Adonis

[65] ADONIS, idos, Gr. Ἄδωνις, ιδος, ( Tab. VI.)

1 §. Name Diesen leiten einige von ἄδειν, sättigen, her, weil er das Samengetraide seyn soll, welches uns mit Brote und dergleichen sättige. Phurnut. de Nat. Deor. c. 28. Besser aber wird er von dem Ebräischen Adon hergeleitet, welches einen Herrn bedeutet, wovon auch Gott den Namen Adonai hat. Voss. Theol. Gentil. lib. II. cap. 4.

2 §. Aeltern und Geburt. Nach einigen ist er des Cinyras, Königes in Cypern, und der Metharnes, nach andern des Phönix und der Alphesiböa, und nach den dritten, des Thoas, Königes in Assyrien, und der Myrrha Sohn gewesen. Apollodor. lib. III. c. 13. §. 14. Die gemeinste Meynung aber ist, daß Myrrha, des Cinyras und der Cenchreis Tochter, von der Venus aus Rache, weil ihre Mutter sich ihr an Schönheit vorgezogen, verleitet worden, daß sie sich in ihren leiblichen Vater verliebet habe; und da sie solcher Liebe nicht widerstehen können, sich aber auch selbige nicht wollen merken lassen, so habe sie sich selbst umbringen, und mit einem Stricke das Leben nehmen wollen. Ihre Amme aber, welche darzu gekommen, und endlich die Ursache solcher Verzweifelung mit großer Mühe erfahren, habe es dergestalt gekartet, daß endlich Myrrha, als ein fremdes Frauenzimmer, des Cinyras theilhaftig geworden. Als aber solcher gern wissen wollen, wer sie sey, und bey erhaltenem Lichte gesehen, [65] daß sie seine eigene Tochter sey, so habe er sie zu ermorden getrachtet, und sie daher mit bloßem Schwerte bis in einen Wald, nach andern aber bis in eine Insel, und nach den dritten, bis in Arabien verfolget. Hieselbst sey sie endlich aus Erbarmung der Götter in einen Baum ihres Namens verwandelt worden, habe aber dennoch auch so noch zu ihrer Zeit den Adonis geboren. Ovid. Metam. lib. X. v. 298 sqq. & Lactantius Narrat. lib. X. Fab. 9. Conf. Regius ad Ovid. l. c. Einige geben hierbey vor, daß ihr Lucina geholfen; Ovid. l. c. andere aber, daß ein wildes Schwein den Baum aufgeritzet; Servius ad Virgil. Eclog. X. v. 18. und die dritten, daß Cinyras, ungeachtet er schon die seltsame Verwandelung derselben gesehen, dennoch aus Zorn und Rache noch mit dem Schwerte in dieselbe gehauen, und also eine Wunde gemachet, durch welche Adonis können geboren werden. Fulgent. Mythol. lib. III. c. 8.

3 §. Auferziehung. Leben und Tod. So bald er geboren war, nahmen sich die Nymphen seiner an, und zogen ihn auf, Servius ad Virg. Eclog. X. v. 18. und, weil er ungemein schön war, so steckete ihn Venus, aus Liebe zu ihm, in einen Kasten, und setzete ihn also vor die Proserpina. So bald ihn diese nur erblickete, so wollte sie ihn auch für sich behalten; und, als es dießfalls zum Zanke, und von solchem zu Jupiters Entscheidung kam, so theilete er sich selbst, den einen Theil des Jahres zu, den andern der Proserpina, und den dritten der Venus, welchen Adonis bey einem jeden von ihnen seyn sollte. Allein, es wendete sich Adonis darauf selbst wieder von dem Jupiter ab, und widmete dessen Zeit auch der Venus. Apollodor. lib. III. c. 13. §. 4. Andere hingegen melden, daß Jupiter die Muse, Calliope, zur Richterinn gesetzet, welche ihn sechs Monate der Venus, und eben so lange der Proserpina zugesprochen. Hygin. Astron. lib. II. c. 7. & Schol. Theocr. ad Idyll. III. v. 48. Wenigstens liebete ihn erstere ganz besonders, und, weil er ein sonderbarer Liebhaber der Jagd war, so ermahnete [66] sie ihn gar inständig, sich ja an keine grimmige Thiere zu machen. Ovid. Metam. lib. X. v. 560. seqq. & Lact. Nar. lib. X. Fab. 10. Weil aber Mars die Venus auch liebete, und daher nicht vertragen konnte, daß sie ihm den Adonis vorzog, so verwandelte er sich selbst in ein wildes Schwein, und stieß also demselben auf der Jagd auf, welcher denn durch dessen Erlegung eine sonderbare Ehre zu erlangen suchete, und sich folglich an ihn machete, allein, so empfangen wurde, daß er selbst mit dem Leben bezahlen mußte. Servius l. c. Als Venus solches erfuhr, so machete sie sich in größter Eile nach ihm zu, ihm annoch zu helfen. Wie aber solches zu spät war, so verwandelte sie ihn in eine Anemone: und, da sie sich selbst darbey in einem Rosenstrauche dergestalt ritzete, daß das Blut darnach gieng, so wurden die vormals weißen Rosen dadurch in rothe verwandelt. Ovid. Me tam. l. c. v. 716. seqq. & Regius ad eumd. v. 727. Wenigstens soll doch besagte Bluhme, die Anemone, aus dessen Blute hervor gewachsen seyn, Nic. ap. Schol. Theocr. ad Idyll. V. v. 92. wenn er ja nicht selbst in dieselbe verwandelt worden. Nach einigen liebete ihn auch Herkules, wofür Venus den Nessus zur Liebe gegen dessen Gemahlinn verleitete, und dem Herkules damit endlich sein schmähliges Ende zuzog. Ptol. Hephæst. lib. II. p. m. 309. Eben diese wollen auch wissen, daß nicht Mars, sondern Apollo, sich in das wilde Schwein verwandelt, das ihn umgebracht, weil Venus des Apollo Sohn, Erymanthus, des Gesichtes beraubet, da er sie ungefähr baden gesehen, nachdem sie ihre, Zusammenkunft mit solchem Adonis gehabt hatte. Id. lib. I. p. m. 306.

4 §. Verehrung. Er hatte nicht allein seinen Tempel mit der Venus zugleich zu Amathunte in Cypern; Pausan. Bæot. c. 41. sondern es befand sich auch zu Argos unter dem Tempel des erhalters Jupiters eine Zelle, worinn ihn die Frauen zu gewisser Zeit beweineten. Id. Corinth. c. 19. So wurden ihm auch zu Ehren die Adonia gefeyret, und sonst mehr göttliche Ehre erwiesen; [67] Nat. Comes lib. V. c. 16. wie er denn so gar von den Assyriern, Phöniciern, und auch von den abgöttischen Jüden unter dem Namen Thamuz vert ehret wurde. Gyrald. Syntagm. XIII. p. 412. itemque Io. Ludov. Vives ad Augustin. de C. D. lib. VI. c. 7. & Voss. Theol. Gent. lib. II. c. 4. Indessen aber achtete ihn doch Herkules keinesweges deren würdig. Denn als dieser dereinst zu Dio die Leute häufig aus seinem Tempel kommen sah, so wollte er auch in denselben gehen, und seine Andacht dem Gotte erweisen. Er fragete aber erst, wessen Tempel es sey; und da er hörete, daß es des Adonis seiner sey, so sagete er: οὐδὲν ἱερὸν, kein Tempel, und giengalso nicht in denselben. Schol. Theocr. ad Idyll. V. 21.

5 §. Bildung. Er wird als ein schöner anmuthiger Jüngling vorgestellet, der hinter der Venus fleht, und den fliegenden Schweif ihrer Kleidung auf eine angenehme Art zusammen nimmt. Philostr. ap. Pom. Panth. P. I. p. 85. welches man aber beym Philostratus selbst nicht findet.

6 §. Vermeynte wahre Historie. Einige wollen, daß unter ihm niemand, als Moses, verborgen stecke: Huetius Demonstrat. Evangel. Propos. IV. c. 3. §. 3. Hingegen ziehen andere alles auf eine eigentliche Historie und sagen, es habe sich Cynnor oder Cinyras einst ziemlich berauschet; und, als ihn Myrrha, seine Tochter, mit ihrem Sohne, dem Adonis, darauf in einer unziemlichen Stellung schlafen gefunden, so habe sie es ihrem Manne, dem Ammon, gesaget, der es dem Cinyras wieder hinterbracht. Dieser habe sich darüber dergestalt ereifert, daß er die Myrrha nebst ihrem Sohne verfluchet, und dadurch gemacht, daß sie sich beyde nach Arabien, mit der Zeit aber nach Aegypten begeben, und als Ammon gestorben, habe Adonis solches Reich überkommen. Hierbey habe er sich eifrigst angelegen seyn lassen, solches bestermaßen anzubauen, und dabey mit seiner Gemahlinn, der Assante, oder Isis, in größter Liebe und Einigkeit gelebet. Als er aber einst der Jagd auf dem Berge Libanon nachgegangen, sey er von einem wilden [68] Schweine tödtlich verwundet worden, und, da das Geschrey davon nach Aegypten gekommen, so habe man ihn wirklich als todt beweinet. Indessen wurde er dennoch von dem Cocytus, einem guten Arzte, glücklich wieder curiret, und die Freude darüber, daß er noch lebete, war desto größer, so, daß man deren Andenken beyzubehalten ein besonderes Fest angestellet, in welchem man ihn erst als todt beklaget, hernach aber sich über ihn, als einen, der wied, lebendig geworden, höchst erfreuet bezeuget. Und da er hernach auch wirklich in einer Schlacht geblieben, so habe ibn Assante mit unter die Götter setzen lassen, Banier Entret. VII. ou P. I. p. 176. seq. unter welchen er denn eben der seyn soll, der anderwärts Osiris genannt wird. Marsham. Canon. Chron Secul. I. p. m. 31. & Voss. Theol. Gent. Eb. II. c. 10.

7 §. Anderweitige Deutung. Einige deuten ihn auf den Samen des Getraides, der ungefähr die halbe Zeit des Jahres als todt unter der Erde liegt, die übrige aber als lebendig über der Erde sich befindet. Phurnut. de N.D. c. 28 & Schol. Theocr. ad Idyll. III. v. 48. Hingegen deuten ihn andere auf die Sonne, und deren Abwechselungen mit dem Sommer und Winter, da sie dort die obern Zeichen durchläuft, und also gleichsam beständig über der Erde ist, hier aber die untern 6 Zeichen durchgeht, und also gleichsam unter der Erde ist. Macrob. Saturnal. lib. I. c. 21. Daß ihn Venus geliebet, soll bemerken, daß die Geilheit gern der Schönheit nachgehe; und, wenn ihn ein wildes Schwein endlich erleget, soll es andeuten, daß die Venuslust endlich von dem Alter zernichtet werde, Masen. Spec. Verit. occul. c. XXIII. n. 6. oder auch Venusbübchen sich nicht auf die Jagd machen sollen, welche starke und beherzte Leute erfordere. Daß er auch in seiner ersten Jugend umgekommen, soll anzeigen, wie vergänglich des Menschen Schönheit sey; Omeis Mythol. in Adonis. und da hiernächst ehemals die wilden Thiere, die in seinen Tempel gekommen, so gleich zahm geworden, Ael. H. A. lib. XII. c. 23. [69] soll andeuten, daß, wenn wilde Menschen in den Tempel des Adonis, das ist, der Sonne, oder, wie diese wieder gedeutet wird, der wahren Weisheit kommen, sie ihre Wildheit und Unart ablegen, dargegen aber zahm und wohl gesittet werden. Masen l. c.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 65-70.
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