Nestor

[1731] NESTOR, ŏris, Gr. Νέστωρ, ορος. ( Tab. XXV.)

1 §. Aeltern und Auferziehung. Sein Vater war Neleus, König zu Pylos, seine Mutter aber Chloris, Amphions, Königs zu Theben, Tochter. Apollod. l. I. c. 9. §. 9. Er wurde aber [1731] nicht zu Pylos, sondern zu Gerenia, auferzogen; daher, als Herkules seinen Vater zu Pylos überfiel, und mit sammt seinen eilf Brüdern niedermachte, er allein von ihnen am Leben blieb. Hygin. Fab. 10. & ad eum Munck. l. c.

2 §. Stand und Thaten. Er folgete seinem Vater in der Herrschaft zu Pylos, und, als des Aphareus Söhne, Lynceus, und Idas, gegen den Castor und Pollux umgekommen waren, so wurde er auch König der Messenier. Pausan. Messen. c. 32. p. 219. Auf des Pirithous Beylager, bey welchem er sich mit befand, hielt er die Partey der Lapithen, und erlegete von den Centauren den Phäokomes, Chthonius, und Teleboas. Ovid. Metam. XII. v. 439. In einem andern Gefechte zwischen den Pyliern und Arkadiern bey Phäa erlegte er den Ereuthalion in einem besondern Zweykampfe, da es sonst nie mand auf dessen Ausfordern, wegen seiner Größe und Stärke, mit ihm annehmen wollte. Homer. Il. Η. v. 132. Also erlegete er auch noch bey Lebzeiten seines Vaters den Itymoneus aus Elis, da sie mit einander wegen einiger entführter Rinder in Krieg geriethen, wie nicht weniger in einem andern Gefechte den Mulius, des Augias Eydam, u. eroberte dabey auf die funfzig Streitwagen. Id. ib. Λ v. 665. Er gieng nach der Zeit, ungeachtet er bereits sehr alt war, mit neunzig S. hissen seiner Leute mit vor Troja. Hygin. Fab. 97. Ob er nun wohl nicht vielmehr mit der Faust vermochte, auch daher dereinst beynahe von dem Hektor wäre erleget worden, wo ihm nicht noch Diomedes losgeholfen hätte: Homer. Il Θ. v. 80. so nützete er dennoch den Griechen weit mehr mit seinen klugen Rathschlägen. Id. ib. 1. v. 94. Er war dabey ganz unermüdet, Id. ib. Κ. v. 164. und besaß eine Beredtsamkeit, welche süßer, als Honig, war. Id. ib. Α. v. 249. Daher wünschete sich auch Agamemnon seiner zehen, weil er sodann mit ihnen Troja gar bald zu bezwingen hoffete. Id. ib. Β. v. 371. Er hielt die ganze Belagerung solcher Stadt mit aus, und es besuchte ihn nachher Telemach, des [1732] Ulysses Sohn, annoch ut Pylos, den er so, wie alle Fremden, gütigst aufnahm. Id. Od. Γ. ab init.

3 §. Tod und Alter. Er starb eines natürlichen Todes, als er bis 300 Jahr alt geworden. Diese Jahre schenkete ihm Apollo für diejenigen, welche er seiner Mutter Brüdern, der Niobe Söhnen, genommen hatte, als er sie erschoß. Hygin. Fab. 10. Nun setzen zwar einige dessen Jahre ausdrücklich auf dreyhundert. Ovid. Met. XII. v. 188. Iuv. Sat. X. v. 248. & ad eum Schol. Vet. Allein, da solche nur drey Secula, drey Aetates, drey Aeva u.s.f. heißen, so wollen andere solche nur von drey Menschenaltern verstehen, die man auf 30 oder 33 Jahre setzet, daß also nach solchem Nestor in allem etwan 99 Jahre alt geworden sey. Voss. Theol. gent. l. III. c. 79. Desprez ad Horat. l. II. Od. 9. v. 13. Eustath. & Servius ap. Farnab. ad Ovid. l. c. Uebrigens war sein Grab, sein Haus, Stall u.d.g. noch lange Zeit zu oft gedachtem Pylos zu sehen. Pausan. Messen. c. 36. p. 285.

4 §. Gestalt. Er war groß und lang von Statur, hatte eine krumme Nase, breite Schultern und weiße Haut. Dares Phryg. c. 13.

5 §. Familie. Seine Gemahlinn war Anaxibia, des Kratiens Tochter, mit welcher er die Pisidice und Polykaste, imgleichen den Perseus, Stratichus, Aretus, Echephron, Pisistratus, Antilochus und Thrasymedes zeugete. Apol. lod. l. I. c. 9. §. 9. Antilochus und Thrasymedes folgeten ihm in der Herrschaft, insonderheit weil sie mit ihm vor Troja gewesen waren. Pausan. Messen. c. 31. p. 276. Jedoch wollen auch einige, Antilochus sey eben vor Troja von dem Memnon erleget worden. Homer. Od. Λ. v. 187. & Hygin. Fab. 113.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1731-1733.
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