Frühzeitiges Schulamt.

[31] Eigentlich eine Fortsetzung der Studentenjahre, nur mit der Pflicht, zu lehren. Ganz vortreffliche Freunde: Stange, geborener Naturforscher; Heydler, Archäolog, philosophirend; Poppo, guter Gräcist, imponirend durch Gelehrsamkeit und frühe Reife. Ein neuer großer Moment: Eintritt in den preußischen Staat, dem meine Heimath indessen zugeschlagen worden war. Mittagsessen mit jungen Staatsbeamten, geistig regsame Bureaukratie. Turner, Erscheinung von Jahn. Innigste Freundschaft und doch Gegensatz mit dem leichter erregbaren Bruder Heinrich. Wir waren uns, als er in Halle studierte, wenn wir einander besuchten, in den Studien allgemeiner Art nahe gekommen. In der Religion war ich damals noch positiver, als er. Nun aber erst begannen die allgemeinen historischen Studien; sie knüpften zunächst an die philologischen an. Die alten Historiker wurden methodisch durchgelesen. Ich glaubte auch Xenophon zu fassen. Ganz neu waren mir die griechischen Historiker über die römische Geschichte. An der Hand der lateinischen ging ich dann auf das Mittelalter über. Alle Compendien wurden verschmäht. Die Ausgabe der lateinischen[31] Historiker des Mittelalters von Hugo Grotius gab den ersten Begriff von Gothen und Langobarden. Die Bibliothek besaß eine Anzahl der Scriptores rerum Germanicarum; da lernte ich das deutsche Kaiserthum kennen. Für das spätere Mittelalter fand ich altfranzösische Quellen. Meine ganze Theilnahme erweckten die Zeiten des 15. und angehenden 16. Jahrhunderts: hier nahm ich meinen Standpunkt, um mein erstes Buch zu verfassen. Ich war bereits sechsundzwanzig Jahre geworden. – ....

Fußnoten

1 Ranke hat in sein Notizbuch nach die Thatsache eingetragen, daß sowohl Israel wie Andreas R. in Biering's Clerus Mansfeldicus (von 1742), der Hauptquelle für die obigen Angaben, als aus Wettin gebürtig bezeichnet werden.


Quelle:
Ranke, Leopold von: Zur eigenen Lebensgeschichte. Leipzig 1890, S. 32.
Lizenz: