich ihr Fortleben nach dem Tode zu vernichten, und sie teils durch den eigenen Namen, teils durch den seines Vaters Thutmosis I. oder seines Adoptivvaters ersetzt – wie er auch sonst gleich nach dem Antritt seiner Alleinherrschaft seine Vorfahren durch Erneuerung [120] ihrer Statuen geehrt hat227; die Obelisken, welche sie in Karnak aufgerichtet hatte, hat er durch einen hohen Umbau den Blicken des Beschauers vollständig entzogen228 und durch eigene überboten. Das gleiche Schicksal traf den Senmut und nicht wenige andere ihrer Günstlinge229; offenbar ist auf ihren Tod ein blutiges Strafgericht über ihre Werkzeuge gefolgt, die dem neuen Herrscher bisher den Weg versperrt hatten.

Der Sturz der alten Regierung führte zu einem vollen Umschwung der Politik. Ḥatšepsut hatte Kriege vermieden; sie konnte ihren feindlich gesinnten Bruder und Gatten nicht an die Spitze einer Armee stellen. Aber in dem neuen Herrscher lebte der kriegerische Geist seines Vaters und seiner Vorfahren; lange zurückgehalten, trat er jetzt umso kräftiger hervor.

Durch das friedliche Verhalten der Königin war die ägyptische Herrschaft über Syrien größtenteils verloren gegangen. »Von Jurşa (an der Westküste Palaestinas, südlich von Joppe) bis zu den Enden der Erde (d.h. bis nach Mesopotamien)«, sagt Thutmosis III. im Eingang seiner Annalen, »ging man daran sich gegen seine Majestät zu empören«230. Nur der äußerste Süden Palaestinas, mit Gaza und der Festung Šaruḥan (o. S. 82), wurde von den ägyptischen Truppen [121] behauptet, und auch die phoenikischen Küstenstädte haben offenbar an der Rebellion nicht teilgenommen231. An die Spitze der Erhebung trat der Fürst von Qadeš; das kann nur die große Festung am Orontes sein, die auch später als ein Hauptsitz des Widerstandes erscheint, nicht die Bergstadt in Galilaea. Zur Abwehr des Angriffes »sammelte er um sich die Großen aller Lande, die unter Botmäßigkeit Ägyptens gestanden hatten, bis nach Naharain (Mitani), nämlich ...232, die Choriter, die Qedu, ihre Kriegswagen und Mannschaften.«

Alsbald nach Ergreifung der Alleinregierung, zu Beginn des Frühlings (Anfang April greg.) brach Thutmosis III. mit seinem Heer von Sile, der Grenzfeste Ägyptens, auf. Zehn Tage später feierte er in Gaza am 4. Pachons, dem ersten Tage seines 23. Regierungsjahrs, das Thronbesteigungsfest; am folgenden Tage überschritt er die Grenze und gelangte in elf Tagen nach dem Ort Jehem233 am Fuß des Höhenrückens des Karmel. Der Fürst von Qadeš hatte an seiner Nordseite in der großen Schlachtenebene Palaestinas Stellung [122] genommen, den rechten Flügel an die starke Festung Megiddo gelehnt, den linken weiter nach Südosten bis Ta'anak ausgedehnt, da er den Angriff von hier aus erwartete.

Der Kriegsrat, den Thutmosis berief, riet, die feindliche Stellung entweder im Norden oder im Süden auf einer der bequemen Paßstraßen zu umgehn; aber der König entschied sich, entgegen diesen Warnungen, zu einem direkten Vormarsch auf Megiddo durch den Engpaß von 'Aruna (im Wadi 'Ara), obwohl hier »Pferd hinter Pferd und Mann hinter Mann« marschieren mußte und die lange Kolonne daher durch einen Angriff von den Höhen herab stark bedrängt werden konnte. Er empfand mit klarem Feldherrnblick, was ein kühnes Vorgehn bedeutete: »sollen die Feinde denken: schlägt seine Majestät einen anderen Weg ein? Da fürchtet er sich vor uns!« Er selbst setzte sich an die Spitze des Marsches, und es gelang ihm, seine Armee ohne Kampf aus dem Paß herauszuziehn. Der König von Qadeš beabsichtigte eine Defensivschlacht am Ausgang der Pässe und wollte die dafür gewählte starke Stellung nicht auflösen. Thutmosis lagerte sich südlich von Megiddo am Bache Qina (jetzt Wadi es Sitt), unmittelbar dem feindlichen Lager gegenüber; den nächsten Tag (Anfang Mai greg.) bestimmte er zur Schlacht. Den linken Flügel hatte er nach Nordwesten vorgeschoben, den rechten an den Bach Qina gelehnt; so war den Feinden die Flucht abgeschnitten. Dem Ansturm der ägyptischen Krieger und Streitwagen vermochten die Syrer nicht standzuhalten; in eiliger Flucht suchten sie sich in die Stadt zu retten und ließen Wagen und Rosse sowie die Lagerzelte mit ihren Schätzen den Angreifern zur Beute; da die Tore geschlossen waren, wurden die Fürsten von Qadeš und Megiddo nebst anderen Flüchtlingen an ihren langen Gewändern über die Mauern gezogen. Hätten die Soldaten nicht angefangen zu plündern, erklärt Thutmosis, so hätte die Stadt sogleich genommen werden können. Jetzt mußte sie belagert werden; denn »die Einnahme von Megiddo ist soviel wert wie die von tausend Städten, da alle rebellischen Häuptlinge hier [123] versammelt sind«. Megiddo wurde durch eine mächtige mit Holzbalken verkleidete Umwallung eingeschlossen und durch Hunger zur Ergebung gezwungen. Der Fürst von Qadešs war entkommen, aber sein Harem fiel in die Hände der Ägypter. Die um Gnade flehenden Dynasten wurden gnädig aufgenommen und gegen die Verpflichtung zu regelmäßiger Tributzahlung in ihre Ortschaften entlassen. Die gesamte Kriegsrüstung fiel in die Hände der Ägypter, darunter 924 Kriegswagen und 2041 Stuten nebst 191 Füllen und 6 Hengsten, dazu zahlreiche Kostbarkeiten und Hausrat aller Art. Die Ernte der Ebene von Megiddo wurde beschlagnahmt und zur Verpflegung des ägyptischen Heeres verwendet.

Mit berechtigtem Stolz durfte der König sich des Sieges rühmen; er hat eine ausführliche Darstellung dieses Feldzugs an den Wänden des Tempels von Karnak aufzeichnen lassen. Für seine zahlreichen weiteren Kriegszüge dagegen beschränkt sich die urkundliche Darstellung, die überdies nur lückenhaft erhalten ist, auf knappe und vielfach ganz unzureichende Auszüge aus den im Archiv niedergelegten Annalen, die durch sonstige Erwähnungen in den Königsinschriften sowie in der Biographie des Offiziers Amenemḥeb nur recht mangelhaft ergänzt werden234. So erfahren wir gleich über die Fortsetzung des ersten Feldzugs nur, daß er ins Libanongebiet vorgerückt ist und hier drei Orte – Jenn'am, Anogas und Ḥerenkaru235 – dem Fürsten von Qadeš entrissen und dem Amon von Theben geschenkt hat. Auch hier fiel reiche Beute in seine Hände: unter den 2503 Gefangenen waren 43 Marjanna [124] und 87 Fürstenkinder. Zur Sicherung der ägyptischen Herrschaft wurde inmitten der Fürsten des Libanon eine Festung mit dem Namen »Thutmosis bezwingt die Barbaren« erbaut. Dann kehrte der König heim, um in Theben die Siegesfeste zu feiern und dem Amon durch reiche Geschenke aus der Beute den Dank darzubringen.

Durch diese Erfolge war die ägyptische Herrschaft in Palaestina und dem Libanongebiet236 sowie dem Hauptteil Phoenikiens wiederhergestellt; Erhebungen sind hier in der Folgezeit kaum noch wieder vorgekommen. Die Widerstandskraft des Fürsten von Qadeš dagegen war trotz seiner Niederlage noch ungebrochen, und ins nördliche Syrien war Thutmosis überhaupt noch nicht gelangt. Hier hatte um dieselbe Zeit der Mitanikönig Sauššatar eingegriffen und das Reich von Aleppo, das bis dahin ein Vasallenstaat der Chetiter war (o. S. 101), seiner Oberhoheit unterworfen237. Auch nach Osten, gegen Assyrien, wird er schon jetzt seine Macht ausgedehnt oder neu befestigt haben. Um so willkommener war [125] das Vordringen der Ägypter dem König von Assur; gleich im nächsten Jahre sandte er Blöcke von Blaustein als Huldigungsgabe an den Pharao.

Thutmosis III. ist fast in jedem Jahre nach Syrien gezogen238, hat aber, soweit wir sehn können, von einem Angriff auf das schwer zu bezwingende Qadeš zunächst abgesehn. Dagegen versuchte er, von der phoenikischen Küste aus, deren Städte und Dynasten sich, wie es scheint, ohne ernstlichen Widerstand gefügt haben, durch das Eleutherostal den Zugang zum Orontes und nach Nordsyrien zu gewinnen. Hier lagen in der breiten und fruchtbaren Mündungsebene und auf den Höhen zu beiden Seiten zahlreiche befestigte Ortschaften, wohl alle unter eigenen Dynasten. Von Osten her griff der König von Tunip ein, einer bedeutenden Stadt, die vielleicht in Kal'at el Ḥöşn am Südostrande des Noşairiergebirges gesucht werden darf239. Er unterstützte die kleineren Städte und hatte in die (sonst nicht bekannte) Festung Uarzet eine Garnison (tuhir, o. S. 102, 3) gelegt. Auf dem fünften Feldzug wurde diese von Thutmosis erobert; die gefangene Mannschaft betrug 329 Mann, was von den Dimensionen dieser Kriege und der Kleinheit der Festungen ein anschauliches Bild gibt240. Dann wurden zwei reich beladene Schiffe aufgebracht, [126] und auf dem Rückmarsch das Gebiet der Stadt Ardata241 ausgeplündert; in den üppigen Quartieren in Phoenikien (Ẕahi, o. S. 83,1) konnten die Soldaten sich an der reichen Beute gütlich tun, »sie waren trunken und mit Öl gesalbt jeden Tag wie an einem Festtag in Ägypten«. Im nächsten Jahre wurde das Gebiet von Qadeš verwüstet und ebenso das von Şimyra (nördlich vom Eleutheros) und von Ardata. Im Jahre 31 gelang es, hier »in einer kurzen Stunde« die Stadt Ullaza zu nehmen; unter den 494 Gefangenen – dazu 13 Kriegswagen mit 26 Rossen – war auch ein Sohn des Fürsten von Tunip, der auch hier als der Organisator des Widerstandes erscheint.

Vermutlich haben sich jetzt die meisten Dynasten dieses Gebiets unterworfen und, wie das schon im Jahre 30 von den Großen von Rezenu berichtet wird, ihre Söhne oder Brüder als Geiseln gestellt, damit der Pharao, wenn einer der Dynasten starb, aus ihnen den Nachfolger entnehmen könne. So hat Thutmosis im Jahre 33, auf seinem achten Feldzug, den Angriff auf Mitani (Naharain) unternehmen können242. Ernstlichen Widerstand fand er nirgends; die ägyptische Streitmacht war offenbar den asiatischen militärisch weitaus überlegen und galt als unbesiegbar. Er konnte bis an den Euphrat vordringen, den Strom weithin abwärts befahren243 und die Ortschaften [127] an den Ufern einnehmen, ihre Felder verwüsten. »Wie Rudel Wildes in den Bergen flohen sie immer weiter, niemand wagte zurückzublicken.« Am Ostufer des Stromes stellte er seine Siegesstele neben die seines Vaters (o. S. 104), und ebenso eine zweite auf dem Rückmarsch bei Nî (o. S. 101) »zur Erweiterung der Grenzen Ägyptens«. Dieser Erfolg machte auf die Nachbarstaaten gewaltigen Eindruck; wie der König von Assur244 sandte jetzt auch der von Sinear (ägypt. Sangar) eine Huldigungsgabe von »8 Pfund echten, 24 Pfund künstlichen Blausteins und Blaustein von Babel«, und »das große Chetiterland« »8 Silberringe im Gewicht von 41 Pfund, zwei große weiße Steinblöcke und kostbares Holz«. Darin tritt der Gegensatz gegen Mitani deutlich zutage; so mag ein vorübergehender Erfolg, den der Chetiterkönig Dudchalia gegen Aleppo und Mitani errang (o. S. 125, 2), in diese Zeit gehören. Im nächsten Jahre (34) wurde die Unterwerfung der Küstengebiete (Ẕahi) fortgeführt und im Lande Nuchasse – der Landschaft des mittleren Orontesgebiets zwischen den Gebieten von Kinza (Qadeš) und von Aleppo245 – zwei Städte [128] erobert, während eine andere sich gutwillig ergab. In den Hafenstädten nahm der König, wie in jedem Jahre, die Waren und vor allem das Bauholz in Empfang, welche die Seeschiffe brachten. Durch den Besitz der Küsten war die Meerherrschaft begründet; so hat auch der König von Cypern246 fortan regelmäßig Huldigungsgeschenke gesandt, vor allem gewaltige Massen von Kupfer und Blei.

Beendet freilich war die Unterwerfung Syriens damit keineswegs. Im Jahre 35 brachte der König von Naharain ein größeres Heer zusammen, wurde aber bei Ar'ana völlig geschlagen. Auch hier ist die Beute des Heeres lehrreich: 10 Gefangene, 60 Wagen und 80 Rosse und ein paar Rüstungen und Waffen, darunter zwei vom König selbst erbeutete. Im Grunde können alle diese Schlachten doch nur Scharmützel gewesen sein, wie so manche z.B. zwischen den griechischen Städten; man wird sich die Heeresmacht, die ausreichte, um Syrien zu erobern und in Untertänigkeit zu halten, nicht klein genug vorstellen können.

Aus den nächsten Jahren sind die Berichte verloren. Im Jahre 38 finden wir den König wieder in Nuchasse, das sich jetzt völlig unterwirft; in den Amarnabriefen beruft sich Adadnirari von Nuchasse darauf, daß Manachbija (verschrieben für –birija), d.i. Mencheperrija' Thutmosis III., seinen Großvater Taku zum König in Nuchasse gemacht und Öl auf seinen Kopf gegossen habe247. Aus dem nächsten Jahr hören wir von einem Kampf gegen die Šos, also gegen Beduinen, die in Palaestina eingebrochen waren; das ist vermutlich identisch mit dem Kampf im Negeb, dem Karstlande im Süden des Gebirges [129] Juda, mit dem die Biographie des Amenemḥeb den Bericht über dessen Kriegstaten beginnt. Die beiden folgenden Jahre – wo der »König des großen Chetiterlandes« wieder einmal Silber schickte – sind friedlich verlaufen; im Jahre 42 dagegen kam es wieder zu größeren Kämpfen. Offenbar hatte der König von Mitani den Versuch gemacht, in Verbindung mit dem von Kinza (Qadeš), seine Herrschaft über Nordsyrien wieder aufzurichten, und den Anschluß der lokalen Dynasten gewonnen; in die Hauptfestungen hatte er seine Truppen geworfen. Über den Verlauf des Feldzuges berichtet Thutmosis nur ganz knapp: »Der König war auf der Küstenstraße (also in Phoenikien), um die Stadt 'Arqat (an einem Bach im Süden der Eleutherosebene, noch jetzt 'Arqâ, in den Amarnabriefen Irqat) zu verwüsten, nebst den Städten ihres Gebiets.« Das gleiche Schicksal erlitt ein Ort ... kana und dann Tunip: im Gebiet von Qadeš wurden drei Städte genommen und die in ihnen liegende Besatzung des Fürsten von Naharain gefangen, 691 Männer und Weiber und 48 Rosse248.

Damit schließt, nach der üblichen Aufzählung der Tribute dieses Jahres249, die Annaleninschrift des Königs. Wie man sieht, hält sich der letzte Feldzug, von dem sie berichtet, innerhalb eines engbegrenzten Gebiets; von einer Wiederunterwerfung Nordsyriens bis an den Euphrat, von einer Eroberung von Tunip und Qadeš ist in ihm keine Rede. Es ist klar, daß noch weitere Feldzüge gefolgt sein müssen, für die Aufzeichnungen an den Tempelwänden nicht vorliegen,[130] vermutlich weil der dafür bestimmte Saal dafür keinen Raum mehr bot; und es ist ja ohnehin äußerst unwahrscheinlich, daß die letzten zwölf Jahre des kriegerischen Königs tatenlos verlaufen sein sollten. Die Ergänzung bietet die Biographie des Amenemḥeb250. Nach dem Kriege im Negeb erzählt er von einem Feldzug nach Naharain, bei dem es wiederholt zu Kämpfen kam, so »auf dem Hochland von U'an westlich von Chaleb (Aleppo)« und bei Karkemiš am Euphrat, wo er auf dem Ostufer mehrere Feinde gefangennahm und über den Fluß vor den König schleppte. Hierher gehört auch eine zweite Jagd des Königs bei Nî auf 120 Elefanten, bei der er »am Wasser zwischen den beiden Felsen stehend« dem einen, der den König angriff, den Rüssel abhieb. Es folgt ein Kampf bei Sinzar (jetzt Kal'at Seidjar) am Orontes. Damit war Qadeš (Kinza) isoliert, und so kann jetzt endlich die Belagerung und Eroberung dieser Hochburg des Widerstandes unternommen werden. Die tapfersten Krieger wurden gegen eine – offenbar hinter einer Bresche – neu aufgerichtete Mauer vorgeschickt, Amenemḥeb hat als der erste sie durchbrochen. Weiter erfahren wir noch von einem Kampf in einem Gebiet, dessen Name zerstört ist, und von einem weiteren [131] in der coelesyrischen Landschaft Tachas251, bei dem ein Ort Mero genommen wurde.

Wie sich diese Kämpfe auf die einzelnen Jahre verteilen, läßt sich nicht sagen; es mögen daneben auch noch manche andere vorgekommen sein, bei denen Amenemḥeb nicht beteiligt war oder sich nicht auszeichnete. Man sieht, wie mühselig, im Gegensatz zu der raschen Überrennung durch Thutmosis I., die wirkliche Unterwerfung Syriens und seine Einverleibung in das Weltreich gewesen ist, begreiflich genug bei der Kleinheit der Heere, die nur wenige Sommermonate hindurch im Felde stehn konnten, und bei der Schwierigkeit, die zahlreichen Festungen zu nehmen, so leicht man auch ihr Gebiet verwüsten und ausplündern konnte. Aber der Sohn ist ganz methodisch vorgegangen und hat mit beharrlicher Ausdauer sein Ziel erreicht. Bei seinem Tode war, wie die Amarnabriefe bezeugen, ganz Syrien bis zu der Küstenstadt Ugarit weit im Norden, etwa in der Gegend der Orontesmündung, und bis zum Euphratknie hinauf, einschließlich von Nî, unterworfen. Auch der Fürst von Qadeš ist fortan ein Vasall des Pharao, und der von Tunip übergibt ihm, wie die anderen Dynasten, seinen Sohn zur Aufziehung am Hofe in Theben252. In einem Schreiben der Amarnabriefe (59), in [132] dem sie nach dem Tode des Akitešub um Zusendung seines Sohnes bitten, erwähnen die Bewohner von Tunip die Einnahme der Stadt durch Manachbirija (Thutmosis III., vgl. o. S. 129); auch die ägyptischen Götter haben hier eine Kultstätte erhalten, und das gleiche wissen wir von Uarzet (o. S. 126), wo Thutmosis dem Amon und dem Ḥar'achte in deren Kultstätte ein Opfer bringt.

Mit dem Mitanireich ist offenbar ein Abkommen geschlossen worden, bei dem ihm der Norden Syriens mit Aleppo überlassen blieb253. So konnten sich zwischen beiden Staaten freundschaftliche Beziehungen bilden, die sich in der Folgezeit immer intimer gestalteten. Dadurch wurde es dem Sauššatar möglich, Assyrien in volle Abhängigkeit zu bringen. Aus dem Vertrage seines Ururenkels mit dem Chetiterkönig Subbiluljuma (um 1360) ersehn wir, daß er aus Assur eine Tür aus Silber und Gold fortgeführt und nach Wasuganni, der wahrscheinlich im Quellgebiet des Chaboras gelegenen Hauptstadt seines Reichs, in seinen Palast gebracht hat. Fortan ist Assur dem Mitanikönig tributpflichtig254. So erklärt [133] es sich, daß unter den Steintafeln, die hohe Beamte Assyriens (wohl durchweg Eponymen) in einem kleinen Tal vor der Stadtmauer von Assur als ihr »Bild« errichtet haben – in Wirklichkeit Gedächtnismale, auf denen statt des Bildes eine Inschrift in viereckigem Rahmen ihre Persönlichkeit verewigt255 –, zwei von Söhnen und eine von dem Urenkel eines »Vezirs (sukallu rabû) des Königs von Chanigalbat« stammen, die Statthalter der assyrischen Provinzen Ninive und Kudmuch256 gewesen sind257. Daraus ergibt sich, daß die Patesis von Assur in dieser Zeit (von denen wir denn auch nichts als die nackten Namen kennen) ganz unter der Botmäßigkeit der Könige von Mitani gestanden haben. Daher können diese auch über die Göttin Ištar von Ninive verfügen und sie, um ihre Heilkraft zu bewähren, nach Ägypten schicken258. Eine weitere Bestätigung bietet, daß auf den Siegelzylindern aus Assur und aus Kerkûk, die dieser Epoche angehören, die »chetitischen« Motive ganz dominieren259.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 120-134.
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