Lethe

[1458] LETHE, es, Gr. Λήθη, ης, einer von den höllischen Flüssen, welcher insonderheit die Kraft hatte, daß, wenn der Verstorbenen Seelen daraus tranken, sie sowohl des Elendes vergaßen, welches sie auf der Welt ausgestanden, als auch der Herrlichkeiten, die sie in den elysischen Feldern genossen, um solcher Gestalt mit desto weniger Unzufriedenheit in die ihnen von neuem bestimmten Körper zu fahren. Denn man glaubete, manche Seelen blieben in den besagten Feldern, wenn sie sich in dem Leben sehr wohl verhalten, manche aber müßten wegen ihres bösen Lebens, oder bloß nach dem ihnen so bestimmten Schicksale, jedoch beyde nach ihrer gesetzten Zeit von tausend Jahren, wieder in die Welt zurück, und daselbst in neue Körper der Menschen, oder Thiere gehen; daher sie denn nicht anders, als die Bienen auf den Wiesen, um den Fluß Lethe herum schwärmeten, damit sie durch dessen Wasser alles vergessen lerneten. Virg. Aen. VI v. 705. seqq. & ad eum Serv. l. c. Er hat daher den Namen von λήθειν oder λανθάνειν, vergessen, oder noch lieber von dem Ebräischen Lat, Verbergung, Schlupfwinkel. Coqueus ad Augustin. de C. D. l. X. c. 30. & Becm. Orig. L. L. in Lethum, p. 610. Uebrigens scheint dessen Erdichtung dem Pythagoras beyzumessen zu seyn, welcher anders nicht wohl mit seiner Seelenwanderung zu Rechte kommen können. Lactant. Inst. l. III. c. 18. §. 16. Wie aber die ganze Lehre von der Unterwelt durch den Orpheus aus Aegypten soll seyn gebracht worden: so ist auch der Fluß Lethe daher gekommen. Diod. Sic. l. I. p. 58. & 61.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1458.
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