[1158] GLAVCVS, i, Græc. Γλαῦκος, ου, (⇒ Tab. XI.)
1 §. Namen. Dieser kömmt von Γλαυκὸς her, welches, nach einigen, eine grünlichte mit weiß untermengte glänzende Farbe bedeutet. Philargyrius ap. Voss. Etymol. in Glaucus, s. p. 275. Weil nun dergleichen die Farbe des Meerwassers ist, so schicket sich solcher Namen für ihn, als einen Meergott, sehr wohl. Sonst wird er auch, um ihn insonderheit von den nächst folgenden beyden Glaucis zu unterscheiden, vielfälltig θαλάσσιος, marinus, genannt; Palæph. de incred. c. 28. & Heraclit. de iisd. c. 10. wie er denn aus eben dem Grunde auch πόντιος heißt. Athen. Deipnos. L. VII. c. 12. p. 296. Er soll anfänglich, da er noch ein Mensch gewesen, Melicertes geheißen haben. Nicanor ap. Athen. l. c.
[1158] 2 §. Aeltern. Man ist wegen derselben sehr ungewiß. Nach einigen waren solche Anthedon und Alcyone. Mnaseas ap. Athen. l. c. Fulgent. Mythol lib. II. c. 12. & ad eum Muncker. l. c. Nach andern aber zeugete ihn Polybus, des Mercurius Sohn, mit der Euböa, des Larpmnus Tochter. Promathides ap. Athen. l. c. & Theophrast. ap. Nat. Com. lib. VIII. c. 5. Die dritten machen ihn zu des Phorbus und der Panopea Sohn; Promathides Heracleota ap. Nat. Com. l. c. Die vierten aber geben ihm den Nopeus zum Vater, Thelytus ap. eumd. l. c. und die fünften machen zu seinen Aeltern den Neptun selbst, und die Nymphe Naidis. Evanthes ap. Athen. l. c.
3 §. Stand und Schicksal. Er soll Anfangs nichts mehr, als ein Fischer zu Anthedon, einer Stadt in Böotien, und dabey ein guter Schwimmer und Täucher gewesen seyn. Er entführete des Iklemus und der Dotis Tochter, Syme, und gieng mit ihr hinüber nach Asien, wo er eine wüste Insel, nicht weit von Carien, bewohnete, und nach seiner Frau Syme nannte. Mnaseas ap. Athen. l. c. Nach andern soll er des Scyllus Tochter, Hydne, geliebet haben. Aischrion ibid. Als er eines Males eine ziemliche Anzahl Fische fieng, und solche ans Ufer aufs Gras legete, so wurden selbige insgesammt rege, und sprangen, wider sein Vermuthen, wiederum in das Meer. Er verwunderte sich darüber, und kostete das Gras, worauf die Fische gelegen: allein, er fand sich so bald auch bewogen, in das Meer zu springen. Nachdem ihm nun Ocean und Tethys das abgenommen, was sterbliches an ihm war, und er hernachmals sich noch hundert Flüsse hatte lassen auf den Kopf laufen, so wurde er eben so wohl für einen Meergott gehalten, als Triton, Proteus und andere dergleichen. Ovid. Metam. XIII. v. 906. Einige wollen, daß er unterdessen geschlafen, als die Fische ins Meer gesprungen, und da er von dem Kraute, worauf er sie geleget gehabt, gegessen, so wäre er unsinnig geworden, und habe sich von [1159] einem Felsen in das Meer gestürzet. Lact. Placid. Narr. lib. XIII. Fab. 9. Cf. Schol. Apollon ad lib. I. v. 1310. Andere hingegen melden, es sey nur ein Fisch gewesen, den er todt aufs Gras geleget, welcher denn von dem Kraute, das Ἁείζωον heißen soll, wieder lebendig geworden, und zurück ins Meer gesprungen. Tzetz. ad Lycophr v. 752. So wollen auch einige, er habe dergleichen zu Markte tragen wollen, und, da sie ihm zu schwer geworden, sie etwas aufs Gras nieder gesetzet, um indessen sich ein wenig zu erholen, da sie ihm denn von Berührung des dasigen Grases wieder davon gegangen. Ap. Nat. Com. lib. VIII. c. 5. p. 830. Noch andere geben vor, es seyn keine Fische, sondern ein Hase gewesen, welchen er auf dem Berge Otia, in Aetolien, er jaget. Denn da er sich bey einem Brunnen etwas erquicken wollte, und den Hafen mit dem dabey stehenden Grase abwischete, so wurde derselbige wieder lebendig. Er kostete also das Gras, und wurde davon gleichsam begeistert, so daß er sich den nächsten Winter darauf in das Meer stürzete. Nicander ap. Athen. l. c. Andere sagen, es sey solches bloß geschehen, weil er des Lebens überdrüßig gewesen. Ap. Nat. Com. l. c. p. 831. Einige machen ihn zum Baumeister des Schiffes Argo, welches er auch hernach als Steuermann regieret. Allein, als Jason mit den Tyrrhenern in ein Gefecht gerathen, ward er allein nicht verwundet, soll aber, nach Jupiters Rathe, ins Meer gefallen, und sodann in einen Gott desselben seyn verwandelt worden. Possis ap. Athen. l. c. Er dienete als solcher dem Nereus zum Dolmetscher. Euripid. Orest. 364. Apollon. ap. Nat. Com. l. c. Es ist aber doch recht recht gewiß zu bestimmen, daß er unter den Argonauten mit gewesen sey. Burm. catal. Argon. h. v. Außer dem soll auch Apollo selbst die Wahrsagerkunst von ihm erlernet haben. Nicander ap. Athen. l. c. Sonst verliebete er sich noch in die Ariadne, welche Bacchus entführet hatte, wurde aber dafür von demselben mit Weinreben fest gebunden, jedoch bald wieder [1160] los gelassen. Theoclytus ap. Athen. l. c. So liebete er auch die Scylla ganz ungemein, und begab sich in ihre Höhle zu ihr. Hedyle ap. Athen. l. c. Weil sich aber auch Circe in ihn verliebet hatte, so machte sie, daß jene in ein häßliches Ungeheuer verwandelt wurde, womit denn weder er, noch Circe ihr Absehen erreichten. Ovid. Metam. XIV. ab initio.
4 §. Bildung. Er wird mit einem großen nassen Barte, langen, auch nassen, und über die Schultern hangenden Haaren, großen struppichten und zusammen stoßenden Augenbraunen erhabenem Arme, mit Meergrase und Haaren bedeckter Brust vorgestellet, unter welcher sodann der Leib spitzig zu und endlich in einen Fisch ausgeht, von dem das Ende wieder über das Wasser hervorraget. Philostrat. Icon. L. I. 15. p. 833. Chartar. p. 107. Cf. Ovid. Metam. XIII.
5 §. Eigentliche Historie. Er war allerdings ein Fischer zu Anthedon, welcher sich oft, in Beyseyn der Bürger besagter Stadt, in deren Haven ins Wasser ließ, unter solchem hinschwamm, und an einem Orte wieder hervor kam, da sie ihn nicht mehr sehen konnten. Wenn er denn einige Tage weg gewesen war, so gab er vor, daß er mittler Zeit stets unterm Wasser gewesen. Er behielt dabey jederzeit eine gute Anzahl gefangene Fische auf, und brachte solche hervor, wenn wegen des Sturmes sonst kein Fischer einigen fangen konnte, daher er sich denn nicht wenig in Ansehen brachte. Als ihn aber dereinst ein Raubfisch oder dergleichen etwas im Wasser erschnappete, daß er nicht wieder zum Vorscheine kam, so glaubete man, daß er seinen Aufenthalt beständig im Meere genommen. Palæphat. de Incred. c. 28. Das Vorgeben von seiner Wahrsagerkunst wird dahin gedeutet, daß er sich auf einer Insel in der See aufgehalten, woselbst er den ankommenden Schif fern Unterricht von ihrer Fahrt, auch wohl von dem, was ihnen begegnen werde, Nachricht gegeben habe. Heraclit. de Incredib. c. 10.
[1161] 6 §. Anderweitige Deutung. Einige wollen, daß er beweise, wie Gott keinen Stand der Menschen ansehe, sondern auch die geringsten, als hier diesen Fischer, zu den großten Ehren bringe. Nat. Com. lib. VIII. c. 5. Andere deuten seine Liebe gegen die Scylla auf die Thorheit der Menschen, welche aus Blindheit, da Glaukus einen übel sehenden bedeuten soll, auch etwas ungereimtes, wie die Scylla, welche dem Namen nach so viel, als Verwirrung heißen soll, liebet. Fulgent. Mythol. lib. II. c. 12. Cf. Masen. Spec. ver. occ. c. 23. n. 28. Es kömmt aber eben so gezwungen heraus, als die angegebenen Etymologien albern und falsch sind.
Hederich-1770: Glavcvs [3] · Glavcvs [4] · Glavcvs [1] · Glavcvs [2]