Antaevs

[272] ANTAEVS, i, Gr. Ἀνταῖος, ου, ( Tab. XI.)

1 §. Namen. Diesen soll er von ἀντίον, contrarium, haben. Fulgent. lib. II. c. 7. Weil aber die daher gemachte Deutung seiner Historie gar gezwungen heraus kömmt, so bleibt auch solche Ableitung des Namens auf ihrer Ungewißheit beruhen.

2 §. Aeltern. Einige geben ihn für Neptuns Sohn, Apollod. lib. II. c. 4. §. 11. andere aber, und zwar die meisten, [272] für einen Sohn der Erde aus. Hygin. Fab. 31. Fulgent. lib. II. cap. 7. & Euseb. Chron. ad A.M. 3950. p. 31.

3 §. Stand und Leben. Er war an sich ein ungeheurer Riese, als welcher nach einigen 60 griechische Ellen lang war; Plutarch. in Sertor. p. 513. oder, wie auch andere melden, soll nur die eine Röhre seiner Beine so lang gewesen seyn. Gabinus ap. Strab. lib. XVII. p. 829. Dagegen geben noch andere für seine Länge 64 griechische Ellen an. Nat. Com. Mythol. lib. VII. c. 1. p. 682. Da aber eine griechische Elle, oder ein Cubitus 1 römischen Fuß und 6 Zolle beträgt, Beverin. Synt. de Mens. & Pond. P. II. pag. 97. so wird seine Länge von 60 dergleichen Ellen noch mehr, als 90 unserer gemeinen Ellen ausgemachet haben. Hierbey aber war er König und Herr in Libyen, Apollod. l. c. & Mela de situ orbis lib. III. c. ult. und zwang alle Fremde, die sich in seinem Reiche betreten ließen, mit ihm zu ringen. Weil er nun, seiner Größe nach, eine ungeheure Stärke hatte, so war es ihm etwas leichtes, alle, die er in seine Hände bekam, zu erwürgen. Apollod. l. c. Diod. Sic. lib. IV. c. 17. & Hygin. Fab. 31. Sein Aufenthalt war nur eine grausame Höhle, unter einem großen Felsen, in der er auf der bloßen Erde schlief, weil er durch die aus selbiger gehende Kraft immer stärker und stärker wurde, und seine gemeinste Speise waren die Löwen, die er fieng, wobey er aber auch zugleich das Land von seinen Einwohnern entblößete, weil er solcher nicht mehr, als der Fremden, schonete. Lucan. lib. IV. v. 589. seqq. Claud. in Ruf. I. v. 288. Indessen soll er doch auch der Erbauer der Stadt Tingis gewesen seyn, Banier Entret. XIV. ou P. II. p. 76. und, nach einigen, sich darinnen aufgehalten haben, welches aber andere erst von dem Siphax, welchen Herkules mit des Antäus Gemahlinn, der Tingi, gezeuget, geschehen zu seyn melden. Plut. l. c. p. 514.

4 §. Tod und Begräbniß. Als Herkules dem Euristheus des Geryons Rinder bringen sollte, so ländete er unterweges in Libyen an, und gerieth mit [273] solchem Antäus zusammen. Diod. Sic. L. IV. c. 27. p. 57. Sie warfen dabey beyde ihre Löwenhäute, die sie sonst statt der Kleidung trugen, von sich. Herkules bestrich sich, nach der Griechen Art, mit Oele, Antäus aber bewarf sich, seine Stärke also zu verdoppeln, mit Sande, und solchergestalt griffen sie einander an. Jeder von ihnen verwunderte sich, seines Gleichen an Stärke gefunden zu haben; doch machete Herkules den Antäus zuerst müde, und warf ihn endlich zu Boden. So bald aber dieser die Erbe berührete, erholete er sich auch wieder, und gieng daher aufs neue mit seinem Gegner zusammen. Da er nun auch zum andern Male außer sich gebracht wurde, so fiel er selbst auf die Erde nieder, und holete neue Kräfte. Herkules merkete hieraus, daß er seine neue Stärke von der Erde bekam, umfassete ihn also mit der größten Gewalt, hob ihn von der Erde empor, und druckete ihn so lange in der Luft, bis ihm der Athem ausfuhr. Luc. lib. IV. v. 160. sqq. Man hat davon noch eine schöne Vorstellung in einer Gruppe in dem Grabmaale der Nasonen, Montfauc. Antiq. expliq. T. I. P. II. Tab. 132. und auf einigen geschnittenen Steinen, Wilde gem. sel. n. 153. Er soll darauf bey der Stadt Tingi, Strabo lib. XVII. p. 829. oder, nach andern, bey Tigenna, Plutarch. in Sertor. p. 513. seyn begraben worden; und, da Sertorius mit der Zeit dessen Grab öffnen lassen, die Knochen eben von 60 griechischen Ellen lang befunden haben: weil er sich aber darüber entsetzet, so habe er ein Opfer thun, und das Grab wiederum erneuren lassen. Id. ibid. Es war aber solches sonst eigentlich nur ein Hügel von Erde, welcher die Gestalt eines auf dem Rücken liegenden Menschen hatte, indessen aber auch die Eigenschaft gehabt haben soll, daß, wenn etwas Erde davon aufgewühlet worden, es so lange zu regnen angefangen, bis solche Erde wieder hinein gethan worden. Pomp. Mela lib. III. c. ult.

5 §. Eigentliche Beschaffenheit. Einige scheinen ihn für eine erdichtete Person zu halten, welche die Geilheit vorgestellet, als die von der Erde und [274] dem Fleische entstehe, dem Guten stets wider sey, nicht eher, als nach langen und schweren Kämpfen zu bändigen stehe. Fulgent. lib. II. c. 7. Andere sehen ihn dagegen für einen berühmten Kaufmann an, der sich in Libyen niedergelassen; und, da Herkules seinen Handel auch dahin treiben wollen, von ihm zurück gehalten worden, bis er ihn endlich auf der See ertappet, da er ihm denn die Gelegenheit, sich vom Lande her zu verstärken, benommen, und ihn also endlich unterdrücket habe. Ban. l. c. Erläut. der Götterl. IV Band. 623 S.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 272-275.
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Hederich-1770: Antaevs [1]