[730] CIRCE, es, Gr. Κίρκη, ης, (⇒ Tab. VI.)
1 §. Aeltern. Diese waren nach einigen Helius oder Sol und Perse, Homer. Od. Κ. v. 139. Apollon. L. IV. 591. nach andern aber Helius und Perseis, Hesiod. Theog. v. 957. nach den dritten Hyperion und Asterope, Orph. Argon. v. 1215. und nach den vierten Aeetes und Hekate; Dionys. Miles. ap. Schol. Apollon. ad lib. III. v. 200. wiewohl man sie doch gleichfalls zu des Aeetes, Königes in Kolchis, Schwester machet. Hom. Od. Κ. v. 137. Schol. Apollon. l. c. Allein, da einige nicht unwahrscheinlich vorgeben, es seyn ehemals zwey Frauenzimmer dieses Namens gewesen, von welchen diejenige, die zu den Zeiten der Argonauten gelebet, derjenigen Mutter gewesen, zu welcher Ulysses gekommen: so muß man ihnen allerdings auch doppelte Aeltern zustehen. Es können auch wohl die Väter wenigstens einer Aeetes I, und der andere Aeetes II geheißen haben. Boccacc. & ex eo Banier Entret. XVIII. ou P. II. p. 262. u. dess. Erl. der Götterl. si B. 269 S. Indessen da beyde beständig von den Alten mit einander vermenget werden, so lassen sie sich nun nicht wohl unterscheiden.
2 §. Wesen und Aufenthalt. Sie war ein Frauenzimmer, oder gar eine Göttinn, Homer. Od. Κ. v. 136. von ungemeiner Schönheit, deren Gesicht einen starken Glanz von sich warf, die Haare aber wie feurige Stralen ließen, so, daß wer sie ansah, vor ihr erstaunete. Orpheus Argon. v. 1217. Da ihre Mutter, die Hekate, die Kraft vieler giftigen Kräuter kennen lernete, und deren Wirkung so wohl an vielen Fremden, als endlich selbst an ihrem Vater versuchete, so übertraf doch Circe selbige in solcher Wissenschaft sehr weit. Nat. Com. lib. VI. c. 6. Sie hatte dabey vier Mägde, welche ihr die Kräuter [730] und Wurzeln sammlen und zurichten helfen mußten. Hom. l. c. v. 348. Doch melden einige auch, daß solchen Dienst ihr selbst die Nymphen verrichtet. Ovid. Metam. XIV. v. 264. Sie hielt sich aber erst in Kolchis auf, woselbst ihr Vater König war; darauf kam sie durch ihre erste Heurath nach Sarmatien, Dionysiodor. ap. Nat. Com. lib. VI. c. 6. von dar sie aber ihr anderer angegebener Vater, Helius, auf seinem Wagen mit nach Hesperien genommen, und an den tyrrhenischen Küsten in eine Insel abgesetzet haben soll. Herodian. ap. eumd. l. c. Apollon. L. III. 310. Es nennen einige daher solche Insel Aeäa, Hom. l. c. 135. Apollon. ibid. andere aber Aenaria, Hygin. Fab. 125. und die dritten Mäonia; Luctat. ad Stat. Theb. IV. v. 550. jedoch, da sie auch auf dem circäischen Vorgebirge ihren Aufenthalt gehabt haben soll, Pomp. Mela. lib. II. c. 4. so glauben einige, daß solches ehemals eine Insel gewesen, nach der Zeit aber mit dem festen Lande vereinbaret worden. Solinus ap. Merulam Cosmogr. P. II. lib. IV. c. 6. Indessen hatte sie an dem Orte ihres Aufenthaltes eine prächtige Wohnung, Homer. l. c. v. 312. und in selbiger ihren herrlichen Thron, welcher so gar mit silbernen Nägeln befestiget war. Id. ib. v. 314. Sie bedienete sich dabey goldener Geschirre, Id. ib. v. 316. & 357. Decken von Purpur, silberner Tische, und dergleichen Kostbarkeiten mehr zu ihrem Hausrathe. Id. ib. v. 352.
3 §. Thaten. Sie richtete ihren Gemahl, den König der Sarmaten, mit; Gifte hin, und bemächtigte sich des Reiches, begegnete auch ihren Unterthanen sehr hart, die sie aber dafür wieder zum Lande hinaus jageten. Dionysiodor. ap. Nat. Com. lib. VI. c. 6. Als sie sich hernach in ihrem neuen Aufenthalte obbesagter Insel befand, so kamen die Argonauten auf ihrer Zurückkunft aus Kolchis zu ihr. Sie ließ solche aber als Leute, die sich mit dem Tode des Aeetes und Absyrtus verunreiniget hatten, nicht zu sich, jedoch machte sie durch ihre Künste, daß sie plötzlich ganze Gefäße voll Wein, [731] Fleisch und Getraide in ihrem Schiffe fanden. Orpheus Argon. v. 1225. Nach andern aber söhnete sie doch den Jason und die Medea mit besondern Ceremonien aus. Allein, so bald sie erkannt hatte, daß solche ihre Verwandten waren, so trieb sie dieselben von sich. Apollon. L. IV. v. 700. sqq. Als darauf auch Ulysses mit seinem Schiffe da vorbey gieng, so schickete er 22 seiner Leute, unter dem Eurptochus, an sie, welche sie denn mit aller Freundlichkeit empfieng, und ihnen insgesammt einen herrlichen Trank überreichete. Da sie nun denselben, bis auf den Eurylochus, angenommen, so rührete sie dieselben mit einer Ruthe etwas auf die Köpfe, da sie denn insgesammt in Schweine verwandelt, und von ihr in einen Saustall eingethan wurden, Eurptochus aber sich mit der Flucht davon, und wieder zu dem Ulysses machete. Diesem gab darauf Mercurius das Kraut Moly, und unterrichtete ihn dabey, wie er sich gegen sie verhalten sollte. Er that solches; und da sie ihm vorerwähnten Trank anboth, so nahm er solchen an, und trank ihn auch aus. Als sie ihn aber mit ihrer Ruthe berührete, so griff er nach seinem Schwerte, sprang auf sie zu, und that, als ob er sie ermorden wollte. Sie gab damit gute Worte; und, weil ihm ihr Zaubertrank nichts schadete, so erkannte sie von selbst, daß er Ulysses wäre, von dem ihr Mercur schon vorher gesaget hatte. Sie wurden daher so gute Freunde mit einander, daß sie nicht nur mit einander aßen, tranken und zu Bette giengen; sondern sie auch seinen verwandelten Gefährten ihre menschliche Gestalt wieder gab; und, da er von ihr gieng, ihn mit Rath und allen Nothwendigkeiten versah. Homer. Od. Κ. v. 135. Cf. Schol. Aristoph. ad Plut. v. 303. Sie hatte sich schon vorher den Picus, König von Latien, den sie auf der Jagd gesehen, so fern gefallen lassen, daß sie ihn lieber gar haben wollte. Weil er aber zu ihrem Ansinnen ganz keine Neigung hatte, so wurde er von ihr aus Rachgier in einen Specht verwandelt: Ovid. Metam. XIV. [732] v. 320. Als auch Glaukus bey ihr um Rath in seiner Liebe gegen die Scylla ansuchte, sie sich aber selbst in ihn verliebete, so machte sie, daß, als sich Scylla, ihrer Gewohnheit nach, in einem gewissen Wasser baden wollte, sie in ein häßliches Ungeheuer verwandelt wurde. Id. ib. ab init. Bey allem dem aber soll sie den Ulysses wieder lebendig gemacht haben, als er unbekannter Weise von dem Telegon war erschlagen worden. Tzetz. ad Lycophr. v. 805.
4 §. Kinder. Tod und Verehrung. Mit dem Ulysses soll sie den Agrius und Latinus, Hesiod. Theog. v. 1013. den Auson, die Kasiphone, den Marsus und Romanus gezeuget haben. Allein, da es einigen schon lächerlich vorgekommen, daß, da Ulysses nur ein Jahr bey ihr gewesen, sie doch drey Söhne von ihm bekommen haben soll; Tzetz. Chil. V. hist. 16. so will es andere noch wunderbarer deuchten, daß sie gar so viel Kinder, als nur benannt worden, von ihm gehabt hätte. Nat. Comes lib. VI. c. 6. Es soll aber Telemach, des Ulysses und der Penelope Sohn, ihre obbenannte Tochter, die Kasiphone, geheurathet, und sie endlich selbst getödtet haben, weil er ihr Befehlen nicht leiden können; wogegen ihn aber Kasiphone wieder aus dem Wege räumete. Tzetz. ad Lycophr. v. 805. Man will daher, daß ihr Begräbniß in der einen der pharmakusischen Inseln befindlich gewesen sey. Strabo l. IX. p. 720. Dessen ungeachtetaber sollen doch auch die Circeienser in Italien ihr auf eine gar besondere und feyerliche Art göttliche Ehre erwiesen haben. Cic. de N.D. lib. III. c. 19. p. 1198.
5 §. Wahre Historse. Die, welche eine wahre Historie in den Erzählungen von ihr suchen, glauben, daß sie nichts, als eine berühmte Hure ihrer Zeit gewesen, welche die Menschen auf alle Art an sich gelocket, und veranlasset habe, sich in allen Wollüsten mit ihr herum zu wälzen. Heraclit. Incredib. c. 16. Oder, da sie ja eine Prinzessinn gewesen seyn soll, so glaubet man doch, daß sie deswegen für eine Tochter der [733] Sonne, oder des Helius, oder Apollo gehalten worden, weil sie sich auf die Kenntniß der Kräuter und deren Kraft in der Arzeney geleget. Weil sie nun viele wundersame Curen damit thun können, so habe man sie für eine Zauberinn ausgeschryen. Sie habe dabey einen so üppigen und wollüstigen Hof gehalten, daß wer einmal an selbigen gekommen, nicht so leicht wieder wegkommen können, ohne an dessen Ueppigkeiten Theil genommen zu haben. Banier Entret. XVIII. ou P. II. p. 216. u. dess. Erl. der Götterl. V B. 267 S.
6 §. Anderweitige Deutung. Einige verstehen unter ihr die Zeugung der Dinge; daher denn Sol oder die Wärme ihr Vater, und Oceanus oder die Feuchtigkeit ihr Großvater gewesen seyn soll: und da sie hiernächst insonderheit vier Mägde gehabt, so versteht man unter solchen die vier Elemente welches aber allzusehr gekünstelte Dinge sind. Besser läßt sich dieselbe zu einem Bilde der Wollust machen, wobey sie der Sonne Tochter und des Oceans Enkelinn ist, weil die Geilheit aus der Wärme und Feuchtigkeit entsteht, und, nachdem sich ein Mensch von derselben auf die Wollust bringen läßt, zeuget diese in ihm auch die Natur der Bestien, und nachdem einer seinen Begierden folget, so wird er entweder zu einem Löwen, Bären, Hunde, Schweine und so ferner, das ist diesen unvernünftigen Thieren in seinem Bezeigen gleich. Nat. Comes lib. VI. c. 6. p. 564. Damit man nun von solcher Wollust nicht auch zu dergleichen Bestie gemact werde, so muß man sich ihr, wie Ulysses, männlich widersetzen, sich mit dem Moly oder Kraute der Vorsichtigkeit versehen, und ihr mit dem Schwerte einer ernstlichen Standhaftigkeit entgegen gehen, so wird sie mit ihrer Zauberruthe wenig oder nichts ausrichten können. Omeis Mythol. in Circe, s. p. 77.
Buchempfehlung
Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro