Avge

[482] AVGE, es, Gr. Ἄυγη, ης, ( Tab. XIX.) des Aleus und der Neära Tochter, wurde von dem Herkules zu Falle gebracht, ohne daß sie ihn kannte, und legte das Kind, welches sie gebahr, in den Hayn der Minerva, deren Priesterinn sie war. Als darum aber eine große Dürre und Theurung entstund, und das Orakel derohalben um Rath gefraget wurde, so ward sie verrathen, und von ihrem Vater dem Nauplius übergeben, sie umzubringen. Allein, es ließ sie dieser dem Teuthras, Herrn in Mysien, zukommen, der sie auch zu seiner Gemahlinn nahm, und das Kind, das sie gebahr, auf dem Berge Parthenius wegsetzen ließ, welches aber eine Hindinn mit ihrer Milch unterhielt, und sodann von den Hirtenvollends auferzogen wurde. Apollod. lib. III. c. 9. §. 1. & Schol. Callim. ad Hymn. in Dian. v. 71. Nach andern meldete sie zwar ihrem Vater, wer sie geschwängert hätte, noch vor ihrer Niederkunft: derselbe aber wollte solches nicht glauben, und übergab sie dem Nauplius, sie ins Meer zu werfen. Unterwegens aber kam sie bey dem Berge Parthenius heimlich nieder, und versteckete das Kind unter das Gesträuche. Nauplius ersäufete hie auch nicht, sondern gab sie einigen Fremden, die eben abfahren wollten, welche sie hernach dem Teuthras verkaufeten. Diod. Sic. L. IV p. 166. Einige melden, es habe sie ihr Vater, nebst dem Telephus, als ihrem Sohne, in einen Kasten stecken, und also in das Meer werfen lassen: da sie aber durch die Wellen in des Theutras Lande angetrieben worden, so habe ihm ihre Gestalt gefallen, und er sie zur Gemahlinn genommen. Hecatæus ap. Pausan. Arcad. c. 4. Manche machen sie sonst auch zu des Priamus Schwester, Iornandes ap. Muncker. ad Hygin. Fab. 99. andere zu des Sagillus, Königs der Geten, Tochter, welche Herkules geheurathet habe, Sheringham. ap. eumd. l. c. und noch andere geben vor, daß sie Theutras nur an Tochter statt angenommen habe. Hygin. l. c. [482] Denn als Telephus seine Mutter hernachmals suchete, und ihn das Orakel zu dem Theutras wies, so kam er eben zu solchem, als ihm Idas, des Aphareus Sohn, das Reich zu nehmen suchte, daher er dem Telephus dasselbe nebst dieser seiner Tochter versprach, wenn er ihn von seinem Verfolger erlösen würde. Es schlug auch Telephus denselben glücklich in die Flucht, und bekam also von dem Theutras die Auge: allein, als er mit solcher zu Bette gehen wollte, so versagete ihm diese dasselbe unter dem Vorwande, sie wäre entschlossen, mit keinem Sterblichen sich gemein zu machen, drohete ihn auch zu ermorden, wofern er auf seinem Begehren bestünde. Indem sie aber sich also überwarfen, und es gleich zur Thätlichkeit kommen sollte, weil sie schon das Schwert in die Hände gefasset hatte, so schicketen die Götter einen großen Drachen ab, welcher zwischen ihnen hinfuhr, und sie nicht allein von einander brachte, sondern auch machete, daß Auge das Schwert vor Schrecken von sich warf. Als darauf Telephus sie wiedr niedermachen wollte, so rief sie den Herkules, als ihren Liebhaber, um Hülfe an; und da Telephus glücklicher Weise daraus erkannte, daß sie eben seine gesuchte Mutter wäre, so wurde auch aller Streit zwischen ihnen aufgehoben. Id. Fab. 100. Die Tragödie, welche Euripides von ihr verfertiget gehabt, ist verloren gegangen. Fabric. Bibl. Gr. lib. II. c. 18. §. 3.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 482-483.
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