Hymen

[1306] HYMEN, ĕnis; HYMENAEVS, i, Gr. Ὑμέναιος, ου, ( Tab. XVI.)

1 §. Namen. Man leitet solchen insgemein von hymen, dem so genannten claustro virginitatis, oder Jungfernhäutchen, her. Voss. Etymol. in. Hymen, p. 298. Serv. ad Virg. Aen. I. 655. IV. 99. Donat. ad Ter. Adelph. V. VII. 6. Andere holen ihn von ὁμοῦ, zugleich, und νάιω, ich wohne, weil Hymenäus machen soll, daß Mann und Weib bey einander wohnen. Eustath. ap. Taubmann. ad Virg. Aen IV. v. 127. Die dritten führen ihn von ὁμονοέω, einerley meynen, weil solches ein Wunsch zweyer Verlobten, oder Braut und Bräutigams, sey. Proclus ap. Voss. l. c. Einige wollen auch, er heiße so viel, als ὕμνος νεος, ein neues Lied. Mezeray sur les epitres d'Ovide T. I. p. 133.

2 §. Aeltern. Diese werden verschieden angegeben. Nach einigen sind es Apollo und die Muse, Kalliope, Asclepiades ap. Gyrald. Synt. III p. 132. nach andern Venus und Liber oder Bacchus; Serv. ad Virgil. Aen. IV. 127. Doch machen auch einige den Magnes zu dessen Vater, Id. ib. Anton. Liber. narr. 23. zur [1306] Mutter aber bald die Klio, Ap. Gyrald. l. c. bald die Urania, Catullus Epigr. 62. & ad eum Ach Statius l. c. und bald die Terpsichore. Alciphr. L. I. ep. 13. Tzetz. Chiliad. 13. histor. 496. Einige nehmen zween Hymenäen an, wovon der eine des Phlegyas Sohn gewesen und vom Bacchus geliebet worden, den er auch auf seinen Zügen begleitete. Nonni Dion. XXIX. 33. Der andere war der Urania Sohn und des Cupido Gesellschafter. Id. XXXIII. 67.

3 §. Wesen und Thaten. Er war der Gott der Hochzeiten, entweder weil er zuerst zu gutem Glücke dergleichen gehalten, oder dieselben erfunden hatte. Serv. ad Virg. l. c. Wenigstens wurde er an solchen mit angerufen, und zwar entweder, weil er an seinem Hochzeitfeste selbst von dem einfallenden Hause erschlagen worden, und man dessen Geist damit versöhnen wollen; oder weil er eines males die Jungfern in einem heftigen Kriege in Freyheit gesetzet, und bey ihren Ehren erhalten; Idem ad Aen. I. v. 651. oder auch, weil er als ein guter Musikus, das Beylager des Bacchus mit der Althäa oder vielmehr Ariadnes besungen, und darüber gestorben oder nur die Stimme verloren hatte. Cornel. Balbus ap. Serv. l. c. Cf. Serv. ad Virg. Ecl. VIII. 30. Er soll aber sehr schon gewesen seyn und vortrefflich haben singen können, so daß ihm auch Apollos selbst oft zugehöret und sich in ihn verliebt habe. Anton. Liber. narrat. 23. Indessen findet es fast den meisten Beyfall, daß er bloß ein junger Athenienser von mäßigem Stande, allein desto größerer Schönheit gewesen, der ein vornehmes Frauenzimmer daselbst geliebet, und von ihr wieder gütig angesehen worden, ohne sich doch, wegen Ungleichheit des Standes, einige Hoffnung auf sie machen zu dürfen. Als indessen das atheniensische Frauenzimmer der Ceres Fest zu Eleusin feyerte, so verkleidete er sich auch als eine Frauensperson, und gieng mit dahin. Indem aber die Herrlichkeit am größten war, so kam ein Schwarm Seeräuber, und führete alles Frauenzimmer, und, unter solchem auch den verkleideten Hymenäus, [1307] gefangen davon. Sie ländeten darauf mit denselben an einer wüsten Insel an, und besoffen sich da vor Freuden über diesen Fang dergestalt, daß sie von ihren Sinnen nichts wußten. Als sie nun in den Schlaf geriethen, und Hymenäus diese gute Gelegenheit sah, so machte er sie insgesammt nieder. Er gieng darauf nach Athen, und sagte, wo man ihm die erwähnte Jungfer geben wollte, so wolle er ihnen alle ihre Töchter wieder zustellen. Dieß wurde mit allen Freuden angenommen, und er brachte sie also wieder. Wie er nun hernach mit seiner Geliebten eine vollkommene vergnügte Ehe führete, so gefiel es den Atheniensern, seiner bey den Hochzeiten mit zu gedenken. Dieses geschah denn so lange, bis er endlich gar zu einem Gotte der Hochzeiten gemacht wurde. Luctat. ad Stat. Theb. III. 283. Donat. ad Terent. Adelph. V. 7. 8. Serv. l. c. I. 655. & IV. 99. Cf. Banier Entret. IV. ou P. I. p. 89.

4 §. Bildung. Er wurde als ein Jüngling mit einem Kranze von Bluhmen und Majorane vorgestellet, der in der rechten Hand eine Fackel, in der linken aber einen Schleyer, und an den Füßen safrangelbe Socken hatte. Catull. LX. 6. Jedoch geben ihm auch andere einen Kranz von Rosen, und bilden ihn, als ob er vor Trunkenheit taumele. Seneca in Medea v. 67. cf. Chartar. Imag. 29. Noch andere legen ihm einen ganz gelben Habit bey. Ovid. Met. X. 1.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1306-1308.
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