Ammon

[213] AMMON, ónis, Gr. Ἄμμων, ωνος.

1 §. Namen. Den Namen dieses ägyptischen Gottes, welcher insgemein [213] für der Griechen Ζεὺς, und der Römer Jupiter gehalten wird, führen einige her von ἄμμος, der Sand, weil er zuerst in einer Sandwüsten gesehen worden, Festus lib. VIII. p. 1155. oder auch, weil sein vornehmster Tempel und sein Orakel in einer dergleichen Gegend lag; Voss. Etymolog. in Ammoniacum. Andere leiten ihn von dem ägyptischen Worte Amun, Ammum, oder Ammus, welches eben so viel, als der Griechen Ζεὺς heißen, Herodot. L. II. sect. 42. sonst aber verborgen bedeuten soll; Voss. Theol. gentil. lib. I. c. 27. wiewohl es vielmehr aus dem Verborgenen ans richt bringen, den Sachen Licht und Glanz geben, hell und glänzend seyn, heißen soll. Iablonski Panth. Aegypt. T. I. p. 180. sqq. die dritten aber von Ham, Cham des Noah Sohne; Id. ib. & Marsham. Can. Chron. Sæc. I. p. 30. Cf. de Pinedo ad Steph. Byz. in Ἀμμωνία, & Hesych. in Ἀμμοῦς. die vierten, von dem ebräischen Worte Chamah, die Sonne, Voss. ll. cc. und die fünften von dem persischen Worte Achaman, Ios. Scaliger ap. Voss. Etymol. l. c. und ist es übrigens fast einerley, ob man Ammon oder Hammon schreibe. Voss. Etymol. l. c. p. 28. & Emmeness. ad Virg. Aen. IV. v. 198.

2 §. Aeltern. Dafern er eine Person mit dem Cham oder Ham ist, so ist auch der Vater desselben Noah, und, wie man will, die Mutter Tithea, Scipio Sgambart. ap. Fabr: Cod. Pseudepigr. V. T. p. 274. oder Naema, Rich. Smon. ap. eumd. l. c. bekannt genug; oder, wenn er der Griechen Ζεὺς und der Lateiner Jupiter ist, so weis man auch, daß der Vater Saturn und die Mutter Rhea gewesen seyn soll. Apollod. lib. I. c. 1. §. 3. Allein, weil solches dennoch nur Muthmaßungen sind, zumal da die Aegyptier nichts anders, als die Sonne darunter sollen verstanden haben: Iablonski l. c. p. 165. sqq. so sind sie hier eben nicht zu melden.

3 §. Stand und Thaten. Er war König eines Theils von Libyen, oder Africa, und hatte die Rhea, des Cölus Tochter, und Schwester des Saturns, zur Gemahlinn. Als er aber einsmals in seinem Königreiche umher zog, so [214] traf er auch ein ungemein schönes Frauenzimmer, die Amalthea an, mit welcher er den Dionysus oder Bacchus zeugete, ihr aber ein Stück Land verehrete, welches wegen seiner krummen Lage und ungemeinen Fruchtbarkeit, das Cornu Amaltheæ genannt wurde, Ammon fürchtete sich indessen vor seiner Frauen Eifersucht, und schaffete den Dionysus heimlich in die Stadt Nysa. Diod. Sicul. lib. III. c. 68. Allein, da dieser sich mit der Zeit sehr hervor that, und Rhea ihn gern gefangen gehabt hätte, Ammon aber keine Luft dazu hatte, so schied sie sich von ihm, und verheurathete sich dagegen wie der an ihren Bruder, den Saturn, welchen sie auch zu einem harten Kriege wider den Ammon aufbrachte, worinnen dieser letztlich den Kürzern zog, und endlich gar nach Creta entfliehen mußte. Id. ib. c. 71. Indem aber die Titanen, oder Saturns Brüder, ihn hier auf suchten, so kam ihm Minerva und Dionysus mit einem guten Heere zu Hülfe; und, da es zur Schlacht gerieth, so wurden die Titanen aufs Haupt geschlagen, worauf aber auch so wohl Ammon, als Dionysus, von den Menschen hinweg, und unter die Götter genommen wurden. Id. ib. c. 73. Als hernach Bacchus mit seinem Heere durch Libyen zog, und in dem Sande mit selbigem insonderheit, wegen Mangel des Wassers, fast umkam, so zeigete sich ihnen von ungefähr ein Widder, nach welchem die Soldaten zuliefen, der aber auch ausriß. Indessen führete er doch seine Verfolger an einen Ort, wo sie Wassers genug fanden. Da er nun dabey verschwand, so urtheilete Bacchus, daß solcher der Jupiter Ammon gewesen, und errichtete ihm daher in solcher Gegend einen Tempel, worinnen sein Bildniß nicht mit dem gewöhnlichen Blitzstrale, sondern mit gewundenen Hörnern stund. Lucan. Phars. IX. 511. Des Widders Figur aber setzete er mit unter die Sterne, welcher denn daher das erste Zeichen des Thierkreises ist. Hygin. Astron. Poët. lib. II. c. 20. Als auch Herkules den Jupiter einmal bath, sich von ihm sehen zu lassen, so zeigete [215] er sich ihm in ein Widderfell eingewickelt, von dem der Kopf abgeschnitten war. Herod. L. II. sect. 42.

4 §. Bildung. Er wurde insgemein als ein Mann mit einem Widderkopfe gebildet, entweder, weil er unter der Gestalt eines Widders erschienen war, Herod. l. c. Hygin. Astron. Poët. l. II. c. 20. oder auch, weil er in dem Kriege einen Helm trug, auf dem oben ein Widderkopf statt des Wahrzeichens gewesen, oder auch, weil er wirklich ein Paar kleine Hörner an den Schläfen hatte. Gyrald. Synt. II. p. 107. In dieser Gestalt mit einem gekrümmten Horne in der Hand sieht man ihn beym Wilde, select. gem. ant. p. 12. vorgestellet, und seinen Kopf auf einem geschnittenen Steine beym Chausse, gemme antiche tab. 4. Einige wollen, er habe bis an den Nabel die Gestalt eines Widders gehabt, Modius & Palmer. ad Curtium lib. IV. c. 8. und andere, daß er wenigstens in seinem berühmten Tempel in Libyen, wie ein Umbelicus oder kleiner Kegel von Smaragden und andern Edelgesteinen gebildet gewesen. Curtius l. c. & ad eum Raderus l. c. Allein, da solcher Umbelicus dennoch keine rechte Gestalt geben will, und es bloße Muthmaßungen sind, daß solcher Ammon anders nach seiner Gestalt, anders nach seiner Gottheit, gebildet worden, Id. ad eumd. l. c. so wollen andere für Umbelicus lieber Umbrilicus lesen. Dieses war eine Art Schafe in Africa, welche von einem Muffelthiere (Musmone) und Schafe gezeuget waren, statt der Wolle Ziegenhaare, und 2, 4 bis 6 Hörner hatten, unter dergleichen Gestalt auch Ammon auf einer alten Münze des Battus vorgestellet wird. Is. Vossius ad Pomp. Melæ lib. I. c. 8. p. 46. Hingegen stelleten ihn die Griechen nur als einen viereckichten und spitzig zugehenden Stein, oben aber mit einem Kopfe und Hörnern vor. Pausan. Arcad c. 32.

5 §. Verehrung. Seinen vornehmsten Tempel, nebst einem durch alle Welt berühmten Orakel, hatte er in der von ihm benannten Landschaft Ammonitis, Voss. Theol. gentil. lib. I. c. 27. p. 75. oder Ammoniaca, welche ein [216] Theil von Marmarica mediterranea war. Cellar. Not. O. A. lib. IV. c. 2. p. 843. T. II. Es soll aber solchen Tempel zuerst Bacchus erbauet haben, Hygin Astron. Poët. lib. II. c. 20. dagegen andere für dessen Stifter den Hiarbas angeben. Virgil. Aen. IV. v. 198. & ad eum Servius l. c. Es wollen einige, daß die Cärimonien, solchen Gott daselbst zu verehren, von den Juden entlehnet worden, weil der oberste und die andern Priester fast eben so, wie der Hohepriester, und die übrigen Priester der Juden gekleidet gegangen, und hieselbst nicht weniger, als in dem Tempel zu Jerusalem, ein stets brennendes Feuer unterhalten worden. Huet. D. E. Propos. IV. c. 11. §. 1. Hiernächst hatte solcher Ammon auch seinen bekannten Tempel in der Insel Meroe in Aegypten, und wurde nicht weniger in Griechenland verehret, indem er ebenfalls seine Tempel zu Lacedämon, Pausan. Lacon. c. 18. und zu Theben hatte, Id. Bœot. c. 16. wo man jährlich an einem gewissen Tage einen Widder schlachtete, und mit dessen abgezogenem Felle die Bildsäule dieses Götzen bekleidete, und darauf des Herkules Bild zu ihr brachte. Herod. l. c. Sonst wurde daselbst auch beständig ein Widder unterhalten, und als dessen lebendes Ebenbild verehret. Iablonski Panth. Aegypt. P. I. p. 163. wie denn jährlich von da nicht nur dessen Bildniß und Heiligthumshäuschen, sondern auch anderer Götter ihrer zu einer gewiß gesetzten Zeit nach Libyen geschickt, und daselbst herum getragen wurden, welches große Fest zwölf Tage daurete. Eustath. in Iliad. A. p. 128. Ed. Rom. Diod. Sic. L. II. p. 88. Seine Orakel wurden nicht durch Worte, sondern durch Zeichen und Gebärden des Leibes gegeben, wodurch etwas gebilliget oder verworfen wurde. Id. in Dionys. Perieg. v. 211. sect. 27.

6 §. Eigentliche wahre Beschaffenheit. Daß er ein König in Africa gewesen, kann man denen, die es vorgeben, noch wohl glauben; Diod. Sic. lib. III. c. 68. daß er aber auch des Noah Sohn, Cham oder Ham, gewesen, suchen zwar andere zu erweisen; Bochart. [217] Phal. l. IV. c. 1. Voss. Theol. gentil. l. I. c. 27. Marsham. Can. Chron. Sæc. I. p. 30. & Huetius D. E. Propos. IV. c. 11. §. 1. allein, da die Beweisthümer meist nur auf der Aehnlichkeit der Namen, oder doch sonst gar schlechten Gründen beruhen, so ist dießfalls nichts für sicher anzunehmen. Es will auch keinen Stich halten, daß Ammon der sonst bekannte Jupiter der Griechen und Römer sey, weil er nothwendig einer der ersten und ältesten Götter der Aegyptier seyn müssen, Jupiter oder Ζεὺς aber erst der letzte unter den Halbgöttern gewesen, wie einige mit mehrern zu erweisen suchen. Perizon. Origin. Aegypt. c. 5. p. 76. Daher hielten ihn andere mit etwas besserm Grunde für den Werkmeister des ganzen Weltgebäudes, oder den Phthan der Aegyptier. Iambl. de myster. Aegypt. Sect. VIII. c. 3. Euseb. Præpar. L. XI. c. 7. Allein, nach ihrer wahren Theologie war er nichts anders, als die Sonne, Macrob. Sat. L. I. c. 21. und mit dem Osiris einerley. Diod. Sic. L. I. p. 22. Vornehmlich bezeichneten sie die zurück kehrende Sonne im Frühlinge dadurch, deswegen sie auch den Widder zum ersten Zeichen des Thierkreises gemacht hatten. Iablonski l. c. p. 167.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 213-218.
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