Aglavros

[146] AGLAVROS, i, Gr. Ἄγλαυρος, ου, ( Tab. XXVII.) eine von des Cekrops, Königes zu Athen, dreyen Töchtern, wovon die andern beyde Herse und Pandrosus hießen Paus. Att. c. 2. Diesen gab Minerva den Erichthonius in einem vermachten Körbchen aufzuheben, mit dem ernsten Befehle, ja nicht darnach zu sehen, was darinnen verborgen sey. Als sie es aber dennoch, und zumal auf Anregen der Aglauros, thaten, wurden sie von der Koronis verrathen, und von der Minerva dergestalt unsinnig gemachet, daß sie sich endlich alle dreye ins Meer, Hyg. Fab. 166. Cf. Ovid. Met. II. v. 551. sqq. oder, nach andern, von dem Schlosse zu Athen herab stürzeten Paus. l. c. Jedoch wollen auch einige, daß sie endlich in einen Stein verwandelt worden sey. Denn als Mercurius ein Auge auf ihre Schwester, die Herse, geworfen, so erwählete er sie zur Unterhändlerinn, da sie ihm denn auch ihre Dienste versprach, wenn er ihr eine ziemliche Summe Geldes dagegen geben würde. Ob ihr nun wohl Mercurius solche verhieß, so verdroß dennoch ihr Geiz und Schnödigkeit die Minerva dergestalt, daß sie den Neid vermochte, sich aus seinem Aufenthalte nach Athen zu machen, und der Aglauros, da sie schlief, mit der Hand über die Brust zu fahren. Als solches geschehen war, so wurde sie voller Neid und Misgunst gegen ihre Schwester; und da Mercurius zu solcher wollte, so setzete sie sich ihm in den Weg, mit der Bedeutung, daß sie nicht eher aufstehen werde, als bis er wieder [146] hinweg sey; welcher denn auch ungehalten über sie wurde, und sagete, daß sie wohl sitzen bleiben sollte, worauf sie denn auch so fort zu einem Steine wurde, und also beständig sitzen blieb. Ovid. Met. II. v. 708–832. Nichts desto weniger aber wurde sie hernachmals in so fern göttlich mit verehret, daß sie ihren besondern Tempel zu Athen hatte, in welchem die jungen Leute, so bald sie mannbar wurden, in voller Rüstung einen Eid ablegeten, daß sie jederzeit bis auf den Tod für ihr Vaterland sechten wollten. Demosth. ap. Voss. Theol. Gent. lib. I. c. 13. So führete von ihr auch der eine Tribus der Athenienser den Namen Ἀγραυλή. Steph. Byzant. in Ἀγραυλή. Ob sie im übrigen aber eigentlich Agraulus, oder Aglaurus geheißen, ist noch sehr ungewiß, da sie auf erstere Art Apollodorus, Antigonus, Pollux, Hesychius, u.a. auf letztere aber Ovidius, Pausanias, Lactantius, Placidus, u.a.m. nennen. Muncker. ad Hygin. Fab. 166. & Cnipping. ad Ovid. l. c. v. 739. Jedoch da solcher Namen von ἀγρὸς ager, und ἀυλὴ, aula. zusammen gesetzet seyn soll, und folglich eine bedeutet, die gern auf dem Felde ist, de Pinedo ad Steph. Byz. l. c. so dörfte erstere Schreibart leicht für die beste angesehen werden. Es wird aber ihre Fabel also gedeutet, daß Minerva oder die Weisheit, allen Geiz und dergleichen Schnödigkeit heftig hasse, misgünstige Leute gleichsam zu Steinen und Unmenschen werden; und, da Mercurius, als der Gotter Bothe, eine gute Unterweisung bemerke, soll Herse die Seele eines Menschen, Aglaurus aber dessen Fleisch und Blut, mit ihren bösen Neigungen bedeuten, die aber auch ersterben und zu Steine werden müssen, wenn die Seele die gute Unterweisung annimmt. Omeis Mythol. in Aglaurus.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 146-147.
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Hederich-1770: Aglavros [1]