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[2] Vieleicht hätte ich es eben so füglich wagen können, diesem Buche nunmehr bloß meinen Namen vorzusetzen, als sich andere für berechtiget gehalten, solches bey ähnlichen Werken zu thun. Wer meine Arbeit bey demselben gesehen hat, oder sich die Mühe nehmen will, diese Ausgabe mit den vorigen etwas genauer und sorgfältiger, als durch ein flüchtiges Durchblättern und einen überhin eilenden Blick, zu vergleichen, wird mir solches nicht sehr widerstreiten. Ein klein wenig mehr ganz leichte Umschmelzung wurde mir auch ein völliges Recht dazu gegeben haben. Allein, da ich doch selbst nicht die erste Anlage und den Entwurf dazu gemacht; da ich nicht selbst den vornehmsten Theil der Materialien zuerst zusammen getragen habe: warum hätte ich dem eigentlichen Bauherrn die Ehre nehmen sollen, das Gebäude noch ferner nach ihm zu benennen, welches er daraus aufgeführet hat?
[3] Freylich sieht es gar nicht mehr so aus, als es im Anfange ausgesehen hat. Es ist abgeputzt; und es sind viele Aenderungen, oder, wenn ich es sagen darf, Verbesserungen darinnen vorgenommen worden. Die Hauptmauern aber sind doch noch stehen geblieben; und die ganze Einrichtung hat ihr eigentliches Wesen behalten. Mußte ich ihm daher nicht auch seinen alten Namenlassen? Dieß schien mir eine Pflicht zu seyn, die man dem Andenken wohlverdienter Männer schuldig ist. Es ist gleichsam ein Todtenopfer, welches ihnen die dankbare Nachwelt, so wie die Vorwelt ihren Halbgöttern, aus Erkenntlichkeit für das Gute bringen sollte, welches sie ihr erwiesen haben, wenn solches gleich nachher durch andere vermehret worden. Sie haben doch den Grund geleget, sie haben den Weg gewiesen, sie haben ihn oft mühsam genug gebähnet. Gebühret ihnen dafür nichts? Ihre Arbeit war nutzlich; einmal hatten sie den Ruf vor sich; gesetzt, daß er auch aus Vorurtheile, aus nicht genugsamer Prüfung oder hinlänglicher Kenntniß entstanden wäre. Könnte man ihn aber nicht durch Ausbesserungen ihrer Werke gegründeter machen? Allerdings ist solches eine sehr undankbare Arbeit und bleibt immer ein verdrüßliches und beschwerliches Flickwerk. Zehnmal lieber will ich etwas eigenes nach meinem Sinne ausarbeiten, als eines andern Ausarbeitung durchmustern, säubern und nach meiner Vorstellung bessern und vollkommener machen. Allein, sollte es wohl nicht ein kleiner Neid, eine etwas zu hohe Einbildung von seinen Einsichten, eine ziemliche Eigenliebe, ein wenig Stolz seyn, wenn ich einen andern aus seiner bisherigen Hochachtung verdringen und mich hinein setzen will? Mich dünket es wenigstens. Mein Augenmerk ist daher bey diesem Buche nur gewesen, dessen guten Beyfall, wenn es mir möglich wäre, noch etwas mehr zu befördern und ein wenig zu vergrößern.
Ich gestehe es freymüthig, es ist noch manches darinnen, welches mir nicht recht gefällt. Hätte ich den ursprünglichen Grundriß gemacht, so wurde ich verschiedenes anders eingerichtet haben. Warum habe ich denn solches nicht geändert und dasjenige ganz weggestrichen, was mir nicht gefiel? Weil alsdann Hederich gar nicht mehr Hederich gewesen seyn wurde. [4] Ich war auch eben nicht so ganz zuverläßig versichert, daß alle Liebhaber und Kenner mir es verdanken möchten. Der Geschmack ist verschieden, und selbst der gute. Wer würde ihn wohl demjenigen absprechen, der eine gellertsche Fabel lieber liest, als ein gellertsches Lied; oder ein vernünftiges Lustspiel einem rührenden Trauerspiele vorzieht? Eines einzelnen Mannes Geschmack aber sollte man niemals zu einer Regel des Allgemeinen machen wollen.
Man hat gewünschet, es möchten bey einer neuen Auflage dieses Buches die Ableitungen der Namen daraus weggelassen werden; und solche gerade für den schlechtesten Theil desselben erkläret. Ich stutzete über diesen Tadel; weil solcher nicht so wohl den Hederich traf, als vielmehr den Plato, Cicero, Vossius, Bochart, was für Namen des Macrobius, Fulgentius, Phurnutus, Clericus u.a. nicht zu gedenken. Aus diesen hat er solche Ableitungen geschöpfet. Haben sie sich nun nicht geschämet, noch es für verwerflich gehalten, in ihren ernsthaften Werken zuweilen dem Witze nachzuhängen und zu spielen; warum sollte es tadelhaft seyn, ihre Spielereyen anzuführen und andern bekannt zu machen? Nicht bloß junge Leute, sondern auch erwachsene und vernünftige, wollen oft gern wissen, was ein oder der andere Namen bedeute, wo er herkomme, u.s.w. Darf man eine solche unschuldige Neugier nicht befriedigen, wenn man es mit so geringen Kosten, und ohne selbst seinen Witz auf die Folter zu spannen, thun kann? So gern ich also den Rathschlägen und Anweisungen anderer folgen mag; und so wenig ich selbst für dergleichen Wortgrübeleyen eingenommen bin: so habe ich doch diesem Gutachten nicht nachleben und solche Stellen wegstreichen dürfen.
Eben so wenig habe ich es auch unternommen, mich an den physischen und moralischen Deutungen der Fabeln zu vergreifen und sie auszumerzen. Sie gefallen mir zwar nicht: aber sie mögen wohl andern anstehen, und haben wirklich vielen angestanden. Wurde man sonst so sinnreich dabey gewesen seyn und oft allen seinen Witz dazu aufgebothen haben? Es könnte auch wohl seyn, daß die Alten etwas dergleichen darunter verhüllet [5] hätten. Zum mindesten glaubete Baco von Verulamio,1 daß die ganze Weisheit der Alten darinnen enthalten wäre. Selbst ein Morhof hielt es nicht für unwahrscheinlich,2 daß man eine Anweisung zur Chymie dergestalt verkleidet hätte. Ich habe diese Deutungen also in ihrem Werthe oder Unwerthe beruhen lassen; und ob mir gleich zu Zeiten die Luft angekommen, so wohl hier, als bey den Ableitungen, noch eine andere beyzufügen, die mir von freyen Stucken, ohne großes Nachsinnen, eingefallen und ganz natürlich vorkam, so habe ich mich dessen dennoch enthalten.
Dagegen ist mir die Erinnerung wegen der Nachricht von der Bildung der hier vorkommenden Personen eine beständige Vorschrift gewesen. Ich habe solche bloß von alten Denkmälern, Bildsäulen, Gemälden, Münzen und gewschnittenen Steinen genommen. Dabey aber habe ich nicht Umgang haben können, auch die Beschreibungen mit anzuführen, die von einem oder dem andern bey den Alten, und zuweilen auch bey den Neuern, gemacht worden. Ueberaus gern hätte ich, zur Anfeurung des Geistes eines Künstlers, die Schilderungen beygebracht, welche die alten Dichter von ihren Gottheiten hin und wieder gemacht haben. Ein Paarmal ist es auch wirklich geschehen: ich merkete aber, daß dieses das Werk gar zu weitläuftig machen wurde, und mußte mich also nur bloß einschränken, das Wesentliche daraus mitzutheilen. Indessen habe ich dabey doch vorzüglich auf Künstler mit gesehen, und daher nicht selten Anmerkungen großer Kunstverständigen mit eingerücket, was sie bey der Bildung dieses oder jenes zu beobachten hätten. Man sehe Apollo, Faunen, Medusa, Mars u.a. Da auch, wie ein heutiger Schriftsteller saget,3 die ganze Mythologie eigentlich ein Land dichterischer Ideen ist, und auch der Künstler, wenn er sie bildet, ein Dichter wird: so habe ich mich nicht bloß mit Anzeige Einer Vorstellung begnüget, sondern verschiedene angeführet, wenn ich solche gefunden habe. Sie werden daraus erkennen, wie die Alten bey der Mannichfaltigkeit der Abänderungen dennoch in dem Charakteristischen immer einförmig geblieben: [6] wie sie sich aber auch gar nicht haben binden lassen, stets bey einer Bildung sclavisch zu beharren. Dieß kann ihnen denn Anleitung geben, ihren Beyspielen zu folgen und in ihren Idealen gleichfalls mannichfältiger zu werden. Ich habe mich um so viel lieber bey diesen Paragraphen aufgehalten, weil der Geschmack an den schönen Kunstwerken, und sonderlich den geschnittenen Steinen, bey uns heute zu Tage allgemeiner zu werden scheint. Wenn ich diesem Buche sonst keinen Vorzug habe ertheilen können: so wird es doch vieleicht manchem dadurch angenehm werden, daß er darinnen eine genaue Beschreibung der zu Hercolano gefundenen alten Gemälde, so viel wir deren haben, unter ihren gehörigen Artikeln antrifft.
Ueberhaupt ist meine Bemühung bey diesem Werke vornehmlich dahin gegangen, es so brauchbar, richtig und vollständig zu machen, als es in meinen Kräften stünde. In dieser Absicht habe ich die Quellen selbst fleißig nachgesehen, und wo ich gekonnt, dasjenige aus denselben hergeholet, was Hederich selbst nur aus abgeleiteten Bächen geschöpfet hatte. Ich habe die Stellen sorgfältig angeführet und die schon angegebenen berichtiget; und das bey vielen auf eine doppelte Art, durch Seitenzahlen und Bucher und Capitel, damit man in zweyerley Ausgaben sie desto leichter finden könne. Dieß hat mir nicht wenig Stunden gekostet, und oft unwillig gemacht, wenn ich da, wo ich war hingewiesen worden, gar nichts von dem fand, was ich suchete und daselbst finden sollte; oder wohl gar das Gegentheil antraf. Indessen wollte ich doch gern den Vorwurf von diesem Wörterbuche entfernen, welchen Burmann in seinem Verzeichnisse der Argonauten, bey Gelegenheit einer Nachricht vom Nauplius im Moreri, den diebischen Lexiconsschreibern, wie er sie nennet, auf eine so bittere Art machet.4 Ich ließ mir also bey Hauptsachen die Mühe[7] nicht verdrießlich fallen: bey manchen Kleinigkeiten aber war es derselben nicht werth. Jedoch werden deren nicht so gar viele seyn, die ich hindan gesetzet habe. Im Grunde demnach kann man sich auf die Anführungen verlassen; und gleichwohl mochte ich nicht durchgängig für alle die Gewähr leisten. Es wurde selbst einem Argus nicht möglich seyn, jeden Fehler zu verhüten, der im Schreiben, Setzen und Aendern begangen werden kann. Ich habe dergleichen bereits wahrgenommen und gefunden, daß eine 3 für eine 5, oder diese für eine 8 und umgekehrt zu stehen gekommen. Doch will ich nicht befürchten, daß ein Schriftsteller für den andern genannt worden, wie ich es vielfältig bey andern gefunden habe. Sind dieß aber nicht Beweise unserer Unvollkommenheit und Schwachheit? Und sollten die nicht eine gütige Nachsicht und Entschuldigung verdienen?
Bey dieser Berichtigung und Aufsuchung der Stellen konnte ich denn füglich die Erzählungen richtiger, und wo es nöthig seyn schien, etwas umständlicher und deutlicher machen. Dieß nöthigte mich aber sehr oft, den ganzen Artikel umzuwerfen und einen neuen aufzuführen. Den Beweis davon kann man unter verschiedenen andern am merklichsten in Argonauten, Isis und Tyhon sehen. Doch auch schon ein Paar ganz unbeträchtliche Artikel, die man am ersten übersehen kann, werden dieß sattsam bewähren. Z.B. Appiades Deæ, Archegetes, Ereuthalion und dergleichen. Ich fand noch manches hinzu zu thun, und eine ziemliche Anzahl neuer Artikel einzuschalten. Mein Vorsatz war, alles, was bey dem Lesen der classischen Schriftsteller unter den Griechen und Lateinern mythologisches vorkäme, und man hier suchen könnte, anzuführen. Ich habe daher noch einige andere fremde Gottheiten mitgenommen, weil deren in den lateinischen und griechischen Schriften Erwähnung geschieht, dagegen aber viele unberühret gelassen, wovon man darinnen nichts antrifft. Dieß ist die Ursache, warum man hier nicht alle diejenigen Artikel wahrnehmen wird, die beym Banier oder in dem größtentheils aus ihm wörtlich abgeschriebenen Dictionnaire portatif de mythologie vorkommen. Außer diesen bescheide ich mich sehr gern, daß hier noch manches fehlen [8] kann. Sonderlich wird dieß bey den Beynamen der Götter öfters können angemerket werden, welche aber vielmals nichts weiter, als Beywörter sind, wie z.B. Mars silvestris, Apollo Hecatus, die man mit Fleiße nicht hat mitnehmen wollen, weil deren unzählige seyn können.
Bey allen diesen Umschmelzungen, Ergänzungen und Vermehrungen habe ich mich doch so kurz gefaßt, als es nur hat angehen wollen. Das Werk sollte nicht zu stark werden, damit es angehende Studierende und Lehrlinge in der Kunst noch kaufen könnten, deren Beutel eben nicht sehr voll sind. Diesen Endzweck zu erreichen, und hin und wieder etwas Raum zu den Einschaltungen zu gewinnen, habe ich die Wiederholungen zu vermeiden gesuchet, die in einem Werke fast nothwendig werden, wo die Erzählung der Geschichte verschiedener Personen unter dem Artikel einer jeden Person besonders vorkommen muß. Ich habe deswegen in solchem Falle dieselbe an dem einen Orte nur kaum berühret, und auf denjenigen verwiesen, wo sie völliger erzählet wird. Ueber dieses habe ich viel bloß historisches ausgestoßen, welches gar keine Verwandtschaft mit der Mythologie hatte, noch sich auf dieselbe bezog. Dergleichen war z.B. in dem Artikel Anna Perenna die Geschichte von der Trennung des römischen Volkes im 260sten I.R. unter dem Sicinius. Ich wurde auch noch mehr haben wegstreichen können, wenn ich allezeit aufmerksam genug gewesen wäre. So dünket mich jetzo die Anzeige von der Beschaffenheit der Stadt Antium unter Antias hier an einem ganz unrechten Orte zu stehen, so unterrichtend sie auch ist. Wenn ich daher morgen wieder anfangen sollte, dieses Werk durchzugehen, so wurde ich noch manches darinnen ändern.
Inzwischen kann ich mir doch das gewissenhafte Zeugniß geben, daß ich keinen Artikel vernachlässiget habe. Fand ich nichts darinnen zu ändern, so besserte ich doch die Schreibart ein wenig, die oft sehr altfränkisch war. Hederich hatte mannichmal die Laune, scherzen zu wollen, wozu die mythologischen Geschichte vielen Anlaß geben. Er that es aber gemeiniglich in einer Sprache, die etwas in das Pöbelhafte fiel. Dieß dünkte [9] mich unanständig für einen Lehrer zu seyn, und ich wollte ihn lieber auch bey lustigen Sachen durchaus ernsthaft sehen. Nichts destoweniger muthmaße ich doch, man werde noch hier und da von dem Vortrage sagen können: manent adhuc vestigia ruris.
Ich werde mich für belohnet und gelobet genug halten, wenn man meine Mühe und meinen Fleiß erkennen wird, sollte auch gleich bey meiner Wissenschaft und Kenntniß noch vieles zu wünschen seyn. Wenn ich dieses Buch nur nicht schlechter gemacht habe, als es gewesen ist, so kann und werde ich mich beruhigen. Es so vollkommen zu machen, als es nach eines oder des andern Gedanken seyn sollte, und daß man nichts weiter dabey zu verlangen, noch zu wünschen hätte, daß dieses und jenes anders seyn möchte, habe ich mir niemals schmeicheln dürfen. Könnte sich solches auch wohl irgend ein Sterblicher einbilden; oder vermochte er es jemals zu leisten? Genug, wenn ich es nur so gemacht habe, daß es nicht ganz zu verwerfen ist; und das mögen einsichtsvolle und billige Richter bestimmen. Geschrieben zu Leipzig, den 8ten May, 1770.
Johann Joachim Schwabe.
1 | De sapient. veter. p. 1248. Opp. |
2 | Polyhist. T. I. l. l. c. 11. n. 17. |
3 | Krit. Wäldchen I. a. d. 131 S. |
4 | Maximum hoc ex furum Lexicographorum scriptis est incommodum, quod vel nullos auctores producant, vel ad scriptorem aliquem nos ita remittant, ut quærendo defatigati, tandem illis fidem habere malimus, quam inutilem operam insumere. Sæpe etiam citant auctores, apud quos illa, de quibus agunt, debere exstare credunt, licet sæpe vel nihil ibi reperiatur, vel longe aliter. |
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